Die Wolfhagen-Mühle in Marwede
(Entnommen aus: Wilhelm Brese, Marwede. Eine Perle
der Südheide. Marwede/Celle 1986, S. 39
ff.)
Es ist anzunehmen, dass die Mühle im 9. Jahrhundert
angelegt wurde, denn
es ist bekannt, dass die Franken nach der Besiegung
der Sachsen überall
Wassermühlen bauten. Es waren herrschaftliche Gründu
ngen. Urkundlich
wurde sie zuerst im Schatzregister der Großvogtei G
elle vom Jahre 1438
genannt, „to Margwede de Marnholtes meyger Ludelves
“. Aus den Ludelves
wurde Ludeke Müller (im Viehschatzregister von 1589
Luteke Müller). Die
Kötner Müller haben die Marweder Mühle nachweislich
bis 1680 als Pächter
innegehabt. Am 21. Januar 1614 verpachtete der letz
te derer von
Mahrenholz, Wilhelm Joachim v.M., Erbgesessener zu E
icklingen, seine
Mühle zu Marwede an "Hanßen Müllern" daselbst Lüdde
ckens sel. Sohn".
Dem Vertrag ist u.a. zu entnehmen: "Der Pächter sol
l die Mühle samt alles
was zur Mühle gehört, in Dach und Fach erhalten, wi
e solches einem
getreuen Müller und Pachtmann eignet und gebühret".
Der Pachtpreis wird
auf 6 Scheffel Roggen jeder Scheffel zu 12 Himpten
gerechnet, festgesetzt.
Zusätzlich hat der Pächter dem von Mahrenholz jährl
ich 3 Himpten
Grütze und 2 Schock Föhren zu liefern. Der Gutsherr
Überträgt seinem
Pachtmüller gleichzeitig die Aufsicht über die guts
herrlichen Holzungen,
"damit mir von meinem Holze nichts gestohlen werde"
. Offenbar war der zur
Mühle gehörende Acker nicht gut in Kultur, denn Mah
renholz wünschte, "daß
wie sich das eignen und schicken tut, hinfort das M
ühlenland zu bessern und
beackern sei, damit ihm der jährlich Kornzehnte ger
eicht werden könne". Der
Gutsherr behielt sich vor, die Mühle jederzeit selb
er zu gebrauchen, zu
bebauen und zu bewohnen.
Nun, dieser Fall trat nicht ein. Wohl aber ein ander
er: Wenige Jahre später,
am 14. März 1623, überträgt Jürgen von der Wense, d
er die
Grundherrschaft in Marwede von Mahrenholz
übernommen hat, die Marweder Mühle dem Lüdeke Mölle
r, Hanß sel. Sohn.
Die Pachtverträge der Jahre 1614 und 1623 gleichen
sich in der Form, doch
inhaltlich sind einige wesentliche Änderungen zu ve
rzeichnen.
Der neue Vertrag wird auf zunächst 8 Jahre begrenzt
, der Pachtpreis von 6
auf 7 Scheffel erhöht. Auch muß der Müller das Korn
, das ihm v.d. Wense
zuschicken wird, treulich und
mattefrei mahlen und die Leute, die im Herrendienst
in den gutsherrlichen
Waldungen arbeiten, unentgeltlich verpflegen.
Die Pachtbedingungen waren hart und es mag dem Lude
ke Müller in den
schweren Kriegsjahren nicht leicht gewesen sein, al
le Verpflichtungen
getreulich zu erfüllen. Er hat die Mühle nicht sehr
lange bewirtschaftet. Im
Jahre 1634 wird sein Sohn Hans Müller als Mühlenpäc
hter genannt.
Das Beedenbosteler Hausbuch von 1665 gibt Auskunft
über die Marweder
Höfe. Zu ihnen gehörte auch der Mühlenhof, eine Köt
nerstelle, die zu der Zeit
von Michel Müller bewirtschaftet wurde, dazu auch d
ie Mehlmühle mit der
seit einigen Jahren eine Sägemühle verbunden war. "
Und muß der Müller all
da die Brücken, so daselbsten ist, auf seine Kosten
machen und erhalten,
jedoch das nötige Holz dazu aus gemeiner Holzung er
laubet und angewiesen
wird".
Michel Müller hatte dem von der Wense Handdienste zu
leisten. Dem
Landesherren war er zu Landfolge, Burgfestdiensten
und zu Schatz und
Kontribution verpflichtet. Der Marweder Müller muß
schon gut gewirtschaftet
haben, konnten doch alle Verbindlichkeiten erfüllt
werden. Imkerei und
Schafhaltung verschafften ihm die nötigen Nebeneinn
ahmen. Einer der
beiden Schafställe befand sich auf dem Hofplatz, de
r andere außerhalb des
Dorfes "in der weiten Heide" am Räderloher Weg. Von
den drei Immenstäen
lag eine beim Hause, die beiden anderen im Stalohsb
usch und am
Schmalwasser. 20 Morgen Ackerland gehörten zum Mühl
enhof, auch 2
Wiesen und ein Grashof. Michel Müller starb im Jahre
1680. Er hinterließ
eine Witwe nebst einem Häuflein kleiner Kinder.
Der Gutsherr setzte nun einen neuen Pächter ein, He
inrich Röhrig. Dieser
übernahm gleichzeitig auch die Sägemühle, die der G
roßvogt von der Wense
40 Jahre zuvor einrichtete. Eine Überlieferung der
Familie Müller gibt für die
Kündigung eine Darstellung, die den Gutsherrn in ei
n schlechtes Licht stellt.
Danach soll der Baron von der Wense eines Tages in
das Haus Müller gekommen sein und habe sich erboten
, den unansehnlichen
Wocken (Schutzhülle, der um den Spinnrocken gewunden
en Flachse) der
Familie durch einen neuen, schöneren zu ersetzen. E
r habe das auch getan
und den alten Wocken an sich genommen. In diesem Wock
en sei nun der
Lehnsbrief über die Mühle aufbewahrt gewesen und da
mit der Familie
entzogen.
Was mochte den Grundherrn veranlaßt haben, Mühlenhof
und Mühle von
einander zu trennen, die Mühle also selbständig zu
machen? Offensichtlich
war ein guter Pächter sehr nötig.
Wenige Jahre zuvor (1654) hatte Herzog Wilhelm in Weyh
ausen ein
Jagdschloß erbauen lassen, zu dem auch ein Backhaus
und eine Konditorei
gehörten. Die Hofhaltung hatte großen Bedarf an Müh
lenerzeugnissen. Sie
war dabei auf die Mühle in Marwede angewiesen, zuma
l die schlechten
Wegeverhältnisse einen Transport von den Celler Mühl
en sehr erschwerten.
Das mag v.d. Wense veranlaBt haben, die Marweder Müh
le auszubauen und
sie mit einem tüchtigen Meister zu besetzen. Röhrig
hat sein Handwerk gewiß
verstanden. Gegenüber den Hinterbliebenen seines Vo
rgängers erwies er sich
äußerst rücksichtslos. Das ist der Klageschrift der
Anna Maria Müller vom
9.6.1684 zu entnehmen. Sie schreibt u.a.: "Ich bewo
hne zusammen mit
meinen unmündigen Kindern meines sel. Mannes hinter
lassenen
Kothof und muß von der zugehörigen Länderei vom Gar
ten und von den
Wiesen die monatliche Kontribution, auch was dem Gut
sherrn gebühret,
abtragen. So kann ich nicht umhin, zu klagen, daß d
er neu eingesetzte Müller
Röhrig mir nicht allein meinen kleinen Garten, sond
ern auch den Grashof
hinter der Mühle gewaltsamerweise wegzunehmen sich
unterstehet. Als ich im
Vorjahr mein Vieh in dem Grashof weiden lassen woll
te, jagte es Röhrig zum
Hof hinaus und traktierte meinen Sohn mit einem Prü
gel. Wenn mein Vieh
dort vorbei muß, so geht der Müller mit einem Feuer
rohr nebenher und droht
es zu erschießen, wenn es in den Grashof soll."
Als die Witwe eines Tages über den Hof ging, um Wasse
r zu holen, fiel
Röhrig wie ein rasender Mensch mit einem großen Prü
gel über sie her. Es
wäre sicher zum Schlimmsten gekommen, wenn nicht ei
n Knecht aus
Schelploh, der zufällig vorbeikam, sie gerettet hät
te.
Die Witwe Müller wandte sich in ihrer Not an die Für
stliche Regierung in
Celle mit der Bitte, sie in ihren Rechten zu schütz
en. Das ist anscheinend
geschehen. Der Amtsvogt berichtete an die Fürstlich
e Regierung in Celle
folgendes:
"Die Marweder Mühle liegt auf dem Hof des Kötners E
rnst Müller. Bislang
gehörte sie dem Bauern, der dem Gutsherrn v.d. Wense
ein Gewisses an
Erbzinskorn zu entrichten hatte. Vor
etwa 4 Jahren aber ist solche Mühle dem Bauern abge
nommen und hat sie
der Herr Marschalk aus seinen Mitteln wieder bauen
und das Fundament
erneuern lassen, auch nach seinem
Belieben einen Kerl in solche Mahlmühle gesetzet, d
er zugleich die
Sägemühle zu verwalten hat. Dieser neu eingesetzte
Müller hat anfänglich
kein Vieh gehalten, weil er noch unbeweibt gewesen
ist. Nunmehr aber,
nachdem er vor einem Jahr gefreit, hat er sich eine
Kuh gehalten und meint,
davon weder Schatz noch Kontribution zahlen zu brau
chen, unter dem
Vorwand, daß ihm der Junker solches verboten hätte,
weil er dessen Diener
wäre."
Dem v.d. Wense erklärte der Vogt, daß der Hof, auf d
em die Mühle steht,
unter der Jurisdiktion der Vogtei liegt, und daß di
e Gnädigste Herrschaft
allein das Gericht in der Vogtei hat, somit also de
r Marweder Müller auf dem
Landgericht erscheinen müsse, wenn er dort vorgelad
en würde, er auch alle
Lasten und Abgaben des Dorfes mitzutragen habe. Daß
der Müller auf seiner
Hochzeit fremdes Bier ausgeschenkt hatte, erfuhr de
r Vogt aus dem Befehl
der Celler
Regierung, das Bier, soweit es noch nicht ausgetrun
ken sei, zu
beschlagnahmen, und dem Armenhaus in Celle zuzuweis
en. Von der Zahlung
des Immenfluchtgeldes wollte der Vogt absehen, da e
r annehmen konnte,
daß die Bienen zum Teil dem Junker gehörten. Müller
Röhrig hatte durch
seine Eigenwilligkeit also auch beim Amt Schwierigk
eiten und hat die Mühle
offensichtlich nicht lange bewirtschaftet. Dennoch
hat dieser rabiate Mann es
später in Hankensbüttel zum Kirchenjuraten, einem d
och wohl ansehnlichen
Ehrenamt, gebracht.
In den Escheder Kirchenbucheintragungen der Jahre 1
681 bis 1686 auch
1693 wird der Meister Hans Heinr. Wolfhagen als Säge
müller in Marwede
bezeichnet. Seitdem ist die Mühle in einer Folge vo
n acht Generationen in
den Händen der Familie Wolfhagen gewesen. Unterbroch
en wurde die Reihe
lediglich während des Siebenjährigen Krieges. Im Fe
bruar 1757 schließt der
Kammerjunker von Staffhorst/Hermannsburg mit Pasche
n einen Pachtvertrag
für die Zeit vom 1. Mai 1757 bis dahin 1761 ab. Zu
Bürgen wurden bestellt
Heinrich Becker aus Schelploh und Ernst Gries aus M
etzingen. Paschen hat
dann
auch einen Mühlenmeister namens Lühmann in Marwede
beschäftigt. Lt.
Escheder Kirchenbuch hat sich am 21.X.1759 Georg Lü
hmann, des
Mühlenmeisters in Marwede Bruder, mit Ilse Magda Pa
penhusen aus
Habighorst verheiratet.
Nach kurzer Interimszeit haben die Wolfhagen die Müh
le wieder
übernommen. Im Jahre 1796 brannte das alte Mühlenge
bäude nieder. Es
wurde von Joh. H. Wolfhagen durch einen Neubau erset
zt. Darauf verweist
die Inschrift über der östlichen Mühlentür. 1799 wu
rde die Pachtmühle in
eine Erbenzinsmühle umgewandelt. Der Erbenzins betr
ug jährlich 12 Pistolen
oder 56 Thaler. 1859 wurde das jetzige Wohnhaus am r
echten Flußufer
erbaut.
In der Mühle wurden daraufhin die früheren Wohnräume
zu einer Grützmühle
und einer Ölmühle umgebaut. Mit dem Ölschlagen wurd
e gewöhnlich gegen
4 Uhr morgens begonnen. Jahrzehnte hindurch hat Hei
nrich Hoppenstedt,
der rd. 60 Jahre auf der Mühle tätig war, die Mahlm
ühle und die Ölmühle
bedient. Erwähnt werden müssen auch die beiden Männ
er Heinrich
Hövermann und dessen Sohn Hermann, die in unserem J
ahrhundert wohl 30
Jahre hindurch bei Hitze und Kälte den Mühlenwagen
mit 30 bis 40 Zentner
Ladung bis "Blickwedel -Hagen -Sprakensehl -Masel -
Lüsche -Räderloh" wie
auch nach Scharnhorst- Eschede -Rebberlah gefahren
haben.
1895 übernahm Arnold Wolfhagen die Mühle. Er erhöhte
das
Mühlengebäude um ein Stockwerk, ersetzte die Wasserr
äder durch eine
Turbine und richtete dazu eine Brotbäckerei ein. Da
s Marweder Landbrot war
Jahrzehnte hindurch sehr beliebt, und die Öl- und G
rützmühle haben
besonders im 1. Weltkrieg und 2. Weltkrieg manche No
t gelindert. 1956
wurde das Mühlenrecht nach dem Tode von Arnold Wolfh
agen von Frau
Marie Luise Mißelhorn, sie war die Erbin, aufgehobe
n. Das Mühlensterben
hatte auch Marwede erreicht. Die Mühle war in Jahrh
underten ein wichtiger
Wirtschaftsfaktor für die umliegenden Dörfer gewesen
und für Marwede ein
gewisser Mittelpunkt.
„Heide aus Lüneburg“
Gewässerskulptur im renaturierten Heidebach Lutter
an der Wassermühle
Wolfshagen als „Magischer Ort“.
Mehr über das Kulturprojekt und die anderen „Magisc
hen Orte“ erfahren Sie
im Internet unter
www.eschede.de
Kultur oder unter 05142/411-27 im
Rathaus.