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Ernst Wolfhagen in Hannover im Alter

 

 

 

 

Die Lebenserinnerungen meines Großvaters Ernst Wolfhagen

 

Bearbeitet von Ulrich Thoma

 

Aus seinen handschriftlichen Aufzeichnungen in Sütterlin-Schrift übersetzt und hier aufgeschrieben von

Margot Borowka.

 

Hier geht es zu den Lebenserinnerungen meines Urgroßvaters Ernst Wolfhagen

 

 

Der gesamte folgende Text wird noch hinsichtlich Rechtschreibung und Formatierung überarbeitet,

wurde jedoch auf Wunsch bereits zum jetzigen Zeitpunkt den Familienmitgliedern in der vorliegenden Form zugängig gemacht

Wenn Sie auf ein Kapitel klicken öffnet es sich!

 

Inhalt

Meine Heimatstadt 5

Meine Eltern und Geschwister 7

Meine Kindheit und Jugend – 1896. 16

Schüler am Realgymnasium in Erfurt 1896-1899. 27

Meine Studienzeit in Göttingen. 30

Meine Studentenzeit in München. 41

Ausbildung = und Junggesellenzeit in Hannover 1904 - Herbst 1909. 42

Familienleben 1906-1915. 45

Meine Militärzeit 1.Mai 1917 – 5.Juni 1917. 54

Familienleben 1918-1933. 58

Familienleben in der Brehmstraße 1933-1939. 63

Reisen 1927-1939. 65

Mein Leben als Studienrat 1906-1945. 67

Allgemeines Schulgeschehen. 78

Humor im Schulleben. 89

Weihnachtsfest in der Schule. 94

Mein Dienst an Mädchenschulen und am Planetarium.. 101

D. Erleben im Kriege. Fehler! Textmarke nicht definiert.

E. Gegenwart: Mein Leben im Ruhestand. 135

F. Rückkehr zur Brehmstraße 1949. 135

Anekdoten. 135

Feuerwehr in Einbeck. 135

Gärtner Goldberg. 135

Schlachtfest bei Wittrams. 135

Der alte Schlorner. 135

Professor Krönke. 135

Röntgenstrahlen. 135

Maifeier in Göttingen. 135

Gauss Weber Denkmal 135

Circus Sarassani 135

Freund Schleusinger. 135

Militärzeit 135

Direktor Fieten. 135

Der alte Meyer. 135

Fall Kaisenburg. 135

Fall Kuchen. 135

Fall Pukowski 135

Allg. Weihnachtsgedichte. 135

Humor in der Schule. 135

Pers auf Weihnachtsgedichte. 135

Schilderung. 135

Verlobung. 135

Privatunterricht 136

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

Meine Heimatstadt

Meine Eltern u. Geschwister

Meine Kindheit und Jugend

Schüler am Realgymnasium in Erfurt

Meine Studienzeit in Göttingen

Meine Studienzeit in München

Ausbildungs- u.  Junggesellenzeit in Hannover

A. Familienleben 1906-13

Meine Militärzeit 1.V.11-8.VI.12

B. Familienleben 1918-33

C. Familienleben in der Brehmstr.33-39

Reisen

Mein Leben als Studienrat

Allgemeines Schulgeschehen

Humor im Schulleben

Weihnachtsfest in der Schule

Mein Dienst an Mädchenschulen und am Planetarium

D. Erleben im Kriege

E. Gegenwart: Mein Leben im Ruhestand

F. Rückkehr zur Brehmstraße 1949

 

Anekdoten

 

Feuerwehr in Einbeck

Gärtner Goldberg

Schlachtfest bei Wittrams

Der alte Schlorner

Professor Krönke

Röntgenstrahlen

Maifeier in Göttingen

Gauss Weber Denkmal

Circus Sarassani

Freund Schleusinger

Militärzeit

Direktor Fieten

Der alte Meyer

Fall Kaisenburg

Fall Kuchen

Fall Pukowski

Allg. Weihnachtsgedichte

Humor in der Schule

Pers auf Weihnachtsgedichte

Schilderung

Verlobung

Privatunterricht

Das Elternhaus in Einbeck

 

So steht es heute noch am Marktplatz

 

Elternhaus am Markt von Einbeck.jpg

 

Das Elternhaus von Ernst Wolfhagen

 

Mein Leben neigt sich seinem Ende zu. Je älter ich werde, umso häufiger lasse ich mein Wandeln in dieser Welt in der Erinnerung vorüberziehen.

 Das Rückschauen auf eine Zeit, die sonniger war als die trübe Gegenwart, gibt mir oft Trost. Ich muss einem gütigen Geschick dankbar sein

dafür, daß es mich gnädig

 

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geleitet hat und davor, daß ich nicht von dem geraden Weg abgeirrt bin. Es erfüllt mich mit einem gewissen Stolz, daß ich nichts zu bereuen habe

 und nicht zu wünschen brauche, irgendeine Tat  oder ein Entschluss sei besser unterblieben. Andererseits bilde ich mir aber nicht ein, daß ich

darauf Anspruch machen kann, als leuchtendes Muster eines artigen Kindes, treusorgenden Familienvaters und Gatten, pflichtgetreuen und

 tüchtigen Lehrers Geltung zu zollen.


Der Inhalt dieses meines "Lebensbuches“ ist keineswegs für einen größeren Kreis bestimmt, würde ja sicherlich auch dort kein Interesse finden,

ich möchte aber annehmen, daß meine Nachkommen gern aus ihm ersehen, wie ich als ihr Vorfahr mich mit dem irdischen Dasein abgefunden,

wie ich die mir gestellten Aufgaben zu bewältigen versucht und verschiedene Erfahrungen ich dabei gesammelt habe. Im Übrigen wird ja auch

das allgemeine Weltbild, wie es sich in meiner Niederschrift abzeichnen wird, für spätere Generationen wissenswert sein.

Möge es für sie ein sonnigeres Gepräge zeigen, als es gegenwärtig der Fall ist.

 

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Meine Heimatstadt

 

Im Süden der Stadt Hannover liegt die kleine Kreisstadt Einbeck, die, als ich dort am 23.September 1880 geboren wurde, etwa 7.000 Einwohner zählte,

Seine Bevölkerung bestand in der Hauptsache aus Landwirten bzw. Ackerbürgern und kleinen Handwerkern. Industrieunternehmen von Bedeutung

fehlten völlig, und da Einbeck abseits von den  Verkehrsstrassen liegt, verlief das Leben in einem ruhigen Geleise.

Aus diesem Grunde war meine Heimatstadt auch als Ruheort für Rentner und Pensionäre beliebt, da sie dort ein beschauliches Dasein führen

konnten.

Ich glaube nicht, daß dort ausgesprochene  Proletarier zu verzeichnen waren.

Zu jener Zeit lag in E. noch Militär – ein Bataillon Infanterie – dadurch erhielt das Stadtbild einen gewissen Auftrieb. Hatte ein Amtsgericht und

eine höhere Schule, die allerdings bis zum Einjährigen Examen (= Untersecunda) führte, hatte E. ein Technikum = Maschinenbauschule, diese

etwa von 150 angehenden Ingenieuren

 

 

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her bekannte Gesichter und fand nur auf dem Friedhof die wieder, die in meinem Leben dort einmal eine gewisse Rolle gespielt haben.

Selbstverständlich ist diese Feststellung nichts Besonderes, aber sie hat mich doch oft traurig gestimmt und mir die Vergänglichkeit vor

Augen geführt.

Andererseits war ich immer sehr erfreut, wenn auch ich einen Bekannten aus meiner Jugendzeit wieder gefunden habe und bin immer wieder

gern an die Stätten zurückgekehrt, die mir früher lieb geworden sind. Sie sind ja auch im Wandel der Zeit weniger verändert als die Menschen.

Ich bin immer wieder gern auf den alten Straßen gewandert und habe die Plätze aufgesucht, auf denen ich als Kind glücklich war. Sie zeigen

noch das frühere Bild und haben auch durch die Wirren des Krieges nicht gelitten.

Im Laufe der Zeit ist natürlich auch das Stadtbild gewachsen. Als ich in E. meine Jugend verlebte, bildete ein Wall aus der Zeit als E. noch

Festung war, - noch vor etwa 300 Jahren –

 

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die Stadtgrenze. Außerhalb von ihm standen nur einzelne Wohnhäuser – heute ist dieser Wall nach allen Richtungen hin überschritten, und

die sog. „besseren“ Leute wohnen nicht mehr in dem alten Stadtkern. Die Wohnkultur hat sich auch dort sehr gehoben, es gibt Siedlungen

für die arbeitende Bevölkerung und eine ausgesprochene Villengegend.

Mir sind aber die Straßen der Innenstadt mehr vertraut, sie sind konstant geblieben, eng, dunkel und schmutzig mit Ausnahme der eigentlichen

Geschäftsstraßen, die auch ein modernes Gepräge angenommen haben. Eine große Anzahl der Häuser hat ein ehrwürdiges  Alter – mehrere

Inschriften deuten auf die Zahl um 1600 hin, - viele von diesen sind natürlich im Laufe der Jahre verschwunden, in der Hauptsache sollen

sie größeren Feuersbrünsten, von denen E. oft heimgesucht wurde, zum Opfer gefallen sein.

Sicherlich ist auch

 

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manches alte Gebäude nicht ganz ohne Zutun der Eigentümer „warm“ abgebrochen sondern, trotz oder auch mit Hilfe der freiwilligen Feuerwehr.

Als Beleg dafür, daß man nicht immer den Willen gehabt, des Feuers Herr zu werden, mag eine kleine Anekdote stimmen, die mir von meiner Mutter

übermittelt ist.

Danach hatte sich bei einem Brand herausgestellt, daß die Schläuche der Feuerspritze mit Sorgfalt von Kartoffeln verstopft waren, so daß kein

Wasserstrahl rettend gesendet werden konnte.

Dabei soll dann ein Feuerwehrsmann geäußert haben, man soll dem Geschick nicht vorgreifen. Ob diese Auffassung richtig war, mag dahingestellt

bleiben.

Für die Dienstauffassung der Einbecker Feuerwehr spricht auch folgendes Erlebnis, für dessen Wahrheit ich mich auf meine Mutter berufen muss.

Ein Feuerwehrsmann schmettert an einer Straßenecke stehend sein Signal in die Gegend und wird von einer Frau, die ängstlich aus ihrem

 

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Fenster hinausschaut, gefragt: Herr Feuerwehrsmann, wo kommt es denn? Worauf er antwortet: Watt geit mich dutt an, ick blase bloß!

(Was geht mich das an, ich blase bloß.)

Daß bei dieser Arbeitsteilung viele Brände erfolgreich waren, ist kein Wunder. Doch ich verliere mich zu sehr in Einzelheiten, muss nun

aber auch von meinem Geburtshause berichten.

Es steht am Neuen Markt; überragt seine Nachbarn in Größe und wird wohl auch 150 Jahre alt sein.  Breite Steintreppen führten in das Erdgeschoss,

von ihm gelangt man auf geräumigen Holztreppen in den 1. und 2. Stock. Im ersten stand meine Wiege: ich bin aber nicht ein so berühmter Mann

geworden, daß man es für angehalten hat, dort eine Gedenktafel anzubringen.

 

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Meine Eltern und Geschwister

 

Bevor ich nun von meiner Kindheit erzähle, muss ich meinen Eltern gedenken und sie so schildern, wie ich sie heute in der Erinnerung habe.

Es liegt mir dabei fern, ein Werturteil zu fällen. An meine Mutter kann ich mich nicht erinnern, sie starb bereits als ich ein halbes Jahr alt war.

Durch ihren infolge einer Nervenerkrankung erfolgten Tod fiel der erste Schatten auf mein junges Leben.

Was ich von ihr berichte, stammt aus der Überlieferung durch meinen Vater. Sie war eine geborene Grave und stammte aus einem Kaufmannshause

aus Alfeld. Dort hat sie mein Vater, als er dort das Alfelder Seminar besuchte, kennen gelernt. Mit ihrem Bruder insbes. mit dem Onkel Hermann

aus Bremen bestand auch nach ihrem Ableben stets eine herzliche Verbindung. Von ihm wird später noch häufig die Rede sein.

Aus der im Jahre 1870 geschlossenen Ehe zwischen ihr und meinem Vater waren mir vier Schwestern geboren, schon aus diesem Grund soll ich

mit einer besonders großen Freude bei meinem Eintreffen begrüßt worden sein.

 

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Meine Mutter soll nur von zarter Gesundheit gewesen sein, aber ich habe ihr doch einen stabilen Organismus zu verdanken.

In dem Jahre vor meiner Geburt starben zwei meiner Schwestern im Alter von 4 und 2 Jahren, dieser Verlust soll auf das früher heitere Gemüt

meiner Mutter stark eingewirkt haben, was ja auch verständlich ist. In gleicher Weise hat mein Vater darunter gelitten, und die schwierige materielle

Lage –

nicht zuletzt durch Krankheiten noch verschärft, - das Lehrergehalt war klein und die Familie war groß – drückten schwer auf ihn und ließen eine

frohe Stimmung selten aufkommen. Jedenfalls kenne ich ihn nur als ernsten Menschen, der zwar seinen Kindern gegenüber stets freundlich war,

aber doch wohl nicht viel Sonnenschein ausstrahlen konnte. Als Kind habe ich das zwar nicht in dem Maße empfunden wie später als ich selbst mich,

nicht wie

 

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mein Vater von großem Leid und mancherlei Sorgen beschwert, meinen Kindern widmen konnte. Hinzukommt, daß er gezwungen war, um seine

Familie unterhalten zu können, neben seinem Beruf als Lehrer an der Einbecker Töchterschule durch Nebenbeschäftigungen seine Einnahmen

zu vermehren.

Er gab Unterricht an der Sonderschule, schon vor seinem eigentlichen Dienst, früh von 7-8 Uhr, nachmittags an der Maschinenbauschule, außerdem

an einzelne Schüler Privatstunden in Englisch, ferner Klavierunterricht, sodaß dabei eine Tätigkeit von 48 Stunden pro Woche sich ergab. Es ist kein

Wunder, daß bei dieser Belastung nicht viel Zeit für die Familie übrig blieb, und man muß ja erstaunt sein, daß er bei dieser starken Inanspruchnahme

nicht zusammengebrochen ist. Es wird mir immer klarer, daß er einer kräftigen Gesundheit sich rühmen konnte, von der ich ja dann auch profitiert

habe.

Mein Vater stammt aus der Lüneburger Heide und ist

 

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in Marwede im Kreis Celle als Sohn eines Mühlenbesitzers geboren.  Ich kann es mir  gestatten, von seiner Jugend zu erzählen, da er selbst sein Leben

in einem Bericht geschildert hat, der gegenwärtig sich noch im Besitz meiner Schwester Marie befindet, aber dereinst  ja in die Hände der Familie

Wolfhagen übergehen wird. Durch ihn wird dann meine Niederschrift ergänzt werden. 

Ich wünsche, daß sein Lebenslauf später mit meinem eigenen vereint aufbewahrt wird. -

Wenn ich vorher sagte, daß das Leben meines Vaters in der Zeit, als ich ein Kind war, schwer und sorgenvoll war, muß ich dem hinzufügen, daß in

den späteren Jahren die Sorgen für ihn geringer wurden.

Mit einer allgemeinen Erhöhung der Lehrergehälter stieg auch sein Lebensstandard.

Er wurde 1893 zum Leiter der Töchterschule ernannt, das bedeutete einen starken Aufstieg, auch

 

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in materieller Hinsicht. Er brauchte sich nun nicht mehr durch Nebenverdienste zu belasten und konnte in jeder Beziehung freier leben. Wenngleich er

seinen Beruf sehr ernst nahm und in ihm seine Lebensaufgabe sah, blieb ihm jedoch Zeit, das Leben zu genießen. So sehe ich ihn dann auch, als ich

Jüngling und Student war, in dem ernsten Gewande  wie vordem. Je älter er wurde, je lichter wurde es um ihn und insbesondere konnte er in seinen

letzten Lebensjahren ein beschauliches Dasein führen. Er war zufrieden, daß seine Kinder alle wohl geraten und versorgt waren, hing an uns mit

großer Liebe und hat ja auch noch die Freude gehabt, in unserem Sohn Ernst den Namensträger der Familie begrüßen zu können. Im Alter von fast

80 Jahren ist er 1923 gestorben, nachdem er einige Monate vorher infolge eines leichten Schlaganfalles seine Lebenskraft verloren hatte. Bis dahin

 

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ist er nie ernsthaft krank gewesen, jedenfalls entsinne ich mich nicht, daß wir um sein gesundheitliches Ergehen je hätten in Sorge sein müssen.

Daß er diese seine Gesundheit auch seinem sehr soliden Lebenswandel zu verdanken hatte, ist ja wohl verständlich. Er kannte keine Leidenschaft, die

seinem Körper hätte schaden können, war kein Freund von Stammtischen, besuchte überhaupt kaum ein Gasthaus, ein Glas Wein leistete er sich nur

zu besonderen Anlässen, aber liebte es, eine kleine Cigarre zu rauchen. Nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig und immer die gleiche Sorte

Venora, die 3 Pfg. kostete und die er von dem Kaufmann Ohnesorge bezog. Ich erinnere mich, daß er in der Zeit der Inflation (etwa 1922) auch auf

diesen Genuss glaubte verzichten zu müssen, jedenfalls schrieb er mir damals, „lieber Junge, ich kann jetzt mir die Venora

 

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nicht mehr leisten, sie kostet 10 Millionen“. Darauf habe ich dann aber ihn von hier aus mit Rauchwaren versorgt. Die Tatsache, daß mein Vater

täglich etwa 5 Cigarrillos konsumiert hat und dabei 80 Jahre alt geworden ist, ist für mich ein Beweis dafür, daß das Rauchen in diesem Umfang

nicht schädlich ist und ist von mir als Gegenbeweis meiner sorgenden Gattin vorgehalten, sofern sie glaubte, daß ich durch meine Raucherleidenschaft

mich zu Grunde richten würde. – Mein Vater muß ein vorzüglicher Pädagoge und ein beliebter Lehrer gewesen sein, jedenfalls ist sein Andenken in

dem Kreise seiner ehemaligen Schülerinnen lebendig geblieben, und noch in letzter Zeit hat seine Wertschätzung für mich und meine in Einbeck

weilenden Angehörigen den Vorteil gehabt, daß wir von vielen Geschäftsfrauen, sofern mein Vater vor etwa 40 Jahren ihr Lehrer gewesen war,

bevorzugt bedient wurden.

 

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Aber auch ich scheine in meiner Heimat ganz gut beleumundet zu sein und habe dadurch verschiedentlich kleine Vorteile gehabt in diesen letzten

Jahren, in denen man auf die freundschaftliche Gesinnung der Kaufleute mehr angewiesen war, als in normalen Zeiten. Es liegt ja auch nahe, daß

eine Bäckersfrau, die von sich behauptet, daß sie mich als den Sohn ihres verehrten Lehrers im Kinderwagen ausgefahren hat, einmal auch ohne

Marken etwas für mich hat, vorausgesetzt, daß ich mich damals anständig benommen habe.-

Als ich etwa 3 Jahre alt war, hat mein Vater sich wieder verheiratet, bis dahin mußte eine Haushälterin uns 3 Kinder versorgen. Für mich persönlich

war aber außerdem noch ein Kindermädchen engagiert, sie hieß Auguste Nolte und soll von mir, der ich erst relativ spät mir

 

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eine gute Sprache angewöhnt habe, mit „AugoNo“ angeredet worden sein. Diese meine erste Erzieherin AugoNo lebt noch in Einbeck, ich habe sie

noch vor kurzem besucht, um ihr für ihre Dienste zu danken. Sie wußte natürlich von mir mehr zu erzählen, als ich von ihr, doch ihr Bericht über

meine damals gezeigte „sittliche Reife“ war nicht ungünstig.

Meine zweite Mutter, ich sage bewusst nicht Stiefmutter, stammt aus Einbeck und war die Tochter des Färbereibesitzers Wittram. Die Wittrams sind eine

alteingesessene Einbecker Familie, die seit mehreren Generationen das Färberhandwerk und daneben etwas Landwirtschaft betreibt.

Der Vater W. war bereits verstorben, als mein Vater seine Tochter Hedwig kennen lernte, aber die Mutter (Stiefmutter) stand noch dem großen

Haushalt von 8 Kindern vor. Sie selbst und auch meine „Onkel und Tanten“ haben – wenngleich sie ja mit mir keineswegs blutverwandt waren- in

meiner Jugend eine mehr oder weniger große Rolle gespielt.

 

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Ich habe in ihr als Kind meine Großmutter gesehen, und sie hat andererseits mich als solche behandelt. Als ich älter wurde, wurden unsere

Beziehungen natürlich gelockert. Von meinen Beziehungen zu den anderen Wittram´s werde ich später noch erzählen. Doch schon an dieser Stelle will

ich von meiner zweiten Mutter sprechen, so wie sie in meiner Erinnerung lebt. Es war gewiss für sie nicht leicht, die Mutterstelle bei uns drei

Geschwistern zu übernehmen.

Ihr Pflichtenkreis wurde noch vergrößert, als meine Schwester Grete und mein Bruder Walther geboren wurden. Grete ist etwa 6 Jahre, Walter 11

Jahre jünger als ich. Vorweg kann ich zu ihrem großen Lobe sagen, daß ich als Kind keinen großen Unterschied gemerkt habe in der Art, wie sie für

uns Kinder sorgte. Wenn ich später empfunden habe, daß zwischen uns doch etwas fehlte, kann das ja kein Vorwurf für sie sein. Immerhin habe ich

bis zu ihrem Tode

 

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in großer Verehrung zu ihr gehangen. Das charakteristische in ihrer Wesensart war ihre große Gottgläubigkeit, die für sie bei allem Leid, das ihr nicht

erspart blieb, eine starke Stütze war. Der schwerste Schicksalsschlag war für sie der Tod von ihrer Tochter – meiner über alles geliebten Schwester

Grete, - die im Alter von etwa 45 Jahren infolge Embolie nach einer Unterleibsoperation von uns ging. Bei ihr in Insterburg verbrachte sie ihren

Lebensabend, Grete sollte nach dem Tode meines Vaters unsere Mutter pflegen und betreuen, - aber als unsere Grete die Augen schloss, fand Mutter

Trost in ihrem Glauben und dem Wort: „Was Gott tut, das ist wohlgetan.“

Mein Schwager Wilhelm , der ja auch mit seinen minderjährigen Söhnen durch den Verlust seiner Frau aufs Schwerste betroffen war, hat dann

unserer Mutter in seinem Haushalt in vorbildlicher Weise eine Heimat geboten, bis sie im Alter von 83 aus dieser Welt abberufen worden ist. Auf dem

 

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Friedhof in Insterburg ist sie neben ihrer und unserer Grete zur Ruhe gebettet. Es ist für mich ein schmerzlicher Gedanke, daß niemand von uns ihr

Grab, sofern es überhaupt noch nicht zerstört ist, besuchen kann. Mit ihrem Tode fand ein Leben seinen Abschluss, das reich an Pflichten und Arbeit

gewesen ist. Ich sehe sie immer nur vor mir, wo sie in dem großen Haushalt schaffte und für uns alle sorgte. Ohne Ansprüche an das Leben zu stellen,

war sie mehr als bescheiden, stets zufrieden und hilfsbereit. Allerdings hatte sie einen Fehler, - wenn man es als Fehler bezeichnen darf -, sie hatte zu

wenig Geltungsbedürfnis und ein zu geringes Selbstbewusstsein. Mir ist mit zunehmendem Alter immer klarer geworden, daß mein Vater es als Mangel

empfand und in seiner Stellung vielleicht auch empfinden mußte, daß sie nicht repräsentieren konnte. Als Frau des Töchterschuldirektors hätte sie in

 

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der Einbecker Gesellschaft eine größere Rolle spielen müssen als es ihrer Wesensart entsprach. Sie hatte einen übergroßen Respekt vor den sogenann-

ten vornehmen Leuten und neigte andererseits dazu, sich mit den weniger Gebildeten mehr als nötig anzubinden. Unser Hauspersonal hat sich gewiss

infolge dieser ihrer Wesensart immer sehr wohlgefühlt, aber mein Vater hätte es gewiss lieber gesehen, wenn sie mehr als „Dame“ hervorgetreten wäre.

Wenngleich meine Mutter über eine gute Allgemeinbildung verfügte, - insbesondere waren ihre Geschichtskenntnisse erstaunlich gut -, war unser Vater

ihr geistig überlegen. Daraus folgte dann auch, daß er sie in seinen Entschlüssen insbesondere seinen beruflichen Sorgen nur selten zu Rate zog.

Sie war ihm eine gute Hausfrau und Mutter seiner Kinder, aber doch nicht eine Gefährtin im idealen Sinne. Man konnte ihr daraus keinen Vorwurf

machen, und ich scheue mich nicht zu bekennen,

 

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daß unser Vater ihre Werte nicht immer hoch genug eingeschätzt hat.

In ihrer großen Bescheidenheit und Zurückhaltung überließ sie auch die Erziehung von uns Kindern dem Vater. Aus diesem Grunde hat sie auch

mich seelisch nur wenig betreut, ich vermute, daß dafür neben unserem Vater meine beiden älteren Schwestern in Betracht kamen und nachdem meine

Schwester Marie das Elternhaus verlassen hatte, um in Bremen das Lehrerinnenseminar zu besuchen, in erster Linie meine Schwester Annie, die etwa 8

Jahre älter war als ich.

Sie hat auch bei der Frage, welchen Beruf ich ergreifen sollte, ein entscheidendes Wort mitgesprochen, und wenn ich studieren konnte, habe ich das

sicherlich ihrem Zureden mit zu verdanken. Sie hat sich aber nicht damit begnügt, mir zu meinem Studium zu raten, sondern auch ihren Mann

 – meinem Schwager

 

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Wilhelm Köhler – veranlasst, mir geldlich zu helfen. Ohne diese Unterstützung wäre ich wahrscheinlich nie Studienrat geworden, weil mein Vater nicht

in der Lage gewesen wäre, die Kosten für meine Ausbildung zu tragen. Schon an dieser Stelle möchte ich in aufrichtiger Dankbarkeit ihr und ihrem

Wilhelm, der leider schon vor vielen Jahren – kaum 60 Jahre alt – verstorben ist, ein ehrenvolles Denkmal setzen.

Wenn ich später vom Besuch des Realgymnasiums in Erfurt erzählen werde, wird man erkennen, welche weiteren Opfer das Ehepaar Köhler für mich

gebracht haben.

Meine Schwester Annie lebt jetzt bei ihrer mit dem Pastor Knoke verheiraten Tochter Annemarie in einem Dorfe in der Nähe von Bremervörde. Dort ist

sie in dem Haushalt rege mit tätig, erfreut sich einer guten Gesundheit und ist stets in zufriedener Stimmung, wenngleich das Leben ihr hart zugesetzt

hat, da sie nicht nur, wie ich schon sagte, ihren Gatten mit dem

 

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sie in glücklicher Ehe lebte, zu früh verloren hat, sondern auch nach dem ersten Weltkrieg ihr Vermögen zum größten Teil einbüssen mußte und ihren

gepflegten Haushalt in einer Villa in D. aufgeben und mit einem unruhigen und arbeitsreichen Unterschlupf bei ihrem Schwiegersohn vertauschen

mußte.   

Ich bin glücklich, daß meine Schwester Annie noch unter den Lebenden weilt, wir sehen uns zwar selten, aber meine Gedanken sind oft bei ihr.

 In gleicher Weise muß ich dem Schicksal dankbar sein, daß auch meine Schwester Maria ihr noch zur Seite steht.

Nach einem sehr wechselreichen Leben - sie war erst Erzieherin in mehreren Familien, dann Lehrerin an der Töchterschule in Einbeck und hat

sich dann mit unserem Vetter, dem Pastor Georg Winkelmann, verheiratet, - wohnt sie jetzt wieder in Einbeck. Ihr Mann ist ihr auch zu früh

genommen,

 

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und sie ist nach seinem Tode innerlich vereinsamt. Als sie noch Pastorenfrau in Grasdorf (in der Nähe von Hildesheim) und später in Neuenkirchen

(in der Nähe von Soltau) war, habe ich mit meiner Gattin und unseren Kindern oft sie und ihren Mann, mit dem ich mich eng verbunden fühlte,

besuchen dürfen. Wir verlebten mehrere Jahre regelmäßig das Osterfest bei ihr und müssen für diese ihre Gastfreundschaft sehr dankbar sein.

Es war wirklich keine leichte Aufgabe, uns 5-6 Personen in ihrem schon ohnedies pflichtenreichen Haushalt aufzunehmen, - Auch später, als sie

verwitwet wieder in Einbeck wohnte, habe ich sie oft besuchen dürfen. Welche bedeutende Rolle sie dann in den letzten Kriegsjahren für meine

Hermine und mich gespielt hat, wird man erfahren, wenn ich von unsern Fahrten nach E. - um uns vor den Bombenangriffen hier zu

 

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retten – erzähle.

Ich habe bereits erwähnt, daß unsere Schwester Grete uns vor etwa 10 Jahren genommen wurde. Sie war der Sonnenschein in unserer Familie, eine

ausgesprochene Frohnatur mit einem warmen Herzen, anspruchslos an sich, hilfsbereit anderen gegenüber, und infolge dieser Eigenschaften

allgemein geachtet und beliebt. Noch heute lebt sie bei vielen Einbeckern in der Erinnerung fort.

Sie besaß ein starkes soziales Empfinden, stand mit Rat und Tat denen, die in materieller und seelischer Not waren bei, war dann später ihrem Gatten

eine getreue Gefährtin und ihren beiden Söhnen eine liebevolle Mutter. Was sie in meinem Leben bedeutete, kann ich nicht in Worte einkleiden, eine

schwache Vorstellung wird man ahnen, wenn ich in diesem Buche meine Jugendzeit wieder zum Leben erwecke.

Durch ihren Tod fiel auf

 

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mein Dasein ein schwerer Schatten – im Gegensatz zu ihr, die auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen schien, hat mein Bruder Walther einen

steinigen Weg zurücklegen müssen. In seiner Jugend lasteten, - wenngleich er fleißig und begabt war, die Schulsorgen stark auf ihn, als Student

vermochte auch er nur selten, die Schönheiten des Lebens stärker zu sehen als die Schattenseiten, im 1. Weltkrieg büsste er ein Auge ein, danach war er

eine Zeitlang als Studienassessor ohne Beschäftigung und konnte sich und seine Frau durch eine Tätigkeit in der Landesversicherungsanstalt in H.

nur kümmerlich ernähren. Eine schwere Herzerkrankung ließ eine Zeitlang das Schlimmste befürchten, die in erster Linie wohl durch die aufopfernde

Pflege seiner Frau geheilt wurde. Danach wurde seine Lage rosiger, er wurde Studienrat in Schlesien, zuletzt in G. nahe der polnischen Grenze.

 

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Als meine Frau und ich ihn, seine Gattin und ihre Tochter Almuth dort im Juli 1943 besuchten, freute ich mich, seine Familie dort gut geborgen

vorzufinden. Aber das Kriegsgeschehen hat ihm diesen Glückszustand geraubt. Er mußte mit seiner Familie im Jan. 1945 unter Verlust seiner ganzen

Habe fliehen und fand Zuflucht bei seiner Schwiegermutter in Eisenach. Dort weilt er auch jetzt noch ohne berufliche Tätigkeit, fast ohne jede

Einnahmen. Seine Gattin verdient etwas in einer Porzellanmalerei und wir Geschwister steuern etwas zu seinem Haushaltsbudget bei.

Stärkere Hilfe von uns hat er in seiner großen Bescheidenheit abgelehnt; ich nehme an, daß seine Tochter, nachdem sie sich vor kurzem in Einbeck

verheiratet hat, ihm und ihrer Mutter geldlich helfen kann und wird. Ich stehe mit ihm gegenseitig in regem Briefwechsel und bin glücklich, seinen

 

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Worten entnehmen zu können, daß er trotz allem relativ zufrieden ist. Er ist ein gläubiger Christ, das hilft ihm in vielen Nöten.

In meiner Jugend spielte er wegen des großen Altersunterschiedes von 11 Jahren nicht die große Rolle wie unsere Schwester Grete, später bin ich für

ihn der große Bruder gewesen, an den er sich oft mit seinen Sorgen gewandt hat. Es macht mich das Bewusstsein glücklich, daß ich mehrfach ihm den

Weg ebnen konnte.

Zur Zeit denke ich oft mit einer Sorge an ihn und möchte hoffen, daß in Kürze auch in seinem Dasein wieder einmal die Sonne

scheint. Im Besonderen sehne ich ein Wiedersehen mit ihm herbei, das gegenwärtig infolge der Zonenabgrenzung noch nicht möglich ist. Ich habe

doch ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit mit ihm und nehme an seinem Geschick warmen Anteil.

Nachdem ich meiner Eltern und meiner Geschwister gedacht habe, komme ich nunmehr zu mir selbst.

 

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Meine Kindheit und Jugend – 1896

 

Es liegt ja oft nahe, daß ich an meine ersten Lebensjahre mich nicht erinnern kann. Aber je älter ich werde, je häufiger und deutlicher treten einzelne Bilder aus dem Dunkel hervor, die sich auf mein Geburtshaus, also auf das Alter bis zu meinen 5 Jahren beziehen. Diese merkwürdige Tatsache gilt ja wohl allgemein. Ich sehe traumhaft die Treppen mit einem breiten Geländer und verschwiegenen Ecken, in denen man sich gut verstecken konnte. Ich sehe mich oft am Fenster sitzen und in den engen Hof schauen, um die Hühner zu beobachten. Das scheint von mir eine Lieblingsbeschäftigung gewesen zu sein, und vielleicht stammt aus jener Zeit die Freundschaft, die ich noch heute für diese nützlichen Vögel hege. Die Hühnerstiege, der Düngerhaufen davor, die Farbe des Gefieders – ja ich möchte behaupten der Gesichtsausdruck der einzelnen Tiere haftet in meiner Erinnerung. Ferner höre ich noch das Rauschen, der hohen Pappeln, die in der Nähe

 

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meines Geburtshauses standen und vor denen ich immer Gruseln empfunden habe. Auch mein Riechorgan vermittelt mir bisweilen die Verbindung mit „meiner“ ersten Wohnung, wenn es von Gerüchen getroffen wird, die für sie vermutlich charakteristisch waren. Oft sitze ich wieder vor den großen Steinstufen, umgeben von meinen Spielkameraden, die aber kein persönliches  Gepräge mehr tragen. Ich weiß auch nicht, wer zu ihnen gehörte und habe in späteren Jahren auf dem Neuenmarkt auch niemand entdeckt, an den ich mich erinnern könnte. Ganz deutlich sehe ich mich dann auf einem Rollwagen sitzen, der unsere Möbel nach unserer neuen Wohnung am Steinweg beförderte. Mein Vater hatte dort ein Haus erworben für etwa 10.000,-- M,  - die Hälfte des Kaufpreises konnte er bar bezahlen mit der Mitgift meiner zweiten Mutter, den Rest hat er dann abgetragen, sodaß bei seinem Tode unser Haus frei von Schulden war.

 

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Diese Übersiedlung in eine andere Gegend kam mir wahrscheinlich wie eine Weltreise vor, wenngleich die neue Wohnung von der alten kaum 5 Minuten entfernt war. Aber die Gegend, durch die unser Möbelwagen fuhr, war mir völlig fremd – meine ersten Streifzüge waren noch nicht so weit vorgedrungen. Noch fremder fühlte ich mich natürlich in der neuen Behausung, obgleich sie auch für meinen Lebenswandel einen großen Aufstieg bedeutete. Das Haus lag in einer Strasse, die damals als vornehm galt – schon die Tatsache, daß in ihr zwei Offiziersfamilien wohnten, ist dafür ein Beweis. Heute hat sie ihre Rolle ausgespielt. Mit dem Hause war ein großer Garten verbunden, der bis zu einer Parallelstrasse vom Steinweg führte und auch zu ihr einen Ausgang besaß. Dieser Garten war von dem Vorbesitzer des Hauses sehr gepflegt, enthielt seltene Gewächse und Blumen und war reich an Obstbäumen. Allerdings habe ich als Kind für diese Vorzüge

 

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wohl kaum Verständnis gehabt, war im Gegenteil sehr betrübt, wenn mein Vater das Herumtollen in ihm und meinen Freunden verbot. Allerdings glaube ich, daß ich doch oft – wenn der Vater außer Sicht war – dies Gebot übertreten habe. Das Haus selbst war sehr geräumig und enthielt etwa 1 Dutzend Räume. Natürlich wurden diese nicht von uns allein bewohnt. In den ersten Jahren war die obere Etage vermietet, später bezogen wir diese und gaben die unteren Räume ab. Meine Erinnerung bezieht sich in erster Linie auf das Erdgeschoss, denn nach dem „Aufstieg“ war ich ja auch nicht mehr ständig in meinem Elternhaus, sondern gab dort nur noch Gastrollen.- Da ich inzwischen 6 Jahre alt geworden war, nahm ich den Kontakt mit den Nachbarskindern auf – einige von diesen ersten Freunden habe ich noch bis in die letzte Zeit in Einbeck wieder gesehen, allerdings ohne

 

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die alten Beziehungen wieder aufleben zu lassen, dem Spielen auf der Strasse war sicherlich der größte Teil meiner freien Zeit – und die werde ich wohl trotz der Schulverpflichtungen gehabt haben – gewidmet. Ich habe mich wohl nur selten aus der näheren Umgebung herausgewagt, hatte vermutlich eine gewisse Angst oder Scheu, neue Bekanntschaften anzuknüpfen. Es gab aber noch eine Filiale meines Wirkungskreises, das war das Haus meiner

Großmutter Wittram und der daran grenzende landwirtschaftliche Betrieb. Dieses Haus – wohl eines der größten Gebäude in Einbeck in der damaligen Zeit – mit seinen vielen Räumen, großen Böden, der Färberei und dem winkligen Hof bot für mich viel Geheimnisvolles. Dort waren die tiefen Färberbottiche, es gab einen Dampfkessel - später sogar eine Dampfmaschine, - für mich ein Grund, mich zum erstem Mal schon frühzeitig mit der „Wärmechemie“ zu befassen. Die Hauptattraktion aber war die Mangel, in

 

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der die gefärbten Stoffe geglättet wurden. Ein dunkler Raum, in dem ein schwerer mit Steinen gefüllter Kasten durch eine Zahnradübertragung von einer vertikalen Achse hin und her bewegt wurde. Als Antriebskraft diente ein altes Pferd,  das die schwere Aufgabe zu leisten hatte, nach einigen Umdrehungen selbstständig zu werden. Um ihn dabei zu unterstützen, wurde ich von dem alten Färber                in den Sattel gesetzt, voller Stolz über meine Dienstleistung. Daß mich dieser Ritt lockte, ist ja wohl zu verstehen. Einen weiteren Höhepunkt dort bildeten die Stunden, die ich bei dem Onkel Ernst – dem Inhaber der Färberei und Leinendruckerei in seiner „Druckstube“ verbringen durfte. Ich saß dort auf dem Drucktisch und ließ mir von ihm, während seiner Arbeit -, das Zeug zu bedrucken -, nachging, die schönsten Märchen erzählen. Er war darin ein Meister, konnte ferner wundervoll zeichnen und malen,

 

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wobei ich ihm zusehen durfte. Dieser Onkel war überhaupt ein ausgesprochen musischer Mensch, daneben in seinem Beruf tüchtig, aber vielleicht etwas weltfremd. Er hat sich nicht verheiratet und ist vor wenigen Jahren über 80 Jahre alt gestorben. Bis zuletzt habe ich ihn sehr geschätzt und versucht, ihm meine Dankbarkeit für das, was er mir in meiner Kindheit gegeben hat, zu zeigen. Außer ihm war noch ein anderer Onkel – Reinhold – für mich eine wichtige Persönlichkeit.  Er war sicher von robuster Wesensart, hat sich aber auch meiner liebevoll angenommen. Ihm gehört die Landwirtschaft, die natürlich mir auch viel Reizvolles bot. Der große Viehbestand -  auch hier nicht zuletzt das Hühnervolk – die Verrichtungen auf dem Hofe, die Gelegenheit dort mit „helfen“ zu können, alles das war für mich eine Fundgrube Studien zu machen und mein Wissen zu bereichern. Wenn dieser Onkel mit einem Kutschwagen  durch die Felder fuhr, um den Stand der Saaten zu besichtigen und die Arbeiter zu kontrollieren, durfte ich mitfahren

 

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und wurde von ihm auf das aufmerksam gemacht, was für einen Landwirt wissenswert ist. Ihm und diesen Fahrten habe ich es zu verdanken, wenn ich später als Großstädter über diese Dinge gut informiert war. Auf dem Wittramschen Hofe fand ich auch einen neuen Kreis von Gespielen in den Kindern der Knechte; mit einem dieser Freunde hatte ich einmal einen Konflikt, aus dem sich ein Ringkampf zwischen ihm und mir entwickelte mit dem Ergebnis, daß ich von ihm in die Schaufensterscheibe eines Fischgeschäftes geworfen wurde. Glücklicherweise war sie nur klein, immerhin verlangte der Besitzer von mir, der ich zwar unschuldig aber doch wohl der zahlungskräftigere der beiden Parteien war, einen Schadenersatz von 3 M. Damit mein Vater nicht damit belastet wurde, übernahm mein Onkel diese Schuld, verpflichtete mich jedoch, sie abzuverdienen dadurch, daß ich an dem Verziehen der Zuckerrüben, wozu ein Dutzend Kinder engagiert war, mich beteiligte.

 

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Ich erhielt für die Arbeit eines Nachmittags 20 Pfg – das war mein erster Verdienst. Nach einer anderen Dienstleistung in der Landwirtschaft muss ich gedenken, die allerdings mit einem Misserfolg endete. Als das Schwein geschlachtet werden sollte, bekam ich den Auftrag die Laterne zu halten, denn es war ja morgens um 7 Uhr, noch völlig dunkel. Gern unterzog ich mich dieser Pflicht: als aber das Tier in seiner Todesangst anfing zu schreien, bekam ich Furcht und lief mit der Lichtquelle davon. Dadurch mußte der  Schlachtprozess unterbrochen werden, was für alle Beteiligten  vermutlich als große Störung empfunden wurde, abgesehen vielleicht von dem Tier, das auf diese Weise noch einige Minuten länger leben durfte. Es hat sich dafür auch als dankbar erwiesen – ich  durfte trotz meines Versagens eine kleine Wurst mit nach Hause nehmen. Damit diese nicht dem allgemeinen Verzehr unserer großen Familie zum Opfer fiele, versteckte ich sie. Später konnte ich sie aber selber

 

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nicht wiederfinden, bis sie nach langer Zeit durch ihren Gestank ihren Aufenthaltsort verriet. Natürlich war sie nun für mich nicht verloren, und meine Mutter tröstete mich mit den Worten „was man spart für seinen Mund fressen nachher Katz und Hund“. Damit war für mich dieses Schlachtfest nach jeder Richtung erfolglos verlaufen.- Doch nun wieder zurück von dem Wirken in dem Hause Wittsam zum Steinerweg. Dort gab es natürlich neben der freien Betätigung auch allerlei Pflichten. Ich mußte täglich die Zeitung – (den Hannoverschen                ), der gemeinsam von 4 Parteien gelesen wurde, um die Kosten zu verringern, wobei wir ihn zuerst und der letzte Teilhaber erst nach mehreren Tagen zu lesen bekamen, was aber damals bei dem ruhigeren Weltgeschehen sicher kein großer Nachteil war – weiter befördern, wobei mein Spiel immer störend unterbrochen wurde. Ich mußte ferner das

 

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Wasser zum Trinken von einem fernen Brunnen, der ein besonders frisches Nass spendete, holen; dann waren die Wege zu einem Schlachter, der durch seine Wurst berühmt war – er hieß Wursteicke und wohnte an dem anderen Ende der Stadt -  für mich gewaltige Touren, zu denen ich mich wie zu einer Polarexpedition rüsten mußte. Auch im Garten gab es für mich allerlei Arbeit, besonders dann, wenn ein Gärtner im Frühling und Herbst engagiert war und ich ihm dabei „helfen“ mußte. Dieser Gärtner hieß Goldberg, war eine originelle Type, mit dem ich mich gern unterhielt. Ich will hier ein Gespräch mit ihm festhalten, das vielleicht verdient, der Nachwelt überführt zu werden. Es läuteten die Kirchenglocken, was den Meister Goldberg zu der Bemerkung veranlasste: (er sprach ostpreußischen Dialekt, den ich nicht wiedergeben kann) „der Maurer Nussbaum wird begraben, und da sagen die Leute, der hat sich zu Tode gesoffen. Wenn aber morgen der Major Lenzel (eine hoch angesehene Persönlichkeit) wird begraben werden, dann heißt es

 

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„ach, ist der gute alte Mann auch schon hinüber.“ Nun muss ich erwähnen, daß der oben genannte Maurer ein notorischer Trinker war, der seine Frau so schlecht behandelt hat, daß sie den Pfarrer von seinem Ableben mit den Worten in Kenntnis gesetzt haben soll „Herr Pastor, ick mött lachen, wenn ick et sagge, mein Mann is dote“. (ich muss lachen, wenn ich es sage, mein Mann ist tot“). Nun dieser Hochruf lässt ja tief blicken, trotzdem gefiel meinem Freund Goldberg diese verschiedenen Stellungnahmen des Publikums zu diesen beiden Todesfällen nicht, und er glaubte, für einen Augenblick sorgen zu müssen. Da er auch auf dem Friedhof als Totengräber tätig war, sah er dabei bei Ausübung seines Berufs eine Gelegenheit. Jedenfalls beendete er unser Gespräch mit der Drohung „aber ick werde Rache nehmen; wenn morgen der Major Lenzel wird begraben werden,

 

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dann werde ick ihm die Erde fester uff den Sarg bullern.“ Ich möchte glauben, daß der Entschlafene dadurch in seiner Ruhe nicht wesentlich gestört sein wird.

Im allgemeinen werden wohl meine Tage recht gleichförmig verlaufen sein, es gab aber auch Höhepunkte, zu denen in erster Linie der Jahrmarkt gehörte, der dreimal jährlich in Einbeck stattfand. Schon lange vor dem öffentlichen Beginn lief ich zum Bahnhof, um festzustellen, welche Karusselwagen – so nannten wir die grünen Wagen der Schausteller – anrollten. Dabei war für mich besonders wichtig, ob der Wagen des Catcherbudenbesitzers -  der leicht daran erkennbar war, daß das Gestell der Catcherbude  unter ihm hervorragte – sich unter ihnen befand.  War das nicht der Fall, dann ging der Hauptweg des Jahrmarktes für mich verloren. Sofern er aber erschien, war ich sicher der eifrigste und damit beste Besucher seiner Vorführungen. Allerdings habe ich meinen Dank nicht durch den schnöden Mammon zum Ausdruck bringen können, denn

 

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das Kapital, das mir für die 3 Festtage zur Verfügung stand war gering und betrug nur 20 Pfg. Allerdings bekam ich zu dieser Spende von meinen Eltern noch 5 Pfg hinzu von meiner Großmutter, nachdem ich ihr feierlich zum Jahrmarkt gratuliert hatte – was es dabei zu gratulieren gab, ist mir jedoch nie klar geworden.- Wie ich es fertig gebracht habe, trotz dieser geringen Finanzkraft an allen Vergnügungen teilzunehmen, Karussel zu fahren, die Buden zu besuchen, Kuchen zu kaufen und auch noch Spielsachen zu erwerben, ist mir noch heute ein Rätsel. Jedenfalls habe ich meine „Armut“ nicht empfunden und bin sicherlich wie ein Krösus aufgetreten. Ich erinnere mich, daß ich mir einige Genüsse selbst verdient habe, dadurch, daß ich beim Aufbauen der Buden mitgeholfen habe. Einmal mußte ich den Mann vertreten, der die Orgel des  Karussels  zu drehen hatte und einen Dämmerschoppen

 

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während seines schweren Dienstes einlegen wollte. Seine Sitzung zog sich sehr in die Länge, ich war aber zu gewissenhaft, um meinen Posten zu verlassen und orgelte pflichtgetreu weiter, wenngleich es dunkel geworden und Zeit zum Abendessen war. Der „freundliche“ Empfang zu Hause von meinem Vater, der sich wegen meines Ausbleibens natürlich sehr geängstigt hatte, ist mir noch in lebhafter Erinnerung.  Noch katastrophaler waren für mich die Folgen, als ich eines Abends ausgekratzt war, um eine Kunstarena (einen kleinen Cirkus) auf dem Rummelplatz zu besuchen. Trotz meiner großen Vorliebe für diese Darbietungen  die ich bis in mein spätes Alter gehalten habe, mußte ich  mir eine Wiederholung dieses selbst gewährten Urlaubs versagen, schon, um meinem Vater die Sorge um mich zu ersparen. Weshalb ich nicht mit seiner Genehmigung meinen Bildungstrieb befriedigen durfte, ist mir nicht klar.-

Wenn ich den Jahrmarkt als den Höhepunkt ins Außenleben erwähnte, muss ich nun auch

 

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von dem Weihnachtsfest als den besonderen Glanz im Familienleben erzählen. Es gab eine besondere „Weihnachtsstube“, die außerhalb der Festtage ihren Zauber für mich hatte. Ich sehe noch die Kugeln an unserem Tannenbaum und  rieche noch den Lack, der von meinem Schaukelpferd, das in jedem Jahr in einem neuen Gewande unter dem Christbaum stand, ausströmte. Wenngleich wir im allgemeinen nicht durch Spielsachen verwöhnt wurden, war unser Geschenktisch doch immer reich. Gewiss waren es keine kostbaren Dinge, die mir der Weihnachtsmann brachte, keine elektrischen Eisenbahnen und keine Stabilbaukästen, aber das, was mir zu eigen wurde, erfüllte mich doch mit großem Glück. Besonders war ich erfreut über einen Modellierbogen, der in dem Paket, das unsere Schwester Maria, die in Bremen das Fest verlebte, an uns geschickt hatte. Für mich war das mehrere Jahre der Fall. Damals wurde schon der Grundstein gelegt für meine Neigung,

 

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mich mit „Modellierarbeiten“ zu befassen, die noch heute anhält. Ich entsinne mich auch, daß sich unter meinen Geschenken stets Malkästen und Buntstifte befanden, und daß ich schon als Kind gerne gezeichnet und gemalt habe. Mein erstes dazu benötigtes Werkzeug war ein Farbstift, halbrot, halbblau, der meinem Vater gehörte und den ich nur dann benutzen durfte, wenn ich besonders artig gewesen war. Er lebt in meiner Erinnerung fort. Wenn unser Gabentisch trotz der damaligen schlechten Finanzlage meines Vaters relativ reich ausfiel, haben wir das unserem Onkel Hermann aus Bremen, einem Bruder meiner verstorbenen Mutter, zu verdanken, der jedes Jahr kurz vor Weihnachten meinem Vater 50 M für den Weihnachtsmann übersandte. Außerdem erhielt mein Vater stets eine Kiste Zigarren, von der ich dann später, als ich erwachsen war, auch profitiert habe.-

Das, was ich bisher schrieb, bezieht sich zum größten Teil auf die Zeit bis zu

 

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meinem 10.Lebensjahre. In dem darauf folgenden Abschnitt traten die Schulsorgen unangenehm in die Erscheinung. Ich war mit 6 ½ Jahren in die 2.Klasse der Vorschule aufgenommen, nachdem ich in den Grundlagen der Wissenschaften von meinem Vater vorbereitet war, - war ich demnach später einer der jüngsten Schüler. Das ist vielleicht der Grund dafür gewesen, daß man mich in der Quinta sitzen ließ und zwar – ich schäme mich fast es zu sagen -  weil ich im Rechnen angeblich den Anforderungen nicht genügte. Man kann daraus entnehmen, daß meine mathematische Begabung sich erst später entwickelt hat. Diese Nichtversetzung erfolgte übrigens für mich – auch für meinen Vater, - ziemlich unerwartet. Es war damals noch nicht Sitte, vor Ostern durch Vorwarnungen das Elternhaus auf den Misserfolg schonend vorzubereiten. Ich habe aber diesen Reinfall nicht weiter tragisch genommen, mein Vater wohl

 

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auch nicht, zumal 10 meiner Klassenkameraden dieses Schicksal mit mir teilen  mußten, unter denen ich den 3.Platz nach meinen Leistungen einnahm – immerhin ein Achtungserfolg. Jedoch scheint dadurch mein Arbeitseifer gelitten zu haben, denn nach einem Vierteljahr rutschte ich 2 Plätze herunter, worüber mein Vater weniger erbaut war. Vielleicht erscheint mein Versagen in einem milderen Lichte, wenn ich erzähle, daß ich in diesem Schulquartal ein böses Missgeschick hatte, durch das ein Schatten auf mein junges Leben fiel. Durch einen älteren Schüler, der bei uns in Pension war, wurden mir 2 Fingerglieder beim Holzhacken, das von  ihm ausgeübt wurde und wobei er mich hinzugezogen hatte – mit dem Beil abgehauen. Wie dieses Unglück sich im einzelnen abgespielt hat, ist mir nie klar geworden. Über diese „Verstümmelung“ war besonders mein Vater sehr betrübt – er sah vielleicht die Folgen zu schwer -  ich selbst war besonders traurig darüber, daß

 

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ich nun meine Klavierstudien, die von meiner Schwester Annie geleitet wurden, nicht fortsetzen konnte und lernte Geigespielen bei unserem Nachbar Müller. Später stellte sich dann aber heraus, daß ich trotz dieses Defektes meine Künste auf dem Klavier wieder aufnehmen konnte; ich bin zwar kein vollkommener Pianist geworden -  meine „Läufe“ glichen nicht Perlenschnüren -, aber habe doch im Familienkreis mich einigermaßen bewährt. Ein Gutes hat dieser „Defekt“ jedenfalls gehabt – ich brauchte nicht Soldat zu werden und habe dadurch den 1.Weltkrieg gut überstanden. Man sieht aus dieser Begebenheit, daß ein Unglücksfall sich auch günstig auswirken kann.-  Um bei meinen Schulortabschnitten zu bleiben, will ich jetzt meine Einbecker Lehrer in der Erinnerung Revue passieren lassen. Mein Urteil über sie wird damals nicht so ungünstig gewesen sein wie heute von

 

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meinem Standpunkt als Sachverständiger ausgesehen. Die Mehrzahl von ihnen waren keine Pädagogen, zwei unter ihnen will ich ausführlicher unter die Lupe nehmen, der eine, unser Latein- und Geschichtslehrer, er hieß Schlöma, der andere der Mathematiker Krönke. Beim ersten habe ich nichts gelernt, dem zweiten verdanke ich die Grundlagen meiner mathem. Kenntnisse. Der alte Schlöma konnte schlecht hören, noch schlechter sehen – die Stunden bei ihm bestanden nur aus einem dauernden Lärm, und die Mitschüler, ich selbst eingeschlossen, suchten sich darin zu übertrumpfen, Unfug zu treiben und ihn zu ärgern. Er hatte eine fein abgewogene Art, uns zu beurteilen, begnügte sich nicht mit 4 Zensuren, sondern machte Unterschiede zwischen 3-4-4 oder 3-3-4 (3 unterstrichen) das war noch eine Idee besser, als 3-4-4 (4 Unterstrichen). Eine wahrhaft geniale Idee. Dabei wurden diese Zensuren nur einmal im Vierteljahr erteilt bei der Wiederholung z.B. in Geschichte. Um uns die Arbeit zu erleichtern,

 

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hatten wir Schüler das Pensum unter uns ein für alle Mal verteilt. Ich war zuständig für die Regierungszeiten der Kaiser (919-1036), ich kann sie noch heute auswendig. Bei seiner diesbezüglichen Frage durfte nur ich mich melden, mein Freund Georg Krone nur bei den fränkischen Kaisern – so erwarb ich mir dann mein „genügend“ in Geschichte, das heißt eventuell auf 3-3-2, 3 unterstrichen. Daß ich mir diesen Erzieher in meinem späteren Beruf nicht zum Vorbild nehmen konnte, wird man verstehen. Das gilt aber auch für den Mathematiker Krönke, weil er, obgleich ich viel bei ihm gelernt habe, in seiner unglaublichen Strenge, um nicht zu sagen Brutalität der Schrecken der gesamten Schülerschaft und auch der Eltern war. Nach seiner Verheiratung, als er selbst Söhne hatte, soll er wesentlich milder geworden sein. Um mein Urteil zu belegen, schildere ich einige

 

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Begebnisse. Als ich ihn auf der Strasse nicht gegrüßt hatte, weil ich mit meinem Freund im Gehen Briefmarken getauscht und ich ihn nicht gesehen hatte, mußte ich zur Strafe aus einer mathem. Aufgabensammlung 3 Seiten Aufgaben rechnen, eine Arbeit, die sicher eine Woche mich in Anspruch genommen hat. Hatte ich etwas vergessen, ein Lineal z.B. oder den Buntstift, dann mußte ich früh um 6 Uhr vor seiner Wohnung erscheinen, durch meine Klinggebung ihn an sein Fenster in die II. Etage rufen und das vergessene Objekt vorzeigen. Natürlich litt unser ganzer Haushalt unter dieser meiner Verpflichtung und meine Mutter mußte meinetwegen eine Stunde früher ihre wohlverdiente Nachtruhe abbrechen. Ich schreibe dies, damit man sieht, wie man es als Lehrer nicht machen soll. Kein Schüler und kein Elternhaus wagte damals, sich über diese Methode zu beschweren. Doch ein Mitschüler, der aus Hannover stammte und in Einbeck in Pension war, hatte mehr Mut als wir

 

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Kleinstädter. Als der gefürchtete Krönke auf sein Versagen in der Mathematik an diesen Kameraden die Frage richtete: „Giesecke, ein Schaf wie Sie und noch ein Schaf wie Sie, was ergibt das?“ Antwortete Giesecke: “Zwei Schafe wie Sie.“ Da diese Antwort mathematisch richtig war, mußte Kr. diese Entgegnung einstecken. Einmal wollte ich, wenngleich ich auf Grund meiner Leistungen im allgemeinen mit Kr. auf einem guten Fuss stand, mich auch hervortun, ihn ärgern und gab meine Antworten übermäßig laut – denn Kr. forderte stets laute Antworten, und ich wollte die Sache dadurch übertreiben. Natürlich merkte er meine Absicht und sagte: Wolfhagen lauter, ich höre garnichts. Ich mußte also noch steigern, aber auch ohne ihn damit befriedigen zu können. Schließlich mußte ich unten auf dem Schulhof und von dort aus den mathem. Beweis so laut herausbrüllen, daß er es am Fenster in der

 

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II. Etage verstehen konnte. Ich war eine Woche stark heiser und habe nie wieder versucht, ihn zu ärgern.- Wir haben uns später wieder vertragen, und ich habe ihn bis zu seinem Tod vor wenigen Jahren sofern ich in Einbeck war, regelmäßig besucht, und meine Dankbarkeit für das, was er mir für mein Fach gegeben hat, ist größer als der Groll über die mir zugefügten Härten.- Ich habe diese Erlebnisse geschildert, wenngleich aus ihnen hervorgeht, daß ich auch kein Musterschüler war, habe übrigens auch meinen Schülern gegenüber davon gesprochen.

Jedenfalls habe ich auch meine Schulsorgen gehabt, die aber ausgeglichen wurden durch die schöne Ferienzeit – schön vorallem deshalb, weil in ihr mein Vater mich häufig mit auf Reisen nahm. Das Reiseziel war immer die Heimat meines Vaters, die Lüneburger Heide. Zuerst ging es nach Scharnhorst, wo eine Schwester meines Vaters mit dem Schmiedemeister Breese verheiratet war, von dort nach Marwede, wo

 

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ein Bruder meines Vaters noch als Mühlenbesitzer in dem Stammhause wohnte. Anschließend nach Belsen (jetzt berüchtigt durch das dortige Konzentrationslager) zu der Tante Minna, die  mit einem Lehrer Winkelmann verheiratet war. (Das sind die Eltern von dem Pastor Winkelmann, meinem Schwager, den ich, als ich von meiner Schwester Maria sprach, schon erwähnt habe). Meistens endete dann unsere Reise in Starkshorn, wo mehrere Cousinen meines Vaters lebten und woher die Mutter meines Vaters stammte. Starkshorn kann ich also auch als mein Stammhaus ansehen und daraus erklärt sich auch wohl meine Sympathie, die ich noch heute für diesen idyllischen Platz hege, und die mich und meine Gattin jährlich ein- bis zweimal nach dort zieht. Natürlich kommt hinzu, daß dort Menschen wohnen, die uns sehr lieb sind. Die Frau des Besitzers des etwa 2000 Morgen

 

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großen Gutes – wovon allerdings 1700 Morgen aus Wald und Heide bestehen, stand mir in ihrer und meiner Jugend besonders nahe. In meiner Studentenzeit war sie meine Flamme – ich habe es ihr aber nicht nachgetragen, daß sie mich später verschmäht hat. Die Tochter Ilse war um 1930 herum 1½ Jahre bei uns in Pension, um hier eine höhere Schule zu besuchen. Ich möchte wünschen, daß auch in späteren Generationen die Verbindung zwischen meiner Familie und den              bestehen bleibt. Leider ist ein Kontakt mit dem Wolfhagen´schen Stammhause in Marwede z.Z. kaum noch vorhanden, die von meinem Vetter, dem Postrat Wolfhagen herausgegebene Familiengeschichte wird hoffentlich dafür sorgen, daß wenigstens im Geiste diese Verbindung bestehen bleibt. Mein Reisebericht würde unvollständig sein, wenn ich nicht auch meines Vetters, des Rektors Winkelmann, und seiner Familie gedenken sollte, die oft von meinem Vater und später auch von mir allein besucht wurde.

 

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Ihm, seiner Frau Sophie und den 3 Töchtern verdanke ich viele frohe Wochen. Mit den Töchtern bestehen immer noch gute Beziehungen, alle 3 sind Lehrerinnen geworden. Diese Ferienreisen waren für meinen Vater der Grund seiner Erholung, auf ihnen vergaß er seine vielen Sorgen, wurde wieder der frohe Mensch, als der er in seiner Jugend gegolten hat; er fand Zeit, sich mir weit mehr zu widmen als sonst und zeigte sich mir als den väterlichen Freund und nicht nur als der Erzieher.

Mit etwa 15 Jahren bestand ich die „Einjährige Prüfung“ – die Schule in Einbeck gab mir damals nicht die Möglichkeit, mein Studium fortzusetzen – ich mußte das Elternhaus verlassen, um das Realgymnasium in Erfurt zu besuchen.

 

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Schüler am Realgymnasium in Erfurt 1896-1899

 

Diese Anstalt war für mich ausersehen, weil ich dann bei meiner Schwester Annie, die im Juli 1896 sich mit dem in Erfurt als Ingenieur an einer Dampffabrik angestellten Wilhelm Köhler verheiraten sollte, wohnen konnte. Das war schon aus  pekuniären Gründen wichtig, denn  ich habe bei ihr nur einen geringen Pensionspreis zu bezahlen brauchen – ich glaube, M 40 im Monat. Zunächst aber mußte ich ein Vierteljahr mit meinem Schwager gemeinsam als Junggeselle hausen. Wir beide waren bei einer sehr biederen älteren Dame untergebracht, bei der außer uns noch eine junge Dame wohnte. Von ihr wurde ich als Klavierlehrer engagiert -  sie sollte ihrem Vater zu seinem Geburtstag den damals sehr beliebten Marsch „mein Herz, das ist ein Bienenhaus, die Mädchen sind darin die Bienen“ vorspielen und ich sollte ihr dabei den letzten Schliff beibringen. Dafür erhielt ich pro Stunde 50 Pfg, mehr wird meine Leistung auch nicht wert gewesen sein.

 

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In diesem ersten Quartal war ich, da mein Schwager bis zum Abend Dienst hatte, sehr vereinsamt. Ich bin meistens allein durch die Großstadt Erfurt gewandert und habe viel Heimweh gehabt. Dieser Zustand wurde natürlich viel besser, nachdem die schwesterliche Ehe geschlossen war. Sicherlich war es für das junge Paar nicht gerade angenehm, mich dauernd als Zeuge seines Glückes um sich sehen zu müssen. Allmählich aber fand ich Schulfreunde, in deren Familien ich verkehrte, so daß man mich zu Hause oft loswurde. In den 3 Jahren wechselten meine Pensionseltern dreimal ihre Wohnung infolge der Besserung ihrer wirtschaftlichen Lage, ich bin also nirgends so recht warm geworden und meine Erinnerung an die verschiedenen Quartiere ist nur schwach. Auch mit meinen Mitschülern verknüpft mich kaum noch eine Verbindung. Bei meinem Eintritt in die Schule wurde ich mit sehr kritischen Augen begrüßt, ich habe mich auch in dem

 

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Kreis der Großstädter nie so recht wohl gefühlt. Meine Stellung wurde noch schwieriger, als ich die anderen durch meine guten Leistungen – nachdem ich mich eingelebt hatte -  übertraf. Ich hatte aber meinen Konkurrenten, der ein vorzüglicher            phologe war, wohingegen ich in der Mathematik führte. Infolge meiner guten Aussprache - verglichen mit dem Thüringer Dialekt – mußte ich oft deklamieren und in kleinen Aufführungen bei Schulfesten mitwirken. Meinen größten „Bühnenerfolg“ hatte ich in dem Kaisersaal (geschichtlich berühmt 1815), wo ein Vortrag über Röntgenstrahlen stattfand, die noch in dem Anfangsstadium der Erforschung sich befanden. Zu diesem Vortrag wurden wir Schüler geschlossen hingeführt. Als nun der Redner fragte, ob in dem Publikum sich jemand mit einer Knochenverletzung befand – die er durch die Röntgenstrahlen festhalten wollte – meldete ich mich, wurde auf die Bühne gebeten, und dort wurde dann meine Hand auf einer photographischen Platte ruhend, etwa 10 Minuten lang belichtet.

 

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Ich glaube, ich bin mir in meiner Rolle sehr wichtig vorgekommen. Noch stolzer war ich, als an dem nächsten Tage meine photograf. Hand an der Hauptstraße in einem Schaufenster ausgestellt war. Dabei bin dann stundenlang in der Nähe herumpatroulliert, glaubend oder hoffend, daß das Publikum die Verbindung zwischen  mir und der Hand erkennen und mich entsprechend ehren würde. Das ist aber nicht der Fall gewesen. Ich erzähle dieses Erlebnis als Beweis dafür, daß man in der Jugend seine Bedeutung bisweilen überschätzt.-

Im allgemeinen aber hatte ich allerdings oft Minderwertigkeitskomplexe, was vielleicht durch meine Erziehung sich erklärte. Ich war unfrei, langsam in meinen Entschlüssen, hatte Angst vor den Mitmenschen und war sicherlich kein Draufgänger. Mit meinen Lehrern verstand ich mich durchweg gut, ich wurde zum Führer der Klasse ernannt und wurde vom Schulgeld befreit. Das Abitur, das ich infolge meiner oben geschilderten Lebensart, mit großem

 

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Bangen entgegengesehen  hatte, habe ich unter Ängsten vor der mündlichen Prüfung ohne Lücken überwunden. Dabei waren die Anforderungen ziemlich hoch, der größte Teil Der Lehrer war tüchtig. Aber in jener Zeit bestand zwischen ihnen und der Schülerschaft noch eine große Kluft; es gab kein kameradschaftliches Verhältnis, auf das ich später als Lehrer großen Wert gelegt habe. Insbesondere war der Direktor unnahbar, ein finsterer Mann, den ich nie habe lachen sehen und vor dem wir alle eine riesige Angst hatten. Kenntnisse hat mir die Schule zwar geboten, aber meine Erziehung fürs Leben hat sie mir kaum gegeben. Um meine Finanzlage zu heben – von meinem Vater erhielt ich monatlich 3 M Taschengeld – gab ich allerlei Privatstunden; in der Unterprima war ich in der Familie eines Fabrikaten jeden Tag zur Beaufsichtigung der Schularbeiten der fünf Kinder engagiert. Dieser Fabrikant wohnte in einem Vorort, und ich hatte einen langen Anmarschweg, so daß ich von 4-6 im Dienst war. Dadurch verdiente ich noch 6 M, das war für mich eine große Summe, die ich in der

 

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Hauptsache dazu benutzte, um das Erfurter Theater zu besuchen. Auf dem 2.Rang für 50 Pfg habe ich in jenen Jahren die meisten bedeutenden Opern und Schauspiele genießen können. Außerdem kaufte ich mir von meinem Verdienst einen Photoapparat – in der damaligen Zeit noch eine Besonderheit  und bei der Anschaffung eines Fahrrades durch meinen Vater zu den Kosten bei. Auch der Besitz eines Fahrrades war damals eine Seltenheit. Auf ihm habe ich dann weite Touren in die schöne Gegend Erfurts unternommen. – Es ist mir heute unverständlich, wie ich bei dieser starken Belastung durch Privatstunden und Theaterbesuch meine Schularbeiten gewissenhaft habe erledigen können. Jedenfalls kann man daraus folgern, daß bei richtiger Zeiteinteilung ein fleißiger und guter Schüler auch außerhalb der Schule sich dem Leben widmen kann.-

Diese Erkenntnis habe ich später

 

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meinen Schülern vorgehalten, sofern sie glaubten, nicht erfüllte Schulaufgaben mit Mangel an Zeit entschuldigen zu können.

Die Schulferien verbrachte ich natürlich in Einbeck in meinem Elternhause, wo inzwischen  meine Schwester Grete so alt geworden war (12 Jahre), daß ich sie für voll ansehen konnte oder besser, daß wir uns in einer gemeinsamen Interessengemeinschaft  befanden. Mit ihr habe ich mich in meiner Urlaubszeit viel beschäftigt und allerlei Taten ausgeführt – außerdem für meinen kleinen Bruder Walther, der etwa 6 Jahre alt war, gern Schulsachen gebastelt und mich dadurch bei ihm beliebt gemacht und mir seine Hochachtung vor dem großen Bruder erworben. Natürlich widmete ich mich auch meinen Eltern und beteiligte mich an den Spaziergängen meines Vaters. Diese führte er regelmäßig am Mittwoch und Sonnabend Nachm. mit seinem gute Freunde, dem Apotheker Schlichting aus. Das Ziel war meistens ein Waldlokal in der Nähe von Einbeck, der Hasenjäger, in dieser idyllischen Wirtschaft fühle ich mich

 

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noch heute sehr verbunden – auch mit dem angestammten Besitzer – wenn ich in E. weile, trinke ich dort fast täglich nachm. meinen Kaffee. Mein Lebenslauf wäre lückenhaft, wenn ich den „Hasenjäger“ nicht hervorgehoben hätte.

Ostern 1899 war meine Laufbahn in Erfurt beendigt, das Leben stand mir, der ich im Besitze eines Reifezeugnisses war, offen. Nach einer sorgenlosen Schulzeit siedelte ich nach Göttingen über, um Mathematik und Physik zu studieren.

Beim Rückblick auf die Erfurter Zeit muß ich meiner Schwester Annie und ihrem Mann herzlichst danken für all das Gute, das ich bei ihnen genossen habe. Wie groß das Opfer war, das sie mir gebracht haben, habe ich als Schüler sicherlich nicht n dem Maße empfunden wie später und insbesondere heute.

 

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Ernst Wolfhagen als Student

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Meine Studienzeit in Göttingen

 

Mein Studium wurde mir nur dadurch ermöglicht, daß mein Schwager Wilhelm Köhler sich bereit erklärt hatte, mir eine erhebliche Summe (etwa M 4000) zu leihen, natürlich für mich mit der Verpflichtung, sie später zurückzuzahlen. Dadurch, daß mein Schwiegervater großzügig bei meiner Verheiratung diese Schuld beglichen hat, ruhte sie nicht als Ballast auf meiner jungen Ehe. Außerdem war mir von der Stadt Einbeck ein Freitisch (die Kosten für ein Mittagessen) in Aussicht gestellt, und wir durften auch hoffen, von anderen Stiftungen Stipendien zu erhalten. Bevor diese bewilligt wurden, mußte ich ein Fleißzeugnis einreichen, das heißt, am Schluß der einzelnen Semester von meinen Professoren bescheinigen lassen, daß ich an ihren Vorlesungen mit Erfolg teilgenommen hatte. Dadurch war ich gezwungen von Anfang an zu arbeiten und konnte nicht die ersten Semester verbummeln. Diese Verpflichtung war entschieden für mich

 

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ein Segen. Ich weiß nicht, ob ich auch ohne sie mich gleich mit Volldampf den Wissenschaften gewidmet haben würde. Zuerst  konnte ich das, was mir dargeboten wurde, verstehen- ich war also von der Schule gut vorbereitet – später hatte ich Schwierigkeiten und bekam wieder Minderwertigkeitskomplexe in einem Maße, daß ich in  meinem 4.Semester daran dachte, umzuschwenken, d.h. das schwierige Gebiet der Mathematik gegen ein leichteres Studium einzutauschen. Dem Zureden meines Freundes Albert Oppermann ist es in erster Linie zu verdanken, daß ich wieder Mut bekam. Die Gebiete, die eine Verbindung mit der Technik und überhaupt der Praxis gestatteten, befriedigten mich mehr als die            Wissenschaft, so daß ich auch erwog, zur Technischen Hochschule überzugehen. Ich bin ja aber doch nicht fahnenflüchtig geworden. In meinem 6.Semester trat ich in das mathemat. Seminar

 

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ein, dessen Mitglieder selbst Vorträge halten mußten. Mir fiel der Auftrag zu, über den Schlick´schen Massenausgleich zu sprechen. (Anordnung, um den Gang der Dampfmaschine gleichmäßiger zu gestalten). Es  kam dabei auf die Berechnungen des Schwungrades an. Natürlich stand ich wieder einmal unter Druck, wenn meine Freunde mich trafen, war ihre Frage „Ha Wolf (so hieß ich in Göttingen) was macht das Schwungrad?“ Nun es machte mir Sorgen, aber mein Vortrag fiel wider Erwarten gut aus, wurde vor dem Professor (dem berühmten Felix Klein) gelobt und hatte mir damit ein gutes Fundament für meine spätere Beurteilung geschaffen. Als ich am Schluß des 10.Semesters bei ihm in meinem Staatsexamen geprüft wurde, hatte er mich noch in guter Erinnerung und prüfte mich mit großem Wohlwollen. Das gleiche gilt auch von dem Prof. Völs, bei dem ich mehrere Semesterlang regelmäßig an den physikalischen Übungen (= Praktika) teilgenommen hatte,

 

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Ich hatte in der Physik sicher Lücken, aber er hat sie nicht gemerkt oder wollte sie nicht merken. In meinem 3.Fach, der angewandten Mathematik hatte ich keine Angst, das war mein Steckenpferd. Nachdem ich somit in  Fächern für die Oberstufe mit Erfolg geprüft war, mußte ich noch meine „allgemeine Bildung“ nachweisen. Das war in jenen Jahren Pflichtfach, und deshalb wurde ich von dem Direktor des Göttinger Gymnasiums in Deutsch und Religion geprüft. Für diese Fächer hatte ich mich kaum vorbereitet, Ich verließ mich auf meine allgemeine Intelligenz, wäre aber um ein Haar damit ….

Böse Menschen (meine Freunde) behaupten, ich hätte den Apostel Paulus als Teppichklopfer statt als Teppichweber charakterisiert. Nun ganz so schlimm wird’s wohl nicht gewesen sein, immerhin habe ich es nur dem Wohlwollen des Prüfenden zu verdanken, wenn mir auch nur die allgemeine

 

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Bildung zuerkannt wurde. So habe ich demnach die eigentlichen Aufgaben meiner Studienzeit ohne Zwischenfall erfüllt, habe aber auch die andere Seite des Studienlebens in vollen Zügen genossen. Die Erinnerung an sie gibt mir in dieser trüben Gegenwart Trost und Licht. Das Schöne, was ich in diesen Jahren erlebte, erscheint mir sehr oft im Traum wieder; die alten Freunde, von denen der größte Teil nicht mehr auf der Erde weilt, grüßen und stehen mit ihren Vorzügen, auch mit ihren Schwächen ganz deutlich vor mir. Die gehörten ohne Ausnahmen der Korporation = der Studentengesangsverein oder besser „die blauen Sänger“ gab meinem Dasein das Gepräge. Wir waren eine schwarze Verbindung, das heißt, trugen keine               , brauchten deshalb auch keinen Wert darauf zu legen, durch unser Auftreten nach außen zu          . Das Tragen von Mütze und Band hat ja auch……..

 

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Aber meiner Wesensart entsprach dieses Studententum nicht. Andererseits kann ich mir nicht denken, daß ich als „Wilder“ (Student ohne Korporation) mich in Göttingen wohlgefühlt haben würde. Es war nicht der      betrieb, der mich besonders lockte, noch weniger schwärmte ich für das Fechten, das bei uns nur als Sport betrieben wurde (keine Bestimmungs      ) und von dem ich auch auf Grund meiner Verletzung an der rechten Hand befreit wurde. Dagegen fand ich großen Gefallen an dem musikalischen Betrieb, wir hatten regelmäßig Chorübungen und gaben auch Konzerte. Auch außerhalb meines „Bundes“ betätigte ich als Sänger in einem gemischten Chor, der auch  an die Öffentlichkeit mit seinen Künsten trat. Dabei war ich ein geschätzter I. Baß, weniger wegen der Schönheit als wegen der Stärke meiner Stimme. Beim fortissimo trat ich in Aktion. In gleichem Maße war ich ein Freund von den Mimiken (kleine Theateraufführungen) bei denen ich im Laufe

 

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der Semester von einem Chormitglied zu einem bedeutenden Solisten emporstieg. Meine Hauptrolle war der Hagen in einer Parodie der Nibelungen, wobei ich mich vorzustellen hatte mit den Worten, mein Name ist Wolf Hagen.- Auch auf den            , die Sonntags in die schöne Umgebung Göttingens führten, habe ich viel Natur und auch diverse kleine Helle (helles Bier) genossen.- Höhepunkte waren ferner die Veranstaltungen, zu denen Damen zugezogen wurden, im Sommer ein Gartenfest in Mariasprung im Winter beim Damenkränzchen und dem großen Ball mit vorhergehenden Konzert. Wiederholt erschienen dazu auch meine Schwestern, vor allem meine Schwester Grete, die viel Verehrer fand, aber doch wohl schon bei Wilhelm Gerges in festen Händen war. Im Umgang mit denen war ich zuerst sehr schüchtern, später wurde ich zum Don Juan, ging aber auf keine feste Bindung ein. Meine Flammen wechselten von Semester zu Semester, am Schluß meines Studiums war ich ernstlich verliebt, fand aber keine Gegenliebe und bekam wieder Minderwertigkeitskomplexe.

 

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Von dieser unglücklichen Liebe will ich nur den Vornamen Luise nennen. Ich glaube behaupten zu dürfen, daß ich ein beliebtes Mitglied in unserem Bunde war; man übertrug mir verschiedene Ämter, ich war Kassenwart und danach Fuchsmajor. Die meiner Erziehung anvertrauten Füchse – es waren 16 – schenkten mir einen Zigarrenschrank mit dem Wappen der blauen Sänger. Er ist das einzige Möbelstück, das ich in meinem Inventar bei der Vernichtung unseres Hauses am 9.Oktober 1943 gerettet habe und verschönt noch das Wohnzimmer, das gegenwärtig von der Familie meiner Tochter Grete und uns gemeinsam bewohnt wird.- Ich entsinne mich, daß ich mit meinen Füchsen mehrfach Schlittenfahrten in einem von4 Gäulen bespannten Schlitten unternahm, im allgemeinen war das Ziel Bremke, denn dort konnte man die Zeche jahrelang aufschreiben lassen. Sie wird nicht gering gewesen sein, denn man trank dort       bowle in großen Mengen.

 

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Als Begleitung spielte Toni Wilde auf dem Klavier den Feuerzauber, und wir waren selig, so sehr, daß wir als der Schlitten auf der Rückfahrt umschmiß, wahrscheinlich, weil der Kutscher auch selig war, ruhig weiterschlummerten -  den Schneetod haben wir aber nicht herbeigesehnt, und wir waren auch innerlich so durchwärmt, daß wir keinen Schaden gelitten haben.

Bei meinem intensiven Wirken in dem Kreise der blauen Sänger blieb kaum noch zeit für meine Teilnahme an dem außerstudentischen Leben in Göttingen. Immerhin besuchten wir auch bisweilen das dortige Theater. Das war für uns ein billiges Vergnügen; wir bezahlten auf dem III. Rang, der allerdings ganz im Hintergrund schlauchartig und versteckt dieses Theater zierte, 30 Pfg., tranken aber dabei schon für 70 Pfg. den berühmten „kleinen Hellen“. Ich weiß, daß ich dort einmal Macbeth von Shakespeare besuchte mit einigen Freunden und entsinne mich, daß wir in der langen Pause – um die Zeit zu

 

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nutzen, Skat gespielt haben. Wegen der abgelegenen Lage unserer Plätze, konnte uns das bessere Publikum kaum bemerken, danach erhielten wir von unserem Bunde eine Rüge wegen unseres Benehmens – nur das von Rechts wegen. Zu meiner eigenen Erheiterung und vielleicht der des Lesers dieser Zeilen, will ich jetzt noch einige besondere Erlebnisse zum Leben erwecken.

Am 1. Mai fand auf dem              (mein Lokal in der Nähe von Göttingen) unsere Maifeier statt, wobei ich die Aufgabe hatte, um 12h nachts den Mai mit einer schwungvollen Rede zu begrüßen. Dabei sprach ich dann auch von der akademischen Freiheit, derer wir uns erfreuen durften. Da fiel mir ein Mitglied einer anderen Korporation, die ebenfalls dort tagte oder besser nächtigte, ins Wort, indem er schrie: Schöne Freiheit, ich habe drei Tage im Kerzer gesessen. Zunächst ließ ich mich nicht aus der Fassung bringen, aber die Unruhe nahm zu

 

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und die Feier endete damit, daß zwischen mehreren blauen Sängern und der anderen Partei es zu Rangeleien kam, aus dem dann Duelle entsprangen. Daß ich als der Hauptbeteiligte mir nicht auf diesem Wege Genugtuung suchte, mag meine Stellung zur Satisfraktionsfrage charakterisieren. Dieser Abend hatte dann noch ein humoristisches Nachspiel. Beim Nachhausegehen vermisste ich meinen kostbaren Spazierstock aus Ebenholz mit einer silbernen Krücke, in die mein Name eingraviert war. Stattdessen fand ich einen anderen ähnlichen, den ich mir aneignete. Am nächsten Morgen erschien in meiner Wohnung ein Schutzmann und beschuldigte mich, in der Nacht mehrere Laternen zertrümmert zu haben. Ich fühlte mich unschuldig und bestritt das Verbrechen, war aber dann höchsterstaunt, als der Schutzmann triumphierend mir meinen Stock vor die Augen hielt, den man an einer Laterne hängend als corpus delikti gefunden hatte. Der Übeltäter war also der Comilitone

 

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gewesen, der meinen Stock versehentlich mitgenommen hatte. Hätte ich nicht als Entlastungsmaterial seinen Stock vorzeigen können, hätte man mir wahrscheinlich meine Unschuld nicht geglaubt, und diese Begebenheit hätte Stoff für einen Kriminalroman abgeben können. Einen weiteren Zusammenstoß mit der Polizei hatte ein Streich zufolge, von dem ich nun erzählen will.

In Göttingen war im Mai das Gauß-Weber Denkmal enthüllt. Aus diesem Grunde glaubten wir Mathematiker noch einen ausgedehnten               diese Feier wiederholen zu müssen. Wir zogen zu dem Denkmal, legten dort die Kränze unter Ansprachen noch einmal nieder und beschlossen, zu Ehren dieser unser bedeutenden Fachkollegen zu ihren Füßen (oder wie es damals hieß, zu ihren Schweißfüßen) den Rest der Nacht zu verbringen. Es muß aber doch wohl ziemlich kalt gewesen sein, jedenfalls hielten wir

 

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unseren Schwur nicht und gaben unser Lager nach einiger Zeit wieder auf, um unserem Quartier zuzusteuern. Dabei überquerten wir eine Straße, an der ein Neubau errichtet wurde, demzufolge große Haufen von Ziegelsteinen aufgeschichtet waren. Wir kamen auf den blödsinnigen Plan, von diesen Steinen eine Barriere quer über die Straße zu bauen, ohne zu überlegen, welche Gefahr wir dadurch für den Verkehr schufen, denn es war noch dunkel. Wir quälten uns sehr riesig, schleppten              , bis die Mauer fertig war. Aber kaum konnten wir uns über unseren Erfolg freuen, als ein Schutzmann erschien und uns stellte. Hätte er uns ein Strafmandat verschafft, dann wäre es sicher ein teurer Spaß geworden. Aber das tat er nicht, denn er war ein großer Pädagoge oder Erzieher und sagte: „Meine Herren, nun darf ich sie wohl bitten, die Steine wieder zurück zu tragen.“ Das kostete wohl ein halbe Stunde Arbeit und ist uns sehr sauer geworden, war aber eine vorzügliche Lehre für die Zukunft.

 

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Eine große Rolle spielte in meinen Semestern in Göttingen eine kleine Gastwirtschaft „Zum Anker“. Dort gab es ein mechanisches Musikinstrument mit vielen Finessen, dadurch wurden wir wohl zuerst in dieses Lokal gelockt. Die II. Rapsodie von Liszt besonders ließen wir uns dort vorspielen. Mit der Zeit fühlten wir uns immer wohler und suchten, wenn wir einmal außerhalb des Vereinsbetriebes uns betätigen wollten. diesen „Anker“ auf. Es verkehrten dort auch Bürgerfamilien mit ihren Töchtern, mit denen wir uns anbiederten. Nun gab damals der große Cirkus Sarrasani in Göttingen ein Gastspiel, der natürlich auch von uns besucht wurde, und wir kamen dabei auf die Idee, in dem genannten Gasthaus diesen Cirkus zu parodieren. Was wir vorführten – Jongleur, Seiltänzer, Ringkämpfer, Clowns usw. war natürlich der größte Blödsinn, gefiel aber uns und dem Publikum, der Wirt

 

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sah darin eine Attraktion, und wir hatten freie Zeche. Ich trat dabei als Clown und als Ringkämpfer, mein Gegner war ein besonders großer und kräftiger Bundesbruder (?). Aber verabredungsgemäß gelang es mir dann doch, ihn nach langem Ringen zu besiegen, was bei dem Publikum besonders anerkennend begrüßt wurde, Eine Hauptnummer waren die boxenden           in Anlehnung an eine Cirkusnummer, bei der zwei Ponis mit ihren Köpfen gegeneinander rannten und sich zu Fall bringen suchten. Dieser Wettstreit wurde von uns nur initiiert, indem zwei von uns, die steife Hüte trugen (Praliners) mit ihnen wütend gegeneinander rannten. Für die Hüte und für die sie tragenden Köpfe war das sicherlich wenig bekömmlich, aber die Vorstellung gefiel den Zuschauern sehr. An einem Sonntag hatten wir mit mehreren Freunden eine Wagenfahrt nach Dransfeld unternommen und fassten dort den Plan, daran anschließend abends

 

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in Göttingen noch eine Cirkusvorstellung anzuschließen. Um den Wirt vorzubereiten, gaben wir ein Telegramm für ihn auf. Dessen Mutter war aber gerade schwer erkrankt, und er mußte mit ihrem Ableben rechnen. Als er das Telegramm erhielt, vermutete er diesbezügliche Nachricht, zog sich feierlich (nach seinem späteren Bericht) in seine Privatgemächer zurück, um dort gefasst Kenntnis von dem Telegramm zu nehmen. War dann aber sehr erstaunt, als es darin hieß: „Cirkus Sarrasani heute abend 8 Uhr Extravorstellung“. Das also waren wir. Bei unserem Eintreffen wurden wir mit großem Jubel begrüßt, aber ich glaube, da wir nicht mehr ganz nüchtern waren, waren an diesem Abend unsere Vorführungen nicht so erstklassig wie sonst. Jedenfalls konnte meine Ringkampfnummer nicht starten, da mein Gegner eingepennt war und sich nicht bereit erklärte, sich mir zu stellen. Auch die boxenden          - von denen noch übrigens

 

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der eine als Konsistorialrat in Hannover lebt, waren nicht so kampfesmutig wie sonst. Aus der Tatsache, daß diese Vorstellung eine Woche vor meinem Examen stattfand, kann man folgern, daß ich trotz der Angst davor und meiner Vorbereitung doch noch in der Stimmung war und Zeit fand, als Cirkusartist aufzutreten.-

Schließlich will ich noch ein Erlebnis mit meinem Freund Schlensinger – wir nannten ihn             wiedergeben, an das ich noch jetzt gern zurückdenke.

Eines Morgens im Januar, als ich ins Kolleg gehen wollte, erschien Schl. bei mir und teilte mir strahlend mit, daß seine Schwester sich verlobt habe, und daß er dies Ereignis mit mir sofort feiern müsse. Ich brach also meinen Arbeitsvorsatz ab und wanderte mit ihm vielleicht gegen 10 Uhr durch eine wundervolle Winterlandschaft nach Nikolausberg (einem etwa 1 Stunde weit von Göttingen entfernten Dorf). Dort aßen wir bescheiden zu Mittag, unterhielten uns mit den in dem

 

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sehr einfachen Gasthaus verkehrten Gästen, spielten mit unserem Maßkrug, die Zeit verging, und der Abend machte trotz bereits vertilgter großer Alkoholmengen kam mein Freund noch auf die Idee, mich zu einer Bowle einzuladen. Diese wurde in einer Terrine unter der grünen Hängelampe degoniert, Unser Gespräch wurde lebhafter, vielleicht auch erregter, jedenfalls haute der sehr temperamentvolle Schl. plötzlich gegen die Hängelampe, sodaß das Bassin zerbrach, und sein Inhalt in unsere Bowle floß Wir dachten aber nicht daran, auf die Bowle zu verzichten, sie hat uns trotz der Beimischung gut geschmeckt und ist auch mir ganz gut bekommen. Aber der viele Alkohohl machte sich dann doch bemerkbar, besonders bei meinem Zechgenossen, und als wir uns später am Abend auf den Rückzug begeben wollten, wurde ihm das Gehen so sauer, daß ich mich seiner annehmen mußte. Ich nahm seine Füße

 

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und Gebeine unter meine Arme, er schleifte mehr mit dem Rücken auf der Erde, wobei sein Kopf nicht gerade ruhig gebettet war. Aber was half`s, es gab keine andere Transportmöglichkeit. Ich sauste also mit ihm meistens im Trab den Berg an einem Abhang hinunter, wobei Schl. stöhnte und fluchte. Als er einmal verschwinden mußte, löste ich ihn aus meiner Umklammerung und gab ihn frei, mit dem Ergebnis, daß er den Abhang herunter rutschte und meinen Blicken entschwand. Es war stark dunkel, und trotz der Schneefläche war und blieb er für mich verschwunden. Durch lautes Rufen suchte ich die Verbindung herzustellen, als auch das keinen Erfolg hatte, gab ich ihn auf und pilgerte allein nach Hause. Wahrscheinlich nicht ganz frei von Sorge. Jedenfalls war ich sehr erleichtert, als er am nächsten Morgen wohlbehalten bei mir erschien. Mildtätige Dorfbewohner hatten ihn aufgefunden und auf einen Handwagen nach Göttingen gebracht – in der Annahme, daß er verunglückt sei, hatten sie ihn

 

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in der Klinik abliefern wollen – aber er ist dann doch noch rechtzeitig aus seinem Rausch erwacht und hatte diesen Justizirrtum verhindert.-

Das war die Geschichte von der Petroleumbowle, für deren Wahrheit ich mich voll verbürge.-

Am Abschluss des Berichtes von meiner Studienzeit will ich der vielen Freunde gedenken, die ich in ihr gewonnen habe. Einen von ihnen – Albert Oppermann – habe ich bereits vorher erwähnt – mit ihm war ich bei meinen Studien am meisten vereint. Aber auch außerhalb unserer ernsten Arbeit verdanke ich dem Zusammensein mit ihm viele köstliche Stunden. Er ist einer der wenigen, die noch am Leben sind, wohnt mit seiner Gattin in Braunschweig. Sicherlich war ich wohl am meisten mit Georg Lindeman zusammen. Unsere Buden lagen in benachbarten Häusern, wir hatten gemeinsame Wege zu Kolleg und auch zu den sonstigen Veranstaltungen der blauen Sänger. Aber wir waren wohl doch zu verschiedene Naturen, um uns

 

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auch innerlich ganz nahe zu kommen. Er war in seinem Wesen robuster als ich, in seiner Kleidung wenig gepflegt, in seinem Auftreten ungelenkig. Ein großer Freund des Bieres, für sonstige Genüsse wenig zugänglich. Ein guter Skatspieler – kein Interesse für die holde Weiblichkeit – wissenschaftlich ohne Auftrieb. Immerhin haben wir uns trotz unserer verschiedenen Wesensart gut verstanden. Am Schluß des ersten Weltkrieges ist er als Landsturmmann gefallen. – Genau das Gegenteil von ihm war Richard Krüger – ein Schwärmer, ein Idealist und Schöngeist. Mit ihm habe ich die Rätsel des Lebens zu lösen versucht, die auch schon damals an uns herantraten. Die Tatsache, daß ich auch nach meinem Studium in Hannover mit R. Krüger zusammen bleiben konnte, war für mich ein großer Gewinn. Auch er ist uns vor mehreren Jahren durch den Tod genommen.- Als Partner bei den Musiken muss ich Gerhard Lucas nennen. er übernahm bei seiner schönen Tenorstimme die Damenrollen und war oft meine „Geliebte“. Auch beim Doppelkopf haben wir viel zusammen getagt – ich habe ihn seit vielen Jahren nicht gesehen

 

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glaube aber, daß er noch in Westfalen lebt. Unsere musikalische Stütze war Anton Wilde, ein glänzender Klavierspieler und guter Musiker (gefallen 14/5). Führend bei unseren Theaterdarbietungen war Otto Mewes, der Sohn eines Schauspielers – er stand mir besonders nahe – gestorben vor 2 Jahren.- Nicht zuletzt nenne ich Fritz Wöckener, der später mein Schwager geworden ist, eine Frohnatur, der es verstand, das Studentenleben zu genießen und durch sein Lautenspiel oft einen harmonischen Kreis um sich vereinte (gefallen 1915).- Einige meiner Freunde habe ich herausgehoben – aber auch die  nicht genannten leben in meiner Erinnerung weiter, wobei mir schmerzlich zum Bewußtsein  kommt, daß unser Kreis sich stark gelichtet hat und daß ich sehr einsam geworden bin.

Wo seid Ihr zur Zeit mir, Ihr Lieben geblieben, - ach – alle zerstreut

                                        „und die am tollsten gewettert, sind still und stumm.“ vom Winde verweht, vom  

                                         Strudel der Zeit zerschmettert.“

 

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Mein Bericht über die Zeit in Göttingen wäre lückenhaft, wenn ich nicht auch von meinen verschiedenen Studentenbuden und meinen Wirtinnen erzählen würde. Im ersten Semester wohnte ich in der Altstadt – der oberen Matsch – einer Gegend, die gespickt war mit Studentenquartieren. Mein Zimmer lag im Erdgeschoß, war ziemlich geräumig, aber in seiner Möblierung sehr nüchtern, die Wirtsleute sehr unpersönlich, so daß ich mich dort wenig wohlfühlte und schon nach einem halben Jahr übersiedelte ich in die Jüdenstraße zu dem Schneidermeister Hanger. Die Bude lag im ersten Stock und war für einen Studenten weit besser zugeschnitten wie die erste. Mein Wirt ein Original, der – als seine Frau kränklich war, alle Hausarbeit erledigte und auch mich betreute. Er machte mein Bett und sorgte in jeder Weise vorbildlich für mich. Im Kreise seiner Familie wurde ich bald heimisch und war deshalb betrübt, als sie, nachdem ich 3 Semester bei ihnen gewohnt habe. nach München übersiedelte. Als ich später in München studierte, habe ich  meinen

 

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Freund Gamga mehrfach aufgesucht.- Ich mußte also wieder nach einer neuen Unterkunft Ausschau halten und fand sie vor den Toren Göttingens am Schildweg 26 bei dem Stadtsekretär Brieke, bei seiner Schwiegermutter, einer Frau Beirues. Er bewohnte ein kleines Eigenheim mit einem schönen Garten, mein Stübchen lag im Dachgeschoß. Es war wirklich nur ein Stübchen mit einem kleinen schrägen Schlafgemach. Man kann die Größe des Zimmers errechnen, aus der Angabe, daß, als wir zu 3 Freunden mehrere Stunden Skat gespielt hatten,- wobei wir dauernd die lange Pfeife rauchten,- plötzlich die Petroleumlampe ausging, weil ihr kein Sauerstoff zum Brennen mehr zur Verfügung stand. Wir hatten diesen Mangel aber nicht empfunden.-

In dem für die Arbeit sehr geeigneten Raum habe ich meine Examensarbeiten angefertigt, an ihn denke ich gern zurück, auch an meine prächtige Wirtin. Sie war immer besorgt um mich

 

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wie eine Mutter, was auch bewiesen wird dadurch, daß sie mir am Vorabend meiner mündlichen Prüfung eine dicke Bibel brachte mit dem Rat, sie in der Nacht unter mein Kopfkissen zu legen dann wäre mir der Erfolg sicher. Nun, sie hat ja auch Recht gehabt. Einmal war sie sehr um mich in Sorge, ich war auf großer Tour und mehrere Tage auch des nachts nicht nach Hause gekommen – ich glaube, wir waren in Witzenhausen hängen geblieben  -  da lief sie in ihrer Angst zu ihrer Nachbarin Frau Bolte, der Wirtin von meinem Freund Lindemann. Als sie aber dann von dieser hörte, daß mein Freund auch verschwunden war, war sie im Bilde und machte sich keinen Gedanken mehr. In dem Hause wirkte ein dienstbarer Geist Mathilde, die in ihrer fröhlichen Wesensart das durchaus idyllische Bild vom Schildweg 26 harmonisch ergänzte.

Während der langen Universitätsferien weilte ich natürlich meistens in meinem Elternhause. Zwar unternahm ich von dort auch häufige Reisen nach Leipzig und später nach

 

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Dresden, wohin im Laufe der Jahre meine alten Erfurther Pflegeeltern und Geschwister Köhler übergesiedelt waren. Ferner fuhr ich wohl jährlich für einige Wochen in die Lüneburger Heide – jetzt ohne meinen Vater – besuchte meine Vetter in Celle, Marende, Starkshorn und Unterlichs  Bei dem letzten Besuch war die schon vorher erwähnte Cousine 2.Grades – die mich dann später aber in meinen Vorzügen doch wohl nicht hoch genug eingeschätzt hat – . Neben diesen Reisen blieb ja auch für Einbeck genug Zeit übrig, die ich zum Teil dazu benutzt habe, meine Kolleghefte auszuarbeiten und mich auf math. und physik. Gebiet weiterzubilden. Denn die Studentenferien sind ja nicht nur zur Erholung da. Selbstverständlich fand ich genügend Muße, mich meinen Angehörigen zu widmen. Die Spaziergänge mit meinem Vater und seinem Freunde Schlichterweg wurden konstant durchgeführt, wobei ich nunmehr auch als Erwachsener behandelt wurde. Noch häufiger und zwangloser waren aber jedenfalls meine Exkursionen mit meiner

 

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Schwester Grete. Gerade in dieser meiner Studentenzeit hat sie mir unendlich viel gegeben. Sie war meine Beraterin in Herzensangelegenheiten und hatte Verständnis für meine Sorgen. Ihre sonnige Wesensart brachte in unser Haus immer eine frohe Stimmung und war für meine Eltern der Quell großen Glücks. In diesen Jahren war auch meine Schwester Marie in E. als Lehrerin angestellt, die für mich für ernste Fragen zuständig war. Mein Bruder Walther war Schüler und wandte sich bei seiner Arbeit und seinem Spiel gern an meine Hilfe. Außerdem lebte in E. eine entfernte Cousine von mir, Mariechen Elbe, mit der ich gut befreundet war, insbesondere die Tanzgelegenheiten in E. besuchte. Später habe ich erfahren, daß sie sehr enttäuscht gewesen ist, darüber, daß meine Wahl – als ich mich verheiratete – nicht auf sie gefallen ist. Ich habe aber nie diesbezügliche Hoffnungen in ihr erweckt und brauche mir keine Vorwürfe zu machen,

Daß ich in meinem Elternhause mit besonders großer Freude empfangen wurde,

 

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als ich als Sieger mit bestandenem Examen heimkehrte, ist ja wohl selbstverständlich. Es lagen wieder einmal sorgenlose Wochen vor mir, meine Prüfung war am 5./6. Februar und mein Dienst beim Provinzkollegium begann erst Anfang April.-

Von ihm werde ich nachher erzählen, nachdem ich nach dem Bericht über meine Semester in München, das zwischen dem Göttinger 6. und 8. Semester lag, nachgetragen habe.

 

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Meine Studentenzeit in München

 

Dieses Semester in München wurde mir dadurch ermöglicht, daß der schon früher erwähnte Onkel Herrmann aus Bremen mir 200,- M geschenkt hatte in Anerkennung meines bisher bei meinem Studium gezeigten Fleißes. Ich sollte mich, wie er schrieb, einmal erholen und dazu ein Semester mit seinem Sohn, also meinem Vetter, Fritz Grave, in München verbringen. Da ich meine Stipendien in Gö. verlor, war das ja für mich ein gewisser Luxus, zumal das Leben in München, und die Reise nach dort an meinen Geldbeutelhöhere Anforderungen stellen würden. Diese Zeit in München hat dann auch wahrlich nicht unter einer zu großen Arbeitslast gelitten .Die Vorbereitungen habe ich zwar ziemlich gewissenhaft besucht aber zu meiner Arbeit zu Hause bin ich kaum gekommen, dazu hat doch M ein zuviel des Neuen und Schönen. Schon der Charakter einer Großstadt nahm mein volles Interesse in Anspruch,

 

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wenngleich ich die Museen und Kunstsammlungen nicht in dem Maße besucht habe, wie auf den späteren Reisen, die mich mit meiner Gattin nach dort führten. Dazu war keine Zeit, ich weilte mehr in den großen Bierlokalen, an den Sommerabenden in den sogenannten „Kellern“ (Gartenwirtschaften) vor der Toren der Stadt. Dort gab es Militärkonzerte und ich genoss das Münchener Leben in vollen Zügen. Der akademische  Gesangverein in M., der mit den blauen Sängern in R          verbindung stand, hat mir nicht viel gegeben. Ich nahm zwar an den Kneipen (?) im allgemeinen teil. fand in ihm auch einige Freunde, aber er spielte für mich bei weitem nicht die Rolle wie mein Bund in Göttingen. Natürlich war ich mit meinem Vetter Fritz Grove auch oft zusammen, aber er war mir eigentlich zu solide in Punkto Biertrinken, er konnte nicht infolge eines Magenleidens so wie ich im

 

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Löwenbräu 8 ½ Maß=liter in einer Sitzung vertilgen. Das war aber auch meine Höchstleistung, zu der ich mich auch nur aufgeschwungen habe, da ein auf der Durchreise durch München mich besuchender Schulkamerad aus Erfurt (Kreis Blankenburg), der im Gegensatz zu mir schon Geld verdiente, die Zeche bezahlte. Ich habe aber keinen Grund, auf diese Leistung stolz zu sein.-  Mit meinem Vetter habe ich aber eine mehrtägige Tour bis in die Nähe von Innsbruck unternommen und dabei zum ersten Male die Alpen gesehen. Ich entsinne mich, daß ich für diesen Ausflug einschl. Fahrgeld M 20 gebraucht habe; meine späteren Reisen mit meiner Frau in derselben Gegen waren allerdings viel teurer.

Eine große Rolle spielten in den Münchener Studentenlokalen auch die kleinen Mädchen, man nannte sie „Gschpusis“, zu denen die Studenten in mehr oder weniger zärtlichen Beziehungen standen. Aber meine Gedanken waren bei der schon früher erwähnten Louise in Göttingen,

 

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die ich sehr verehrte. Das gab mir einen starken Halt in den Versuchungen, die auch an mich herantraten. Wenn nun auch meine Schwärmerei für diese dann einseitig war, hat sie doch das Gute für mich gehabt, so daß ich zu München zwar dem Wein und den Bieren und dem Gesang, aber nicht dem Weib erlegen bin.

Einmal war ich in der Münchener Oper Louise von              , woran man sieht, wie stark ich mich gebunden fühlte. Diese meine Auffassung über den Talisman, der mir durch diese, wenn auch nur platonische Verbindung mit einem sittsamen Mädchen gegeben wurde, kann ich der Jugend zur Nachahmung empfehlen.

Das war mein 7. Semester in München, von dem ich dann ausgeruht und mit neuem Lebensmut erfüllt, wieder nach Gö. zurückkehrte.-

 

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Ausbildung = und Junggesellenzeit in Hannover 1904 - Herbst 1909

 

Ostern 1904 begab ich mich also nach Hannover, um an dem dortigen Lyzeum I (damals noch ein Lyzeum für Jungen) meine Stellung als Studienreferendar anzutreten. Diese meine Ausbildung zu einem Pädagogen war damals bei weitem nicht so belastend, wie in späteren Jahren. Ich mußte bei den erfahrenen Lehrern hospitieren, im sogenannten Seminar Vorträge über Erziehungs- und Unterrichtsfragen halten, gelegentlich auch selbst unterrichten, wobei dann mein Können kritisiert wurde, - das war aber auch alles. Es blieb mir noch viel Zeit zum freien Lebensgenuß. Mein Freund G.Lindemann war mit mir der gleichen Anstalt überwiesen, mit ihm habe ich dann – wie ja auch vorher in Göttingen –  die Tage, oder besser Abende verbracht. Im Übrigen war der Ortsverband (eine Vereinigung der alten Herren meiner Korporation) unser Zufluchtsziel. Auf seinen regelmäßigen Dämmerschoppen und monatlichen Kneipen

 

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habe ich selten gefehlt. Ich fand in ihm auch viele Freunde, von denen einige noch heute um mich sind. Jedenfalls war ich selten allein und die Tatsache, daß meine monatliche Lichtrechnung (Petroleum) bei meiner Wirtin (eine 70 J. alte Jungfrau in der Wiesenstrasse) nur 50 Pfg. betrug, lässt errechnen, wie intensiv ich gearbeitet habe. Leider waren meine Finanzen gerade in diesem Jahr besonders schwach, andernfalls hätte ich doch häufiger mir den Besuch von Theater und Konzerten geleistet. Ich mußte, wenn ich das Varietetheater besuchen wollte was etwa 1M kostete, an dem Tage auf mein Abendessen verzichten, um meinen Etat nicht zu überlasten. Aber was tut man nicht alles für die Kunst. Unter diesen Umständen war ich natürlich sehr erfreut, als ich im Herbst einen        schüler zu betreuen bekam, und noch mehr, als ich kurz vor Weihnachten den Auftrag erhielt, einen erkrankten Kollegen an der Oberrealschule für mehrere Monate zu

 

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vertreten. Dadurch verdiente ich über 100 M monatlich und war nun alle Sorgen los. Trotz meiner schlechten wirtschaftlichen Lage war ich bei den Töchterbesitzenden Müttern ein sehr geschätztes Objekt, wurde oft eingeladen und hatte in jeder Woche in der Saison mehrere Bälle zu absolvieren. Aber mein Herz blieb kalt, vielleicht wegen meiner infolge meiner früheren Enttäuschungen. Doch da machte sich mein Verhängnis in Gestalt des Ortsverbandballes, zu dem ein Freund von mir, Hans Wichmann, (von dem älteren Bruder Fritz sprach ich schon) seine Schwester aus Fürstenau eingeladen hatte. Um ihm einen Gefallen zu erweisen, hatte ich mich bereit erklärt, sie, die hier völlig fremd war, und von der ich auch nur ein Bild bei ihm gesehen hatte, „zu Tisch zu führen“. Mit einiger Spannung sah ich ihrem Eintreffen in den Festsaal entgegen, fand dann aber bei ihrer natürlichen, frischen Wesensart – in der sie sich wohltuend von manchen blasierten Großstadtdamen unterschied – bald Kontakt mit ihr und war am Schluß des Balles sozusagen

 

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in sie verschossen. Nachdem ich dem Fräulein Hermine Wöch[UT12] ener nochmals auf einen Spaziergang näher besichtigt hatte, stand bei mir, als ich sie bei ihrer Abreise zur Bahn brachte, ziemlich fest, daß sie für mich die richtige Lebensgefährtin sein würde. Ich kannte ihre beiden Brüder, daher erübrigte es sich, nach ihrer Familie und ihrem „Lebenswandel“ noch Nachforschungen anzustellen, und umgekehrt konnte sich ja auch Fräulein Wöch[UT13] ener bei ihren Brüdern über mein Renommee erkundigen. Immerhin war es ja gewagt, als ich Pfingsten 1915 nach Fürstenau fuhr, ziemlich fest, den für mein Leben entscheidenden Schritt zu tun, und mich mit dieser meiner letzten Flamme zu verloben.-

Mit Hans Wöch[UT14] ener traf ich zusammen in Fürstenau ein, wurde am Bahnhof von Frau Wöch[UT15] ener mit ihrer Tochter empfangen und als Freund ihrer Söhne von ihr herzlich begrüßt. In dieser Verbindung war mein Besuch aufgezogen, was in dem gastfreien

 

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Hause Wöch[UT16] ener nichts Besonderes war. Als nun am 2.Pfingsttag von der ganzen Familie eine Wagenausfahrt nach Loxten arrangiert wurde, wobei sich die Mitglieder auf einen Landauer und neuen leichten „Zweirädern“ verteilten, wusste ich es mit Hilfe meines Freundes so einzurichten, daß, nachdem ein Teil der Fahrt zurückgelegt war, Fräulein W. und ich in dem kleinen Wagen vereint wurde, wohingegen mein Freund als Kutscher des großen Wagens dafür zu sorgen hatte, daß zwischen ihm und uns ein großer Abstand geschaffen wurde. Was dann geschah, verschweige ich, delikate Dinge soll man nicht der Öffentlichkeit unterbreiten.-

Jedenfalls waren wir bei unserem Knutschen feierlich verlobt, am nächsten Tag mit dem Segen der Eltern und im Juli des gleichen Jahres öffentlich. Aus diesem Anlaß war auch mein Vater in F. erschienen, im Oktober wurde meine Braut in Einbeck der Familie vorgeführt, und das Band zwischen den beiden Häusern war damit geschlossen.

 

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Nach meiner Verlobung ließen meine Einladungen in Hannover völlig nach, ich hatte an Wert verloren, stand aber dafür in regem Briefwechsel mit meiner Braut und mehrfachen Reisen über das Wochenende nach F. reichen Ersatz. Ich wurde jetzt solider, mein Außenleben verlor, mein Innenleben gewann. Ich hatte inzwischen auch ein besseres Zimmer in der Feldstraße gefunden, in dem ich mich sehr wohl fühlte, sodaß ich meinen Lebensgenuß nicht mehr außer dem Hause zu suchen brauchte. Auch stand mir jetzt wieder mein Freund Richard K., von dem ich schon früher sprach, treu zur Seite. In dieser Zeit verkehrte ich viel in der Familie meiner Cousine Louise Winkelmann  (der Schwester von meinem Schwager Winkelmann), die meinen Lehrer Kohl geheiratet hatte. Regelmäßig verbrachte ich dort meinen Abend, in der Woche beim Skatspiel, wurde gut verpflegt und mit Bier und Zigaretten versorgt. Daß das für Kohls – die geldlich nicht über Überfluß zu klagen hatten – ein Opfer war, habe ich

 

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damals kaum empfunden, vielleicht auch geglaubt, daß ich durch meinen Verlust beim Skat – der sich allerdings bei einer Quote von 1/20 Pfg in mäßigen Grenzen hielt – mich dafür revanchieren konnte. Eine Zeitlang war auch der alte Vater Winkelmann (der Schwager meines Vaters), der bei seiner Tochter wohnte, unser Spielpartner und ich entsinne mich, daß er sehr verzweifelt war, wenn er dabei den Verlust von 10 Pfg mit in den Kauf nehmen mußte. In der Familie Kohl lebten der leibliche Kinder, die nun inzwischen längst zu Amt und Würden gekommen und mit uns noch befreundet sind.

In meiner schulischen Arbeit war inzwischen eine wesentliche Veränderung eingetreten, ich war zum Probekandidat aufgestiegen und bekleidete seit Ostern 1905 eine Hilfslehrerstelle am Realgymnasium in Hannover. Empfohlen für diesen Posten hatte mich mein ausbildender Mathematiklehrer Prof. H. Müller, der also wohl schon in die in mir schlummernden pädagogischen

 

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Anstalt gesagt, daß für mich Aussicht bestünde, am Realgymnasium als Oberlehrer eingestellt zu werden, sofern ich mich bewähren würde. Um das zu prüfen, wurde mein Unterricht mehrfach von dem Direktor und sachverständigen Fachlehrern kontrolliert, mit dem Ergebnis, daß ich zum 1. Oktober 1906 als Studienrat an dieser Schule ernannt wurde.

Damit war ja nun die Grundlage geschaffen, um meinen Heiratsplänen eine festere Form zu geben. Nachdem ich also etwa ein Jahr lang eine „sonnige Verlobungszeit“ durchlebt hatte, wurde der Tag meiner Eheschließung der 2. Oktober 1906 festgesetzt.

 

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Familienleben 1906-1915

 

Die Hochzeit selbst verlief in einem sehr festlichen Rahmen; der Vater Wöckener hatte an nichts gespart – es gab eine Musikkapelle mit dem offiziellen Brautzug aus Lohengrin beim Einzug des jungen Paares, es gab ein gutes Essen in dem ersten Hotel in Fürstenau und es wurde viel Sekt getrunken, sodaß es eigentlich betrüblich war, daß die Hauptinteressenten meine Frau und ich uns von der Hochzeitsgesellschaft trennen mußten, um uns auf die Hochzeitsreise zu begeben. Nachdem nun die Verbindung mit der Familie W. feste Bahnen angenommen hat, muß ich von den Eltern meiner Frau sprechen, so wie sie heute vor mir stehen.

Der Vater hatte eine Bauingenieurschule besucht, hatte in der Fürstenauer Gegend als Architekt verschiedene Bauten geleitet, auch den             [UT17] des Bahnhofs, und war dann dort hängengeblieben, nachdem er

 

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ein Grundstück erworben hatte, um ein Geschäft mit Baumaterialien, Getreide und Kunstdünger zu eröffnen. Nach dem Bau einer Dampfmühle nahm sein Betrieb noch wesentlich an Umfang zu. Außerdem war er Schützer für die landwirtschaftliche Brandkasse und bei dem dortigen Gericht als Amtsanwalt tätig. Er hat also ein sehr arbeitsreiches Leben geführt, war ununterbrochen von 6h früh bis spät in die Nacht tätig und hat sich dann kaum Erholung gegönnt. Anspruchslos und bescheiden, heiter und zufrieden, ein vorbildlicher Familienvater und angesehenes Mitglied der Fürstenauer Bürgerschaft. Er hat zweifellos mit seiner Gesundheit trotz eines sehr soliden Lebenswandels infolge seines übergroßen Arbeitseifers Raubbau getrieben und ist ½ Jahr, nachdem er einer Schlaganfall erlitten hatte, im Alter von 67 Jahren gestorben.- Ich habe wohl schon erwähnt, daß er bei meiner Eheschließung in großzügiger Weise meine Studienschulden

 

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bezahlt hat, wofür ihm auch an dieser Stelle mein Dank gebührt.

In seiner geschäftlichen Tätigkeit wurde er aufs beste unterstützt von seiner Frau, die es verstand, neben ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter, sich dem Kaufmannsleben zu widmen, in erster Linie war die Verwaltung der Sparkasse ihr Ressort. Sie – die Mutter meiner Gattin – war ein kluger Kopf, weltgewandt und sehr belesen und ein wenig stolz auf ihre Abstammung aus einer wohlhabenden gebildeten Gutbesitzersfamilie. In  manchen Dingen war sie dem Vater zweifellos überlegen,  so ist es kein Wunder, wenn sie die Zügel im Hause führte, ohne daß man damit ihren Gatten als untergeordnet bezeichnen konnte. Jedenfalls ist es ihrer Mitarbeit zu verdanken, wenn die Eltern meiner Frau es im Laufe der Jahre zu großem Wohlstand gebracht haben, der allerdings durch die Inflation 1923 mit einem Schlage, wenn auch nicht vernichtet, so doch auf 1/10 Teil herabgedrückt wurde. In ihren letzten Lebensjahren war es das Hauptziel meiner Schwiegermutter von

 

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von[UT18]  dem verlorenen Vermögen noch zu retten, was zu retten war. Auch sie ist – nachdem sie infolge eines Bruchs des Oberschenkels mehrere Monate im Krankenhaus gelegen hatte, vor 5 Jahren gestorben. Infolge einer Nervenlähmung mußte sie bereits vor diesem Unfall viele Jahre hindurch Krücken benutzen, hatte auch ein Krankendreirad, das sie mit ihren gesunden Armen in Betrieb setzte, ist aber trotz dieser starken Behinderung immer zufrieden gewesen, und lebt als ein Vorbild in meiner Erinnerung weiter. Von  ihr hat meine Frau manches gute Erbgut mitbekommen, den Fleiß, die Geschäftstüchtigkeit, die Sicherheit im Auftreten – während sie dem Vater in erster Linie die Bescheidenheit und die Liebe zu den Mitmenschen zu verdanken hat. (Vielleicht wird meine Gattin diesem meinem Urteil widersprechen).

Um bei den Angehörigen meiner Lebensgefährtin zu bleiben, - ich erwähnte schon bei meiner Göttinger Zeit meinen Schwager Fritz, durch den ich ja zuerst mit der Frau W. in Verbindung kam,

 

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Den Heldentod dieses ihres Lieblingsbruders – mit dem sie ihre Kindheit verbracht hatte – im Mai 1915 war für meine Frau ein sehr schwerer Verlust, und nachdem vor 1 ½ Jahren auch  mein Schwager Hans -  der eigentliche Vermittler unserer Ehe infolge Herzschwäche gestorben ist, ist ihr nur noch der jüngste Bruder Lutz geblieben. Er lebt mit seiner Frau und 3 Töchtern in F, und hat das elterliche Geschäft übernommen.- Wir sind mit ihm und seiner Familie eng verbunden und glücklich in dem Bewußtsein, daß durch ihn meine Frau und mir – auch meinen Brüdern – die Fürstenauer Heimat erhalten geblieben ist, hoffend, daß das auch weiterhin so bleiben möge, wenngleich gegenwärtig sein Haus von den Besatzungstruppen beschlagnahmt ist, und er ziemlich bescheiden in einem Ausbau über dem Pferdestall wohnt, während der Bruder bei anderen Fürstenauer Familien untergebracht sind. Auch möchte ich wünschen, daß die Frauen und die Kinder der beiden verstorbenen Schwäger mit meinen Nachkommen in Zukunft verwandtschaftliche Beziehung pflegen werden.

 

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Nach diesem Exkurs auf die Familie meiner Gattin schalte ich wieder zurück auf unsere Hochzeitsreise – die uns über Osnabrück, Hannover, Eisenach Nürnberg, München, Heidelberg führte. Ob wir viel von der schönen Gegend genossen haben, bezweifle ich, jedenfalls waren es Wochen ungetrübten Glücks. Daß dabei in München Freund Sch. – bekannt durch die Petroleumlampe – wieder in Erscheinung trat, sei noch erwähnt. Ich brauchte ihn aber diesmal nicht abzutransportieren. In München, wo ja für mich viele Erinnerungsstätten lagen, haben wir uns besonders wohlgefühlt, so wohl, daß wir nicht dazu kamen, von dort aus einen Abstreifer in das Gebirge zu unternehmen, was ursprünglich geplant war.

Als der Urlaub (Ferien) und das Geld zu Ende waren, kehrten wir nach Hannover zurück und bezogen unser erstes eigenes Heim, in der Heinstr.5.

 

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Während unserer Reise war unsere Wohnung von unserer Schwiegermutter unter Assistenz von  meiner Schwester Grete sorgfältig eingerichtet, der Abendtisch war bereits von ihnen für uns gedeckt – es fehlte an nichts.

 

Meine junge Frau, die die Auswahl der Möbel ihren Eltern und mir überlassen hatte – nur das Klavier hatte sie selber mit ausgesucht – war sicherlich überrascht von ihrem bzw. unserem großen Besitz. Er bestand aus einem Wohnzimmer, Herrenzimmer, einem Mahagonisalon, dem Schlafzimmer und sogar einem 2- bettigen Fremdenzimmer. Der Salon war eigentlich völlig überflüssig und ist kaum benutzt worden, das Fremdenzimmer aber von Anfang an umso häufiger. Denn bald erschienen die Geschwister, einmal, um sich von unserem jungen Glück zu überzeugen, dann aber auch, um von uns aus die Genüsse der Großstadt in sich aufzunehmen. Das ist auch immer in jenen Jahren so geblieben – wir hatten oft Logierbesuch und waren sicherlich ein gastfreies Haus.

Für meine Gattin bot die Großstadt ja

 

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auch viel Neues – ich war ja in dieser Beziehung schon etwas abgebrüht – jedenfalls besuchten wir viel die Theater, wobei ich besonders die Varietetheater, meiner schon in der Jugend geneigten Neigung entsprechend, bevorzugte. Hier ließen wir keinen Programmwechsel aus. Daneben führten wir aber auch ein stimmungsvolles Innenleben, das wir besonders durch 4-händiges Klavierspiel verschönten.

 

Nachdem wir noch am 20.August die Meistersingerouvertüre 4-händig gespielt hatten, meldete unser 1.Kind seinen Willen an, in diese Welt einzutreten. Er muss dabei aber wohl seine Bedenken gehabt haben – entsprechend seiner späteren Auffassung von dem Wert des Lebens,-  jedenfalls konnten wir unseren Stammhalter erst nach 3 Tagen am 22.Aug. hocherfreut willkommen heißen. Dabei hatte meine Schwiegermutter uns treu beigestanden, der Vater schickte            aus dem                 [UT19] Bestand,

 

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die Schwäger erschienen zur Besichtigung – auch meine Schwester Grete – und unsere Familie war damit komplett.

Mit unserer früheren Freiheit war es nun allerdings vorbei, da meine Frau den Sprössling selbst nährte, waren wir ans Haus gebunden. Eine Hilfe hatten wir zuerst nicht. Später wurde uns zur Betreuung unseres Ernst ein junges Kindermädchen engagiert- Der Betrieb bei uns wurde demnach größer, als am 13.März 1909 – also nach 1 ½ Jahren – unsere erste Tochter Lore eintraf. Auch d Ausgaben wuchsen, und ich gab Privatunterricht, da unsere Schwiegereltern uns zwar mit Lebensmitteln, Wurst und Schinkenpaketen auch unterstützten, aber ein Zuschuß an Geld nicht vorgesehen war. Eine Maßnahme, die das Gute hat, mir von vornherein die Sorge um einen Ausgleich  meines Etats zu übertragen. Daß meine Gattin eigentlich eine vermögende Frau war, habe ich damals also nicht empfunden, aber sie hatte im Elternhaus arbeiten gelernt, war bescheiden erzogen und stellte wenige Anforderungen an das Leben wie manche Kollegenfrauen, die aus sehr „bescheidenen“ Verhältnissen stammten

 

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Als mein Schwiegervater sich davon überzeugt hatte, daß ich mit eigenen Kräften ein guter Haushalter war, und uns das Geld geben wollte, um ein eigenes Heim zu vererben, war das Geld infolge der Inflation entwertet, und es wurde nichts aus diesem Plan. Wir waren aber in unseren Mietwohnungen ganz gut aufgehoben, und nachdem wir nach 3 Jahren aus unserem ersten Quartier auszogen und nach Waldhausen übersiedelten, wo wir einen kleinen eigenen Garten besaßen, kamen wir uns schon ziemlich selbständig vor. Hier wurde am 12.Juli unsere Grete geboren.  Ich entsinne mich, daß damals ihre Zeit sich näherte, sehr in Sorge war, ob ich von dieser Wohnung auch schnell genug die weit entfernte weise Frau würde heranholen können. Demzufolge zog ich mich des nachts nicht aus, schlief in voller Uniform, wie ein Feuerwehrmann, in meinem Bett, in dessen Höhe ein Fahrrad stand, das ich jeden Abend aufpumpte. Doch diese Vorsorge erwies sich nicht als begründet, denn auch unsere

 

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Grete hatte es nicht eilig, das Licht der Welt zu erblicken.

Auch bei diesem freudigen Ereignis stand mir Oma Wöchner zur Seite. Nachdem unser Kreis sich weiter vergrößert hatte, erwies sich unsere Waldhausener Wohnung als zu klein, und wir mußten wieder nach einem neuen Heim ausschauen. Unsere Wahl fiel auf die Brandstr.3, einem Haus, in dem die mit uns befreundete Kollegenfamilie Andresen wohnte. Dort standen uns 6 Räume zur Verfügung, wovon einer als besonderes Kinderzimmer eingerichtet wurde,- daß wir uns nicht entschließen konnten, den einen noch wenig benutzten Salon aufzugeben, ist mir heute ein Rätsel. Gewiß gaben wir einige Gesellschaften, bei denen er in Aktion trat, aber wir hätten auch ohne diesen Festraum unseren Gästen einen gelungenen Abend bieten können. Allerdings trugen damals die Geselligkeiten noch ein familiäreres Gepräge als später, bes. wenn der Direktor meiner Schule eingeladen war, es gab ein warmes Abendessen mit Kochfrau und sonstigem Beiwerk. Die damit sich ergebenden Kosten

 

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standen eigentlich im Missverhältnis zu meiner Finanzkraft. Aber diese Sitte gehörte zum guten Ton. Da im allgemeinen meine Ausgaben zunahmen, mußte ich, - wenngleich ja auch mein Gehalt inzwischen gestiegen war, mich nach einem Nebenverdienst umsehen. Ich möchte schon an dieser Stelle davon sprechen in welchem Umfang ich mich auf diesem Gebiet des Privatunterrichts betätigt habe. Zu meinen Kunden gehörten dumme Schüler, die besser eine Hilfsschule an Stelle des Realgymnasiums besucht hätten, und andererseits auffallend intelligente, die ich in kurzer Zeit auf das Abitur – außerhalb der Schule – meistens auch mit Erfolg – vorbereitet habe. Die besten Schüler habe ich später, als ich mir meine Klienten aussuchen konnte, natürlich bevorzugt.

Es erschienen bei mir (in den späteren Kriegsjahren) Offiziere, die ein Examen nachmachen wollten und z.T. älter waren als ich und andererseits junge Damen (Lehrerinnen), die so jung und schön waren, daß sie glaubten zu ihrem

 

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Schutz eine ältere Dame, die nicht wissenschaftlich interessiert war, in ihre Schule, wo ich den Unterricht erteilte, mitbringen zu müssen. Mit meinem zunehmenden Alter schien dann diese Vorsichtsmaßnahme nicht mehr erforderlich zu sein, jedenfalls kamen später noch jüngere anmutige Damen zu mir ohne Begleitung. Ich hatte an Reiz verloren aber an Vertrauen gewonnen. Unter meinen Kunden gab es solche, die mit der Entlohnung durchbrannten und andererseits solche, die mir neben dem Honorar zur Belohnung für meine Mühe Wein und Zigarren spendeten. Die Schüler kamen nachmittags und abends. sogar in der Hochsaison am Sonntagmorgen, was sich als notwendig erwies, weil ich zeitweise bis zu 16 Stunden wöchentlich neben meinen beruflichen Pflichten zu absolvieren hatte. Da habe ich natürlich weit mehr Geld verdient, als ich für die Gegenwart benötigte, aber ich wollte mir für die Zukunft ein Kapital sichern, was mir ja auch gelungen ist, obgleich nach dem ersten Weltkrieg mein bis dahin erworbener ansehnlicher Besitz verloren ging.

 

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Dieser Weltkrieg griff ja überhaupt sehr störend in mein Familienleben ein. Bei seinem Ausbruch waren wir gerade in den ersten Tagen mußte. Gleich Fürstenau und konnten von dort nur schwer, da der Reiseverkehr bereits stockt, nach Hause kommen Gleich in den ersten Tagen mußte mein Schwager Lutz ins Feld ziehen – er diente gerade bei dem 73.Inf.Reg. hier in Hannover. Als sein Regiment nachts zum Bahnhof in Linden geführt wurde, konnte meine Frau von ihm im Vorbeimarschieren ganz kurz Abschied nehmen. Auch die anderen beiden Brüder meiner Frau mußten sofort Soldat werden. Die Sorgen um diese 3 lasteten natürlich sehr schwer auf meiner Gattin, die damals unser viertes Kind erwartete. Unsere Anneliese wurde am19.Dez.1914 geboren, und wenn sie das Leben später besonders schwer genommen hat, ist das vielleicht dadurch zu erklären, daß ihr erstes Werden stark belastet wurde.

Nachdem damit unsere Familie sich vollzählig versammelt hatte, will ich unsere Trabanten so beleuchten, wie ich sie damals gesehen habe, also in der Zeit bis zur Loslösung vom Elternhause.

 

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Vielleicht werden Sie beim Lesen dieser Zeilen meinem Urteil widersprechen.-

Unser Ernst, in den ersten Lebensjahren leicht verzagt, voller Ängste vor den Menschen, durchaus brav, ein sinniges Kind. Als Schüler sehr gewissenhaft, kein Draufgänger, früh durch die Probleme des Lebens belastet. Als Student bereits mit gefestigter Lebenserfahrung, immer noch grübelnd, oft von Depressionen gequält, andererseits doch selbstbewusster, zeitweise ausgesprochen heiter. Gegen uns Eltern und Geschwistern stets liebevoll und hilfsbereit. Abgesehen von den letzten Jahren in seinem Studium, als es für ihn mancherlei innere und äußere Widerstände zu überwinden gab, haben wir uns um ihn nie ernstlich zu sorgen brauchen. Bis auf Kinderkrankheiten war er stets gesund. Lore[UT20] , schon als Kind unser Sonnenschein. Von ruhigem Gemüt, gutherzig, heiterer Lebensauffassung. In der Schule nicht immer fleißig, aber doch einigermaßen erfolgreich. In ihrem Auftreten sicher, ohne Hemmungen, bis zu ihrer Verlobung bestrebt, das Leben in gutem Sinne zu genießen. Ein Lebenskünstler, angeblich mir im Charakter sehr ähnlich.

 

 

 

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Im Gegensatz zu ihr war Grete schon als Kind sehr gewissenhaft, geistig rege, immer leicht zu lenken. Als Schülerin stets sehr fleißig, gut begabt, aber nicht frei von Minderwertigkeitskomplexen. Später in ihrer Lebenshaltung sehr korrekt und pflichtgetreu.-

Als Mischung dieser beiden Charaktere – Lore und Grete – schloß sich unsere Anneliese an. In ihrer Kindheit vorbildlich zufrieden, stets dankbar für das, was ihr geboten wurde, im Haushalt früh hilfsbereit und schon damals eine Stütze der Mutter. Nicht so leicht beschwingt wie Lori[UT21] , aber auch nicht so exakt wie Grete. Nach der Schule bis zu ihrer Verheiratung von allerlei Stürmen umweht, die aber nicht vermochten, sie von dem geraden Lebensweg abzulenken. In ihrem Gefühl zu ihrer Zugehörigkeit zu uns allen besonders stark ausgeprägt und auch zu ferner stehenden Menschen stets liebevoll und hilfsbereit.

Sofern ich mich in meiner Beurteilung geirrt habe, bitte ich, mir das zu verzeihen, ich bin als Lehrer daran gewöhnt, objektiv zu

 

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sein. Inzwischen sind ja auch diese Zeilen auch nur für den inneren Gebrauch bestimmt, also wird aus einem Fehlurteil niemanden[UT22]  ein Nachteil erwachsen. Hinzukommt, daß die Geschwister sich gegenseitig ja am besten kennen. Es ist für uns Eltern stets ein großes Glücksgefühl gewesen, festzustellen, daß unsere Kinder in guten und in bösen Zeiten fest zusammengehalten haben, und ich möchte mir wünschen, daß das auch dann, wenn das Elternhaus nicht mehr besteht, der Fall sein möge.

Dieser Wunsch ist umsomehr voll berechtigt, daß es stets das Hauptlebensziel von meiner Gattin und mir gewesen ist, unseren Kindern eine sonnige Jugend zu bereiten  und ihren späteren Lebensweg zu ebnen. Wir beide haben oft bis an die Grenze unserer Kraft gearbeitet und gesorgt für ihr Wohlergehen.  Beim Rückschauen auf die Jahre, als sie noch klein waren, denke ich an die Radtouren, die wir oft auf 5 Rädern mit ihnen in die Heide unternahmen. Ich denke daran, wenn wir mit ihnen den Jahrmarkt besuchten

 

 

 

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und bin glücklich, daß ich ihnen dabei mehr als 20 Pfg., die Summe, die meine Eltern mir damals bewilligten, zur Verfügung stellen konnte. Wir haben  mit ihnen die großen Circusse besucht und sind in dem geologischen Garten gewandert, haben sie durch Spielsachen erfreut und ihnen neben der Schulausbildung auch Musikunterricht in reichem Maße bewilligt. Wenn wir dann bei ihrer Verheiratung – zwar bescheiden – sie aussteuern konnten, dann kann man daraus erkennen, daß unsere sparsame Lebenshaltung und unser Fleiß Erfolg gehabt und wir es zu gewissem Wohlstand gebracht hatten.

Ich nannte unsere Lebenshaltung sparsam, daraus ist aber nicht zu folgern, daß wir auf jeden Genuß verzichtet hatten. Wir haben regelmäßig die Theater besucht, Schauspiel und Oper, waren an den Abonnementskonzerten jahrelang abonniert, führten ein geselliges Leben und haben auch an der Ernährung nicht geknausert.

Allerdings haben wir bis 1926 auf

 

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größere Reisen verzichtet. Das konnten wir uns nicht leisten. Haben es aber auch nicht so entbehrt, denn wir fanden in den Sommerferien immer eine Zuflucht bei den Eltern meiner Frau in Fürstenau. Das war für uns alle eine sonnige Zeit und dort liegen viele Erinnerungen. Ich habe damals photographiert, aus den Bildern, die ja den Krieg glücklich überstanden haben, kann man ersehen, was wir damals getrieben haben. Ergänzend muß ich erzählen, daß für mich die Wagenfahrten mit dem Vater Wöchener, die er ausführen mußte, um die Bauernhäuser zu taxieren, nie ein besonderer Genuß waren. Meine Gattin mußte leider bei den Kindern bleiben, aber ich fuhr dann mit meinem Schwiegervater stundenlang durch die Heide auf ganz einsamen Wegen, wobei ich Land und Leute gründlich kennen lernte. Der sonst so anspruchslose Schwiegervater trank dann wohl in den Wirtschaften einen Punsch zu 5 Pfg. und kaufte Cigarren zu 20 Pfg., von diesen Genüssen durfte ich auch profitieren.

 

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Bei den Bauern gab es dann gratis Kaffee und wohlgeschmierte Mettwurst- und Schinkenbrote, do daß schon aus diesem Grunde die Fahrten für mich sehr lohnend waren. Kamen wir spät in der Nacht nach Hause, dann hatte Mutter W. noch besonders starken Bohnenkaffee und Bratkartoffeln für uns bereitet, und meine Gattin war froh, daß sie uns wohlbehalten wiederhatte. –

Aber auch mit ihr unternahm ich gelegentlich Fahrten in dem kleinen Gig – in dem wir uns verlobt hatten. Dabei mußte ich die Zügel führen, was sonst in  meiner Ehe nicht immer unangefochten der Fall war. Wir haben natürlich bei diesen unseren beiden Schwiegereltern uns auch für die folgenden Monate gut verproviantiert und kamen stets mit schweren Koffern zurück. In den Kriegsjahren war das allerdings sehr schwierig, da die Polizei nach den sogenannten Hamsterern sehr scharf war. Wir mußten sehr auf der Hut sein, mit doppelten Böden reisen, wobei unter einem Behälter für Kaninchen

 

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versteckt waren. Ich hatte eine Seite Speck bei einem Bauern erworben und mußte diese, um sie vor den Kontrollen zu schützen, im Juli bei 30° Hitze auf meinem Körper – um den Leib angeschmiegt -  durch die Gefahrenzone bringen.

Nun, das waren Begleiterscheinungen des Krieges, und eine allerdings viel tiefer einschneidend war die, daß auch ich am 1.Mai 1917, nachdem ich bis dahin von meiner Schule reklamiert war, zum Heeresdienst  einberufen wurde. Abgesehen von dem tiefen  Schalten (?), der durch den Tod meines ältesten Schwagers über uns lag, hatten wir bis dahin vom Krieg direkt noch nicht viel gemerkt. Allerdings hatte unsere Wohnung zeitweise ein militärisches Gepräge angenommen, dadurch daß mein jüngster Schwager, der nach seiner Verwundung in Hannover Garnisondienst hatte, als Leutnant mehrere Monate bei uns wohnte. Das brachte allerlei Leben ins Haus, und ich verlor dabei etwas an Bedeutung, da die Betreuung dieses alten Kriegers meine Frau, ja auch unseren dienstbaren

 

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Geist, sehr in Anspruch nahm. Andererseits war die Anwesenheit von Bruder Lutz für uns ein Lichtblick in der sonst ernsthaften Zeit. Er hatte oft Besuch von seinen Kameraden, die dann dabei für Getränke und Rauchwaren sorgten, auch zu meinem Nutzen. Das war der Ausgleich für meine Wertminderung in unserem Haushalt.-

Wie dann der Krieg in meine Lebensführung eingriff, muß ich nun in einem besonderen Kapitel mit der Überschrift „meine glorreiche Militärzeit“ behandeln.

 

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Meine Militärzeit 1.Mai 1917 – 5.Juni 1917

 

Auf dem Bezirkskommando erhielt ich einen Zettel mit dem Vermerk: „Landsturmmann Wolfhagen transportiert sich selbst nach Soltau.“ Was das bedeuten sollte, war mir nicht ganz klar -  vielleicht, daß ich nicht einem größeren Transport unter Führung eines Vorgesetzten anvertraut war -  jedenfalls setzte ich mich auf die Eisenbahn, die dann doch den Transport für mich übernahm. In Soltau mußte ich einen Lebenslauf schreiben, durch den ich meine Eignung zum Schreiber in dem dortigen Gefangenenlagers nachwies -  meine Stellung als Oberlehrer hatte dazu noch keine Garantie geboten. Ich begab mich dann zur Kammer, um meine militärische Ausrüstung in Empfang zu nehmen und begann sofort -  da ich nicht schnell genug Soldat werden konnte -  mich in dieser „Kammer „ einzukleiden. Das war aber nicht statthaft, und ich wurde, als ich gerade ein Bein in die Militärhose gesteckt hatte in wenig höflichem Ton aufgefordert, meine Einkleidung auf

 

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dem Kasernenhof zu vollziehen. Dort verwandelte ich mich danach im schönsten Sonnenschein, bewundert von den den Zaun umlagernden französischen Gefangenen von einem Oberlehrer zum Landsturmmann. In dieser neuen Würde meldete ich mich am nächsten Morgen in dem „Pferdestall“, in dem meine Kameraden zum Appell versammelt waren zum Dienstantritt. Der Unteroffizier in Civil, ein biederer Brückenmeister, der ja meinen Lebenslauf bereits kannte, begrüßte mich mit der Frage „können Sie lesen“, und als ich das bejahen konnte, mußte ich die Kriegsartikel vorlesen. Das war meine erste militärische Leistung. In der folgenden Intruisionsstunde sprach der Unteroffizier über das Thema „Gesundheitslehre“, warnte die ihm anvertrauten biederen Heidebauern vor dem Umgang mit Frauen und wies auf die Gefahren der Liebe hin. Er sprach auch von der Quecksilberkur als Heilmittel und war der Ansicht, daß das im Körper der Patienten beförderte Quecksilber bei Änderung des Wetters nie heilsam wäre.

 

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Ich muß auf Grund dieser Enthüllung wohl ein ziemlich erstauntes Gesicht gemacht haben, jedenfalls fragte er mich: „Sie mit der Brille, habe ich recht?“ Ich wagte nicht einem Vorgesetzten zu widersprechen und habe durch meine Zustimmung seine Warnung bekräftigt.- Um etwas in die militärische Haltung eingeführt zu werden, wurde ich dann meinem Gefreiten – einen aus Hamburg, überwiesen, der mir vor allen Dingen einen richtigen Gang – langsam Schritt – beibringen sollte. Wir beide wandelten also in die  [UT23] 

             und dort wurde ich von ihm in diese Kunst eingeweiht. Wir hatten aber wohl beide die Empfindung, daß das für mich eine ziemlich überflüssige Prozedur war, da ich ja nur als Schreiber tätig sein sollte und brachen daher bald unseren Dienst ab, um statt dessen bei einer von mir gespendeten Cigarre uns im Schatten des Waldes auszuruhen. Nach einigen Stunden wurde ich dann wieder in meinem Lager abgeliefert. Ich konnte übrigens gratis

 

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wohnen und braucht daher nachts die Kasernenluft nicht einzuatmen. Dagegen wurde ich vom Militär verpflegt. Meistens gab es Klippfisch (?) -  in normalen Zeiten kaum für die menschliche Ernährung geeignet, dazu Pellkartoffeln, die ich in meiner Soldatenmütze von der Kantine zu meinem Speisesaal – dem Pferdestall – transportieren mußte. Die Kantinen waren ziemlich groß, und da ich auf diese Leckerbissen keinen besonderen Appetit hatte, schüttete ich den Rest in einen Abfalleimer. Bekam aber dann doch wohl Gewissensbisse über diese Stoffvergeudung und bat den Essensausgebenden Unteroffizier mir nicht so viel „Klippfisch“ zu verabfolgen. Diese meine Bescheidenheit hatte zur Folge, daß ich angebrüllt wurde „Was, Du Hund sollst satt werden, noch einen Hieb“, ich erhielt also 2 Portionen. Wie mans macht, man machts verkehrt. Diese Erkenntnis erwarb ich auch bei einer anderen Gelegenheit. Ich mußte Rechnungen abschreiben für die Unternehmer, deren Gefangene zu Dienstleistungen überwiesen waren. Die mußten

 

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je nach Anzahl der Gefangenen und nach der Arbeitszeit dafür eine Bezahlung leisten. Diese Rechnungen waren von einer anderen Dienststelle ausgestellt, zweimal überprüft und sollten von mir nun abgeschrieben werden. Ich konnte es aber – meinem Berufsanspruch entsprechend – nicht unterlassen, sie rechnerisch zu überprüfen und war dann sehr stolz, als ich wiederholt Fehler fand, die ich verbesserte. Das war natürlich verkehrt und ich hatte infolge, daß mich mein Zahlmeister anschnauzte: „Die Rechnungen sind richtig, finden Sie bloß keine Fehler, dann machen Sie sich mißliebig und fliegen hier raus.“ Das wollte ich natürlich nicht und daher mußte ich auf meinen Drang zu korrigieren, verzichten.- Allerdings hatte ich doch einmal Gelegenheit, meinen Civilberuf auszuüben.-

Der Sohn des Oberzahlmeisters,- ein Schüler aus Osnabrück,-  verbrachte die Pfingstferien bei seinem Vater, diesem war wohl bekannt, daß ich Mathematiklehrer war, und er forderte mich deshalb auf, seinem Sprössling Privatunterricht zu erteilen. Ich brauchte also

 

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nachmittags keinen Dienst zu tun und konnte mich in meiner Wohnung in meinem Civilberuf betätigen. Daß ich dafür irgendeine Bezahlung erhalten würde, habe ich natürlich nicht angenommen, glaubt doch aber diese „Erziehungen“ ausnützen zu können. Man hatte mir auf der Kammer eine Militärhose ausgehändigt, die im Gesäß mit einem andersfarbigen Flicken verschönt war. Da ich an einem der nächsten Sonntage auf Urlaub nach Hause fahren sollte, lag mir daran, dort einigermaßen schmuck erscheinen zu können. Ich bat daher meinen Schüler, seinen Vater zu veranlassen, mich dem Kammerunteroffizier zum Empfang einer besseren Hose freundlichst empfangen zu wollen. Das klappte dann auch. Ich wurde zur Kammer zitiert und sah mich dann schon im Geiste aus ihr in einem neuen Gewand wieder herauskommen. Mir wurde eine Hose ausgehändigt, die ein gutes Gesäß hatte, aber dafür an beiden Knien zwei gelbe Flicken aufwies, also

 

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war ich wieder hereingefallen. Im übrigen aber hatte ich keine Zusammenstöße, führte ein sorgenloses Dasein, spielte abends mit den Kameraden Skat oder wandelte abends in der schönen Umgebung Soltaus herum, allerdings immer in einiger Angst, wenn mir Vorgesetzte begegneten. Ich war nämlich im „Grüßen“ nicht ausgebildet und wusste nicht, wie ich mich zu verhalten hatte, -  ob ich in „strammer Haltung“ vorbeigehen oder die Hand an der Mütze legen mußte – dabei war die Mütze sehr wacklig und drohte herunterzufallen, denn für meine Kopfweite =59= war keine richtig passend aufzufinden gewesen. Das war also eine starke seelische Belastung, aber auch so ziemlich die einzige. Am Wochenende besuchte mich meine Gattin, brachte mir auch noch von ihren an sich kümmerlichen Fleischzuteilungen einen „Braten“ mit, so daß ich nicht immer Klippfisch zu essen brauchte. Auch meine Kinder Ernst und Lore besuchten mich und bewunderten ihren kriegerischen Vater. Ich konnte aber dies´ Leben voll ertragen, war aber dennoch hocherfreut, als ich

 

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nach etwa 5 Wochen von meiner Schule            wurde, ausgehend von der Annahme, daß ich trotz der Kriegszeit als Lehrer in Hannover nützlicher sein würde als Schreiber in Soltau.

 

 

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Grete              Lore           Ernst        Anne

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Familienleben 1918-1933

 

In Hannover nahm mein Leben bald wieder seinen gewohnten Gang. Aber die Siegeszuversicht war allmählich gesunken, und der Krieg drückte unserem Dasein immer mehr seinen Stempel auf. Es kam 1918 zum Zusammenbruch und die Revolution, von deren Begleiterscheinungen wir allerdings wenig berührt wurden. Stärker wirkte sich dann allerdings die immer mehr zunehmende Geldentwertung auch bei uns aus, bis diese 1922 katastrophale Auswirkungen annahmen. Schließlich wurde mein Gehalt täglich ausbezahlt und wenn ich es mittags empfing, war sein Wert am Nachmittag schon auf die Hälfte gesunken. Man mußte es aber sofort in Waren umsetzen und irgendetwas kaufen. In der Zeit sammelten sich bei uns große Mengen an Vorräten an, aber man hatte ein Betriebskapital. Diese Inflation wirkte sich sehr unsicher auf den Pensionspreis für unsere Pensionäre aus, die wir damals bei uns aufgenommen hatten, um unsere Einnahmen zu seigern. Zuerst Erwin B, -  Sohn eines Tapetenfabrikanten aus

 

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Langenhagen, - dem auch noch mit ihm zusammen, ein gewisser Heinz Sorge und schließlich Heinz Drare (Sohn eines Hotelbesitzer aus Basinghausen); ferner nur für kurze Zeit der Sohn eines Bankdirektors Gerhard Lan. Bei Bezahlung des Pensionspreises war nie zu verrechnen, welche Summe gegenseitig in Ansatz zu bringen war, die Mutter von Erwin Bremer überließ es mir, von den dargebotenen 1000 M-Scheinen soviel auszuwählen, wie ich für richtig hielt und schließlich bezahlte Herr Drare in Naturalien. Er brachte dann von Woche zu Woche einen Rucksack voll Brot, Likören, Chokolade usw. aus dem Hotelbetrieb stammend – mit. Für die Kinder eine sehr willkommene Lösung und auch für mich zu gebrauchen, aber doch keine Steigerung meiner Finanzkraft.

Als mein Vater 1923 die Augen schloß, kostete der Sarg etwa 100.000,- M. Wir trugen uns nach seinem Tod mit dem Gedanken, schon der Erbteilung wegen, das Haus in Einbeck zu verkaufen;

 

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es wurde dafür bis zu 5 Millionen geboten. Da schien ein gewaltiger Preis zu sein und meine Geschwister wollten auf dieses Angebot eingehen. Aber mir kam glücklicherweise im letzten Moment doch noch zum Bewußtsein, daß diese hohe Summe eine Scheinblüte war, und ich verhinderte den Verkauf, wofür meine Geschwister später sehr dankbar waren. – Im Nov.23 wurde dann unsere Währung stabil, für 1 Billion gab es 1 M, damit verlief das Leben weniger aufregend. Ich habe dann unser Haus 1925 an den Dachdeckermeister Beckmann verkauft für etwa 12.000,-M. Das war damals ein angemessener Preis, danach habe ich es später bereut. Nachdem 1939 mein Haus in H. vernichtet wurde, hätte ich gern in E. einen mir gehörenden Zufluchtsort besessen. Das Haus ist von dem Besitzer stark umgebaut, insbesondere zeigt der Garten ein ganz anderes Gesicht, trotzdem schaute ich bei meinem Aufenthalt in E. bisweilen gern in die Erinnerungsstätte aus meiner Jugend hinein und möchte auch annehmen,

 

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daß meine Nachkommen das gelegentlich tun werden.

In unserem Haus in der Brandelstraße in Hannover wurde es allmählich leerer. Unser Sohn ging nach Heidelberg, nachdem er vorher ein Semester die Technische Hochschule besucht hatte. Lore mußte auf das Jugendleiterinnenseminar nach Hildesheim nach Absolvierung der hiesigen Frauenschule, Grete später nach Dortmund auf das Lehrerinnenseminar, nachdem das hiesige           leider geschlossen wurde. Meine Ausgaben wuchsen gewaltig, ich mußte am Anfang des Monats fast mein ganzes Gehalt durch Postanweisungen meinen Kindern schicken. Gut, daß ich Nebenverdienst und Ersparnisse hatte.- Es war einsam um uns geworden, und nur unsere Anneliese stand uns treu zur Seite.-

Aber so ganz vereinsamt waren wir doch nicht, da wir einen großen Freundeskreis hatten, in dem wir uns sehr wohlgefühlt haben.

 

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Von ihm will ich nunmehr sprechen. Zuerst muß ich wohl Fam. Andreesen erwähnen, mit der wir fast 20 Jahre lang in dem gleichen Haus gewohnt haben. Vater Andr. mein Kollege, stammte aus Ostfriesland und zeigte die biedere, zuverlässige Art dieses Menschenschlages. Seine Frau Klärchen, ebenfalls Ostfriesin, doch lebhafter als ihr Mann, daneben zwei Kinder Luise und Heinz. Sie waren mit unseren Kindern gleichaltrig und oft mit ihnen im Spiel vereint. Die Eltern waren uns stets treue Hausgenossen, mit denen wir häufig ganz zwanglos zusammenkamen, die Familienfeste feierten und uns bei Fragen, die das Leben mit sich brachte, berieten. In der langen Zeit unserer Freundschaft ist auf sie keine Schatzten gefallen. Die Frau, zuletzt kränklich, ist 1933 gestorben, Hermann Andr. wohnt jetzt – von seinen Kindern, die sich verheiratet haben, verlassen, in dem Heim in der Brandelstraße – und damit in dem Haus, in dem wir den größten Teil unserer Ehezeit verbracht haben – das auch ein Opfer der Bombenangriffe geworden ist -  allein nur noch betreut von seinem treue Hausgeist „Emma“.

 

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noch in Hannover und gehört immer noch zu unseren besten Freunden. In gleicher Weise wie mit ihm sind wir mit Heinrich Fals verbunden. Er hat seit 1907, - damals noch als Junggeselle, - in meiner Familie als Freund des Hauses verkehrt, - unsere Kinder sind unter seinen Augen herangewachsen und er hat allein, was uns anging, Anteil genommen. 1919 hat er sich mit einer Witwe – Frau Körnig – der Mutter eines seiner Schüler verheiratet, und auch mit seiner Gattin Käthe haben meine Frau und ich selbst uns bald angefreundet. Nachdem H. Fals sich in Kirchrode ein eigenes Haus mit einem großen Garten erworben hatte, waren wir bei ihnen oft zu Gast, wurden üppig bewirtet und profitierten auch von den Gartenfrüchten, insbesondere von den Birnen. Der Tod von Käthe Fals an meinem 60. Geburtstag 1940 -  war auch für uns ein schwerer Verlust. Noch heute ist uns Heinrich – zumal jetzt, wo wir auch in Kirchrode wohnen, ein lieber Weggenosse. Er beliefert uns mit Obst und ich „sonne mich“ oft in seinem schönen Besitz.

 

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Die Pflege des Gartens gibt seinem Leben Inhalt. Schon stets war diese Tätigkeit, neben seinem Beruf, sein Steckenpferd; er hatte vordem in der Brandelstraße ein Gartengrundstück, von dem er uns damals einen Teil überließ, so daß auch wir uns mehrere Jahre als Gartenbauer betätigen konnten, was besonders für meine Frau ein geschätztes Arbeitsgebiet und für unsere Kinder einen beliebten Spielplatz bedeutete.- Neben diesen beiden Kollegenfamilien war es die Familie Kehl, - die ich schon in meiner Junggesellenzeit erwähnt, - mit der wir oft zusammen kamen. Wir spielten mit ihnen regelmäßig am Sonnabend in einem Gartenlokal einen soliden Skat, dabei oft auch von den diesbezüglichen Kindern sekundiert. Leider entstand dann später, - aber nicht durch mein Verschulden, - eine Trübung in unseren Beziehungen, aber immerhin sind wir mit der Frau – meine Cousine -  und mit den heranwachsenden Kindern immer noch gut Freund. Mit dem Sohn und der Tochter Lena sitzen wir seit kurzem beim Doppelkopf

 

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unsere „Kartenbeziehungen“  fort.- Es würde zu weit führen, wenn ich all die Kollegen nennen wollte, mit denen wir verkehrten. Herausheben muß ich aber noch Wilhelm Gebert und Frau, mit denen wir uns oft „beim Bier“ trafen, wobei er in seiner geistreichen witzigen Art stets das Hauptwort führte. Vor 2 Jahren hat ihn der Tod viel zu früh dahingerafft, seine Frau ist nach Eisenach zu ihrer Tochter gezogen. Wir stehen mit ihr noch in Briefwechsel. Auch  

Josef Maier möchte ich noch nennen, der seit 30 Jahren und noch heute mir ein treuer Freund ist, nachdem seine lebenslustige Gattin vor etwa 12 Jahren ihm und uns genommen wurde.-

In den Ferien siedelten wir in der Zeit von 1920-1930 auch meistens in die Heimat meiner Frau nach Fürstenau, nun nicht mehr wie früher, mit unserer großen Kinderschar. Dort hatte inzwischen mein Schwager Lutz den elterlichen Besitz übernommen, er und seine Gattin Elfriede haben uns stets freundlich bei sich beherbergt, wofür wir ihnen

 

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dankbar sein müssen. Himmelfahrt war unser Reiseziel regelmäßig seit 1928 Starkshörn, von dem ich auch schon früher gesprochen habe. Meine Frau und Herr Winkelmann fanden großes Gefallen aneinander und sahen in sich keine Konkurrentinnen hinsichtlich ihren früheren Beziehungen zu mir, -  dazu lag ja auch kein Grund vor.

Zusammenfassend war ein also eine recht glückliche Zeit, die wir bis 1933 verbrachten und sie wurde noch glücklicher, als wir uns dann ein eigenes Haus erwarben.

Schon seit langem war das mein Ziel gewesen, das sich aber nicht verwirklichen ließ, solange unsere Kinder noch in der Ausbildung standen und dadurch meinen Etat stark belasteten. Aber nachdem sie ihr Examen bestanden hatten, konnte ich meine geldliche Lage besser übersehen und trat diesem Bauplan näher. Es kam hinzu, daß die bisher in Hannover üblichen Einfamilienhäuser für mich zu groß und vor allem zu teuer waren, aber seit einiger Zeit war ein                                                       

                  [UT24] aufgekommen, das mehr meinen Wünschen  und meinem Können entsprach.

 

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Ich setzte mich mit einem mir bekannten Bauunternehmen Mehmel in Verbindung und nachdem dann noch die finanzielle Frage für mich dadurch erleichtert wurde, daß Mutter Wöchener sich bereit erklärte, uns 4.000,- M als Darlehen bei meinem Bauvorhaben zur Verfügung zu stellen, begann  man damit, in der Brehmstr.43 den ersten Spatenstich zu tun. Der Bau wurde von mir und meiner Frau fast täglich besichtigt und kontrolliert und Ende September 1932 konnten wir unsere „Villa“ beziehen.

 

 

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Ernst Grete Anne und Lore im Reifen

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Familienleben in der Brehmstraße 1933-1939

 

Es war zwar keine Villa in eigentlichem Sinne, sondern mit mehreren anderen gleichartigen Häusern in einem Block vereint. Die Frontseite betrug nur 7,30 m, aber es war sehr tief bis zu 14 m, sehr geräumig. Von den 7 Zimmern standen uns Eltern 4 zur Verfügung, und jedes unserer 4 Kinder, die sich ja damals noch nicht von uns abgezweigt hatten, hatte seinen eigenen Raum; Ernst den größten im Dachgeschoß als Atelier für seine Betätigung als Künstler.

Ein kleiner Garten – etwa 20 m tief – war eine wesentliche Bereicherung, und der Balkon im Sommer unser Hauptaufenthaltsort, auf dem wir auch sämtliche Mahlzeiten einnahmen. Im Vorkeller befand sich eine kleine Werkstatt für mich, in der ich ungestört „basteln“ konnte. In ihr entstand dann später für meine Großkinder mein „Meisterstück“, ein Karussell mit springenden Pferden, sich drehenden Kutschen und elektrischen Beleuchtung, die bei der Drehung abwechselnd in grün und rotem Licht erstrahlten. Auch baute ich dort einen Pferdestall, in dem sich möglichst viel bewegen mußte. An einer Winde konnten die

 

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Säcke nach oben befördert werden, auf dem Taubenschlag drehten sich die Tauben im Kreise, auf den Hühnersitzen hüpften die Hühner beim Eierlegen auf und ab und der Hund sprang aus seiner Hütte, und ein Knecht hackte Holz. Kurt, es war alles dran.- Karussell und Pferdestall sind am 9.Okt.1943 zusammen mit den anderen Spielsachen, die ich für unsere Großkinder sorgsam aufbewahrt hatte, grausam vernichtet.- Im Garten pflegte ich mich im Liegestuhl zu sonnen, seine Betreuung – in erster Linie die Pflege unserer Beete - war nach meinem Schuldienst eine willkommener Dienst. Privatstunden gab ich nur noch wenig, eigentlich nur noch an die Sprösslinge von meinen Kollegen und Nachbarn, meistens auch ohne Entschädigung, denn ich war ja jetzt finanzkräftig. Mein Arbeitszimmer – nicht groß – aber sehr behaglich, das Esszimmer  Unser Festraum mit einem Ausbau überaus vornehm – unser Schlafzimmer im I. Stock ruhig und sonnig, - es war geradezu

 

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geradezu ein ideales Heim. Unsere Kinder haben es allerdings nur kurze Zeit genossen, Ernst verheiratete sich 1935, Lore 1936 zu Ostern und Grete im Herbst gleichen Jahres. Die beiden Hochzeiten unserer Töchter wurden in unserem Hause gefeiert, es gab der Festgesellschaft von etwa 25 Personen genügend Raum. Eine Polonaise durch den Garten und das ganze Haus unter Führung von unserem Ernst bildete dabei den Höhepunkt.

Diese beiden Hochzeiten veranlassen mich, an dieser Stelle von den Ehepartnern unserer 3 ältesten Kinder zu sprechen – man wird allerdings nicht erwarten, daß ich auch sie meiner Kritik unterziehe, das wäre abwegig und geschmacklos.- Ernst verheiratete sich mit Anneliese Lache[UT25] , die er auf der Kunstschule in Berlin als seine Mitstudentin kennen und lieben gelernt hatte. Lore´s Wahl war auf Dr. phil. Alfred Thoma gefallen, einen bedeutenden Physiker, der als Schwingungsforscher (Oszillograph) am Heinrich-Herz-Institut in Charlottenburg angestellt war. Sie hatte ihn, als sie unseren Ernst in Berlin besuchte, auf einer Sylvesterfeier kennen gelernt. Unsere Grete

 

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hatte ähnlich wie unser Ernst bei ihrem Studium zuerst hier und später auch in Dortmund sich mit einem Mitstudenten Ernst Niemagen[UT26]  angefreundet und war ihm bis zur Besiegelung dieses Bündnisses treu geblieben.-

Nachdem drei Kinder uns verlassen hatten, war es bei uns leer geworden. Wir vermieteten 2 Räume an Studentinnen der pädagogischen Akademie, unter denen auch zwei Verwandte meiner Frau – Grete Wöch[UT27] ener (die Tochter von meinem gefallenen Schwager Fritz W.) und Lore Heumann (Tochter einer Cousine) waren. Auch die anderen „Damen“, die uns fremd waren, haben sich in unser häusliches Leben gut eingefügt.- Es blieb also nur noch unsere Anneliese bei uns, die dann Jahre lang mit uns alle Sorgen – die ja aber gottlob nicht zahlreich waren – und alle Freuden teilte. Dadurch fällt sie auch jetzt noch, nachdem auch sie sich 1941 verheiratete mit dem Innenarchitekten Fritz Vogel, der mit uns und ihr bekannt geworden war, als er für die Aus-

 

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stattung unserer ältesten Tochter die von ihm entworfenen und in eigener Werkstatt hergestellten Möbeln empfahl – nebenbei bemerkt mit Erfolg – mit uns und mit der Brehmstraße besonders verbunden. Es ist gegenwärtig ihr sehnlichster Wunsch, daß dieses verlorene Paradies für sie und für uns wieder zurückgewonnen wird; natürlich wird diese Hoffnung von uns mit ihr geteilt.-

Unser Wohnen in der Brehmstraße hatte auch das Schöne, das in unserer unmittelbaren Nachbarschaft Kollegen wohnten, mit denen wir eng verbunden waren. Der lustige Rheinländer Gustav Meyer mit seiner Liesel, der Vater Brüggemann mit seinen vielen Kindern, der Philosoph Engelmann mit seiner uns sehr sympathischen Gattin, die dann in der Schreckensnacht 1943 mit ihrer Tochter mit uns in dem Luftschutzraum war. Mit diesen Kollegenfamilien kamen wir oft ganz zwanglos zusammen, Ehepaar Meyer im besonderen waren bei 2 Hochzeiten unsere Gäste, wobei Freund Gustav durch sein Klavierspiel und seinen Humor viel zur Unterhaltung unserer Gäste beitrug.

Auch mit unseren Nachbarn verstanden wir

 

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uns gut, bes. mit denen links von uns wohnenden Kaufmann Richter und seine Frau. Beide waren stets hilfsbereit und vermittelten auch die Telefonanrufe für uns. Die Geburt unserer Großkinder wurde uns regelmäßig freudestrahlend durch Frau Richter übermittelt. An ihrem Fernsprechautomat erfuhr ich dann allerdings auch den Tod unseres Großsohnes – das ist eine trübe Erinnerung (der kleine Christof[UT28]  war einer Diphtherieerkrankung zum Opfer gefallen).

Mit diesem Verlust fiel ein schwerer Schatten auf unsere Familie; wir mußten aber doch dankbar sein, daß seine Mutter, unsere Tochter Lore – die ebenfalls an Diphtherie schwer erkrankt war – uns erhalten blieb.

Rückschauend erscheint mir die Zeit in der Brehmstraße als der Höhepunkt meines Lebens.

Bevor ich mich nun den Jahren nach 1939,

 

 also nach dem Ausbruch des II. Weltkrieges zuwende, will ich noch eine kleine Übersicht nachtragen über die größeren Reisen, die ich in der Zeit von 1927-1939 mit meiner Gattin unternommen habe.-

 

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Reisen 1927-1939

 

Ich sagte vorher schon, daß uns dazu in den früheren Jahren die Geldmittel fehlten. Aber nun glaubten wir, uns diesen Luxus leisten zu können. Auf diesen Reisen habe ich viele Photographien selbst aufgenommen, sie sind gerettet und werden ein besseres Bild von unseren Erleben geben, als ich es in Worten schildern kann. Auch diese Reisealben sollten mit meinem Lebensbericht und der Familiengeschichte des Hauses Wolfhagen zusammen aufbewahrt werden.

Unsere Reisen führten uns ins Gebirge, - die Alpen, -  für die konnte ich mich nicht begeistern. Regelmäßig wurde daher München besucht, wo wir auch mehrere Tage Station machten. Durch meine Studiensemester und unsere Hochzeitsreise war uns München sehr vertraut. Von dort aus ging es in dem neuen Jahr nach Mittenwald – wo wir mit Freund Meyer zusammentrafen, weiter bis Innsbruck. Ein anderes Mal weilten wir in Garmisch-Partenkirchen, später in Oberstdorf.

 

 

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Einmal haben wir uns sogar bis in die Schweiz vorgewagt, zur Jungfrau, Grindelwald, Interlaken, Vierwaldstätter See. Zur Abwechslung haben wir dann auch n dem einen Sommer den Schwarzwald durchquert, Freudenstadt, Wildbad, Hinterzarten am Titisee und Feldberg, anschließend Bodensee und Konstanz. Ferner haben wir das Salzkammergut aufgesucht, Gmunden, Traunsee – dabei war unsere Grete unser Begleiter. Mit Anneliese waren wir kurz vor ihrer Verheiratung in Tegernsee, immer nach einem mehrtägigen Aufenthalt in München, wo damals der Tag der Deutschen Kunst, eine Schöpfung des Nationalsozialismus mit einem prunkvollen Festzug glänzend gefeiert wurde, Symphonie-Konzerten auf den größten Plätzen und einem Sommerfest im englischen Garten. Dabei kreuzte auch der „Führer“ Adolf Hitler zum ersten und einzigen Mal meinen Weg. Meine Frau war sehr begeistert, als sie ihn vorbeifahren sahen und wartete stundenlang darauf, bis er

 

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auf dem Balkon des Theaters der jubelnden Menge zeigte. Ich selbst war wohl schon damals skeptisch und sehnte mich nach einem behaglichen Bierlokal mit lauter Blasmusik, als fröstelnd auf der Straße stehen zu müssen. Den Festzug habe ich allerdings gern genossen, wenngleich wir bei der riesigen Menschenansammlung nur die Köpfe der kostümierten Teilnehmer erspähen konnten.- Als ich später, als sich auch unsere Anne verheiratet hatte, also im Sommer 43, allein mit meiner Gattin wieder über München nach Tirol fuhr – ins Stubaital, nach Zell am See und nach dem schönen Meisingen -, wurde auch wieder in München dieser Festzug gestartet. Bei strömenden Regen auf dem Bordstein der Kaufingerstraße mußten wir 4 Stunden lang dieses Schauspiel genießen und waren froh, daß wir uns hinterher in einem molligen Lokal bei Kaffee und Bier wieder für unser geneigtes Kunstinterresse belohnen konnten. Wir wohnten in München immer in demselben Privatquartier, das aber in diesem Jahr so stark

 

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belegt war, daß wir das Zimmer mit Chaiselonge vereint mit einem anderen Ehepaar, nur durch einen Wandschirm von ihm getrennt, teilen mußten. Wir hatten aber die genügende Bettschwere und haben uns gegenseitig kaum gestört. Die Quartierfrage war ja überhaupt in der Reisesaison oft schwer zu lösen, und ich entsinne mich, daß wir in der Schweiz in Wangen einmal auf dem Fußboden einer Veranda über dem Schweinestall übernachten mußten. Hotels oder Gasthäuser haben wir nur selten aufgesucht; durch das Wohnen bei den „Eingeborenen“ lernten wir das Leben der Einwohner besser kennen, auch war es billiger, und wir waren nicht so gebunden. Mittags aßen wir natürlich in einem Lokal, aber sonst speisten wir „zu Hause“. wobei das Beschaffen der Lebensmittel uns auch Freude machte. Mit unseren Quartierswirten haben wir, besonders meine Gattin, uns im allgemeinen

 

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und an ihrem Familienleben interessiert teilgenommen. Die dabei oft vorgefundene Aussichtslosigkeit in ihrer Ernährung gibt uns in dieser trüben Gegenwart, so wir auch nichts auf das Brot zu schmieren haben und uns mit Suppen begnügen müssen, eine gute Lehre, bescheiden zu sein. So wirken sich unsere Reisen – abgesehen von den schönen Erinnerungen, die uns noch mit ihnen verknüpfen – für unsere Ansprüche an das Leben noch günstig aus. Wir haben viel von der Welt gesehen und uns doch nach Abschluß unserer Fahrten zu Hause am wohlsten gefühlt.

 

Wer weiß, ob die Zukunft es uns ermöglicht, noch einmal die Alpen und das so mir ans Herz gewachsene München wieder zu besuchen. Ist es nicht der Fall, will ich auch zufrieden sein und mich damit begnügen, anhand meiner Bilder und der teilweise noch vorhandenen, von meiner Frau geführten Reisetagebücher, noch einmal die Gegenden im Geiste zu

 

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durchwandern, in denen wir einst so glücklich waren, und die mir Erholung und Kraft für meinen Beruf gegeben haben. Ich muß dabei besonders dankbar sein. daß ich nie irgendeines Defektes wegen, Kurorte oder Heilstätten habe aufzusuchen brauchen, auch meine Gattin war nicht dazu gezwungen. „Herz und Nieren“ sind ja auch jetzt noch bei mir gesund, und wenn meine Nerven überanstrengt waren, habe ich auch durch eigene Kraft diesen Zustand überwinden können.

Von den wenig erfreulichen Jahren nach 1939 will ich erst sprechen, nachdem ich mich vorher meinen beruflichen Ergehen, den dabei gemachten Erfahrungen, dem schulischen Geschehen im allgemeinen und meinen Erlebnissen im besonderen rückwirken gewidmet habe.

 

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Mein Leben als Studienrat 1906-1945

 

Am 1. Oktober 1906 wurde ich, wie ich schon vorher sagte, am hiesigen Realgymnasium als Studienrat angestellt. An dieser Anstalt bin ich ohne Unterbrechung 40 Jahre lang tätig gewesen. Im Laufe der Zeit habe ich unter 3 Direktoren „gedient“, deren erster der Geheimrat Tietze war, ein Aristokrat von reinstem Wasser, vornehm in seiner Erscheinung und vornehm in seinem Wesen, zweifellos weltklug und ein guter Pädagoge. Seinen Untergebenen – speziell auch mir – gegenüber reichlich reserviert, unnahbar, überlegen. Ich bin mit ihm nie warm geworden. Beim Kegeln, das wöchentlich  stattfand und als offizieller Dienst – wenigstens für mich galt – taute er etwas auf und kam mir menschlich näher. Er aber hat mich ja angestellt und dafür muß ich ihm dankbar sein.

Das Kolleg bestand in der Hauptsache aus älteren um nicht zu sagen, alten Herren, der Unterschied von mir bis zum jüngsten betrug wohl mindesten 15 Jahre. So kam ich mir ziemlich verlassen vor, bis dann später

 

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Freund Andreesen, - auch in meinem Alter, -  und nach Abgang mehrerer Seniorenwitwen jüngere Kräfte eingestellt wurden. Unter diesen Senioren waren eine große Zahl wirklich verkalkter Erzieher, die ich nur mit mürrischem Gesicht ihre Aufgabe der Jugend gegenüber habe erfüllen sehen. Einige hatten absolut keine Disziplin und wagten kaum, die Klasse zu betreten,- es war Zeit, daß diese den Schauplatz verließen. An einen von diesen ergrauten Pädagogen erinnere ich mich aber gerne, es war der „        „(?) Scheizmann, der mir insbesondere durch seine Ruhe als Vorbild erschien. Nach den Konferenzen, in denen vieles leeres Stroh gedroschen wurde, pflegte er zu sagen: Fislito, Fisilitas, es bliwet alles, wie es war (es bleibt alles, wie es war).Was Fislito übersetzt hieß, habe ich nie ergründet. Er hatte mit dieser Ansicht vollkommen recht; auch damals wurde bei den „Beratungen“ viel geredet, ohne daß hinterher danach gehandelt wurde. Dieser, mein Eindruck wurde verstärkt, durch

 

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ein kleines Erlebnis, das ich schon in der ersten Zeit hatte. In der Konferenz hatte der Direktor eine Verfügung, über die Körperschaften verlesen und darauf hingewiesen, daß Schläge an den Kopf unter allen Umständen verboten seien. Am nächsten Morgen hatte ich in der Pause Aufsicht auf dem unteren Flur, und der Direktor ging ebenfalls auf ihm auf und ab, vielleicht, um mich zu kontrollieren. Plötzlich kam beim Klingelzeichen ein Schüler in das Gebäude gestürmt, kam ins Rutschen und sauste dem würdigen Direktor vor den Bauch mit dem Erfolg, daß dieser dem Attentäter eine wohlgezielte Ohrfeige verabreichte. Ich muß ihn daraufhin – an die Konferenz denkend – wohl ziemlich erstaunt angesehen haben, jedenfalls sagte er ironisch lächelnd: “Gestern, Herr Kollege, das war die Theorie, dies ist die Praxis.“ Nun wusste ich ja Bescheid, was ich von Anfang an von Konferenzbeschlüssen zu halten hatte. Doch noch einmal zu meinem Freund Scheizmann. In der Pause pflegte er das Lehrerzimmer zu betreten

 

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mit den Worten: „So, nun woll`n wir erst einmal ordentlich freustücken. Das tat er dann auch sehr ausgiebig, bevor er sich seinen Karrikaturen zuwandte. Er war ein großer Naturfreund und Wanderer, von dem erzählt wurde, daß er seine Durchquerung unseres Vaterlandes nicht danach richtete, ob die Gegend besonders schön war oder nicht, sondern nur auf den Längen- und Breitengraden marschiert sei. Nun, trotz dieser Schrulle ein Prachtmensch und ein Freund der Jugend. Dann tritt noch ein anderer alter Schulmeister in meiner Erinnerung wieder hervor. der allerdings nicht mehr im Dienst war, aber doch seine frühere Zugehörigkeit zum Kolleg dadurch betonte, daß er regelmäßig zum Kegeln erschien. Dieser würdige Herr sah so aus, wie ich mir als Kind den Weihnachtsmann vorgestellt habe, und man nannte ihn Schett-Meyer, weil er die falschen Antworten der Schüler in seiner weit zurückliegenden Dienstzeit mit dem Urteil: ohlens Schett – alten Sch… quittiert

 

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haben soll. Von ihm ging das Gerücht, daß er die deutschen Aufätze nie korrigiert haben soll, und seine Schüler wenn sie ihn nach der Rückgabe fragten, gesagt haben soll mit den Worten ….. (Dialekt) „Mit euren Aufsätzen habe ich Pech gehabt, mein Dienstmädchen, das Biest, hatte sie in den Ofen geschmissen …. oder, sie sind mir in die Ihne (einen Fluß, der er auf dem Weg in seine Wohnung überqueren mußte) geweht. Er hat um das Jahr 1890 herum auch in der Schule oft „Platt“ gesprochen, und man sagte von ihm, daß er bei Behandlung der Nibelungensage sich auch nicht des Urtextes bedient, sondern die Werbung Siegfrieds bei Gunther um seine Schwester Kriemhild drastisch mit den Worten geschildert habe:  ….. (Dialekt). „Wenn Du mir das Mädchen nicht gibst, schlage ich Dir die Knochen im Leibe entzwei)“. Ich traue ihm

 

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diese Art der Verstellung voll zu. Es gab aber auch unter meinen ersten Kollegen eine Anzahl sehr tüchtiger Lehrer, die ich mir zum Vorbild nehmen konnte.

Insbesondere erwähne ich Prof. Brömer, der Hauptmathematiker und Chemiker, an den ich mich oft bei meinen Vorbereitungen für den Physikunterricht gerichtet habe, und dem ich manchen guten Rat und Anleitung verdanke. Ich nenne ferner Ballerstedt, der auch später der Deutsch- und Religionslehrer von unserem Sohn war und von ihm sehr verehrt wurde. Der am vielseitigsten Gebildete war entschieden Micha, der sowohl als Alt- als auch als Neuphilologe, daneben auch als Germanist an der Schule tonangebend und führend war. Micha ist noch am Leben und unterrichtet, nachdem er sein hiesiges Heim verloren hat – immer noch, wenngleich wohl jetzt nahezu 80 Jahre alt ist an einer Privatschule außerhalb. Ein richtiger Lehrer kann eben sein Handwerk nicht lassen. Als Lehrer für die Sextaner war Prof. Lehmann,

 

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der mich auch in meinem Verhalten zu meinen Schülern oft gut beraten hat. Mit diesen „älteren“ Herren stand ich durchweg auf gutem Fuße, natürlich war ich mit ihm nicht befreundet, dazu war der Altersunterschied doch zu groß. Erst im Laufe der Zeit fand ich im Kollegenkreise meine gleichaltrigen Freunde, und zuletzt stand ich mit einigen anderen als senior in Führung und konnte die jüngeren Lehrkräfte etwas betreuen, bis ich dann am 1. März 1945 in den wohlverdienten Ruhestand versetzt wurde. In Anerkennung meiner Dienste erhielt ich das Treudienstehrenzeichen  in Gold – ein Orden, der vom Nationalsozialismus geschaffen wurde. Ich habe ihn nur wenige Male bei feierlichen Anlässen tragen können, nach dem Umstieg hat er an Wert verloren, außerdem ist er mir von den amerikanischen Truppen, als von ihnen meine jetzige Wohnung belegt war, gestohlen worden. Wie vergänglich sind solche äußerliche Ehrungen.-

Ich bin glücklich, behaupten zu dürfen,

 

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daß ich mich ausnahmslos mit meinen Kollegen gut vertragen habe und auch bei meinen vorgesetzten Direktoren eine gute Nummer hatte. Nach dem Abgang meines ersten Direktors übernahm 1912 Dieter Münch die Leitung meiner Schule. Ein bekannter Schulreformer, mit dem ich bei seinen Plänen zur Umformung des Unterrichts nicht immer Schritt halten konnte. Mir ist übrigens nie recht klar geworden, welche Methode ich meinem Unterricht zu Grunde gelegt habe, es kam mir darauf an, wobei es auf den Weg, der zu diesem Zweck führte, nicht so sehr ankam. Unter Münch nahm unsere Anstalt einen großen Aufschwung und wurde zu einer „bedeutungsvollen“ Schule erklärt. Die Wesensart von  meinem zweiten Vorgesetzten habe ich nie recht erkennen können, er war stets freundlich – aber doch undurchsichtig.- Etwa um 1928 wurde Münch zum Leiter der hiesigen Pädagogischen

 

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Akademie ernannt und sein Nachfolger wurde          .  Ruhl hatte seine Wahl zum Direktor wohl in erster Linie dem Umstand zu verdanken, daß er politisch in der Volkspartei stark hervorgetreten war. Er war ein guter Organisator, ei angenehmer Vorgesetzter, der mich im besonderen so schalten und walten ließ, wie ich das für richtig hielt. Bei den gesellschaftlichen Zusammenkünften, auf die er großen Wert legte, durchaus kameradschaftlich, aber kein vorbildlicher Erzieher. Für die Belange der Jugend hatte er wohl nicht das richtige Verständnis, im Abitur war er oft hart und rücksichtslos. Ich darf mir einbilden, daß er mich als Lehrer und auch als Kollege geschätzt hat. In seinem Lebenswandel hat er wohl seinem Körper zu viel zugemutet, jedenfalls ist er völlig verbraucht und noch nicht 60 Jahre alt 1942 verstorben. Er war politisch sehr geschult und weltklug und hat die Katastrophe, die über Deutschland hereingebrochen ist, schon am Anfang des Krieges, als es noch viele Optimisten gab, vorausgeahnt und in unserem Kreise auch vorausgesagt.

 

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Wie die oberste Schulbehörde mich beurteilt hat, ist mir im einzelnen natürlich nicht bekannt. Allerdings haben sich die Schulräte beim Abitur über die Leistungen meiner Schüler – und damit auch über meine Verdienste – anerkennend geäußert, und soviel ich weiß, ist auch von Schüler- oder Elternseite nie eine Beschwerde beim Schulkolleg über mich eingegangen. Da ich ja nun angeblich nach Urteil meiner Kollegen und meiner Direktoren, nach Lob aus Elternkreise und dank vieler Schüler ein guter Lehrer gewesen sein soll, frage ich mich bisweilen, weshalb ich nicht zu höheren Würden aufgestiegen bin.. Darauf habe ich zu sagen: Einmal hatte ich dazu wenig Ehrgeiz, ich fühlte mich wohl in meinem Lehrerbetrieb und wusste nicht, ob ich den Aufgaben eines Oberstudienrates gewachsen sein würde. Ferner bin ich nie nach außen hin hervorgetreten, habe kaum Vorträge gehalten, keine Schriften veröffentlicht und insbes.

 

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Im Philologenverein mich nur selten sehen lassen.- Einmal habe ich außerdem Pech gehabt, als mein Direktor Münch meinem Physikunterricht beiwohnte, um , wie mir später klar geworden ist, festzustellen, ob er mich für einen Aufstieg in Vorschlag bringen konnte. In dieser Stunde mußte ich die Beugungserscheinung des Lichts zeigen. Ich hatte mich, wie übrigens meistens, am Tag vor auf diesen Versuch im Physikzimmer vorbereitet, insbes. die Beugungslampe, die dabei eine wesentliche Rolle spielte, genauestens eingestellt. Als sie aber am nächsten Tag eingeschaltet wurde, misslang mein Versuch, und trotzdem ich Angst schwitzend immer wieder herummanövrierte, um die gewollte Erscheinung zu erzielen, ich hatte keinen Erfolg. Ich merkte, daß mein Direktor missbilligend den Kopf schüttelte und ersichtlich enttäuscht war.- Hinterher stellte ich fest, daß die Bogenlampe nach meiner          von einem jüngeren Kollegen benutzt war, und daß dadurch meine Vorbereitung hinfällig geworden war. Ich war also völlig unschuldig, habe aber nicht versucht, meinen Direktor in diesem Sinne aufzuklären.

 

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Diesem Mißgeschick verdanke ich vielleicht, daß ich am Realgymnasium geblieben bin – ich sage bewusst „verdanke“. Selbst auf die Gefahr hin, in den Verdacht des Eigenlobes zu komme, möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen, daß der Schulrat Bösch mich nach einem erfolgreichen Abitur einmal gefragt hat: „Weshalb sind Sie nicht eigentlich Oberstudienrat geworden.“ Nun, ich weiß es auch nicht, und, wenn ich es in der Zeit nach 1933 geworden wäre, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich als „Nutznießer des nationalen Regimes abgebaut“ worden.

Man sieht, es hat alles sein Gutes. Ich bin aber doch in gewissem Sinne stolz, daß mir am Schluß meiner Carriere Oster 1993 (?) durch Leitung des mathematischen Seminars (zur Ausbildung der Studienreferenden) übertragen wurde. Diese, wenn auch  nur kurze Tätigkeit, denn im Herbst 1963 flog das Semester auf, -  hat ich sehr befriedigt. Noch stolzer bin ich aber in

 

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dem Gefühl, daß die meisten meiner Schüler mich in gutem Andenken haben.

Von diesen meinen Schülern will ich jetzt sprechen.

Ich habe oft darüber nachgedacht, wie groß wohl die Zeit derer sein mag, die im Laufe der 40 Jahre durch meine Hände gegangen sind und glaube, daß sie mit 1500 nicht zu hoch geschätzt ist. Einen Teil von ihnen habe ich nur kurz unterrichtet – auch nur in wenigen Wochenstunden, viele habe ich aber auch viele Jahre hintereinander betreut. Die erste Gruppe ist inzwischen wieder aus meinem Gesichtskreis entschwunden, die letzte dagegen haftet noch fest in meinem Gedächtnis. Oft tauchen sie wieder in meiner Erinnerung auf mit ihren Vorzügen und mit ihren Schwächen. Dabei besonders diejenigen, die ich durch das Abitur geführt habe und die, deren Klassenlehrer ich war. In den ersten Jahren wurde ich nur in der Unter- und Mittelstufe zugelassen, Sekunda und Prima war das Domi….

 

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der älteren Herren, Später stieg ich dann aber empor und etwa seit 1920 hatte ich meistens den Unterricht in Physik und Mathematik auf der Oberstufe zu erteilen und war Klassenlehrer in OII-OI, meistens 3 Jahre hintereinander. Im allgemeinen war es nicht Sitte, denselben Lehrer die gleichen Schüler eine längere Zeit hindurch als Ordinarius anzuvertrauen, und als ich einen Jahrgang schon über die Zeit hinaus zu Sexte-Untersekunda geführt hatte, wollte man ihn mir aus obigem Grunde fortnehmen. Als das in den Schülerkreisen bekannt wurde, reichten meine Untersekundaner durch ihre Eltern eine Petition an den Direktor ein, dahingehend, mich als Klassenlehrer bei ihnen zu belassen. Das war ja für mich natürlich eine große Ehrenrettung, der dann auch von Dir. Rühl stattgegeben wurde. Ich führte die Klasse bis zur Oberprima einschließlich weiter. Das war das letzte Friedensabitur 1939.

 

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Nach dem Examen, bei dem von25 Abiturienten 23 bestanden, luden meine Schüler mich und meine Gattin zu einer Abitour ein, die in 6 von den Schülern selbst gesteuerten Autos der betreffenden Familien auf meinen Wunsch nach meiner Heimatstadt Einbeck gestartet wurde. Dort wurde dann mein Geburtshaus besichtigt. Die sonstigen Sehenswürdigkeiten gezeigt und auf dem „Hasenjäger“ (siehe Jugendzeit) Kaffee getrunken. Dieser Tag wird in unvergesslicher Erinnerung bleiben.

 

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Ich glaube mir einbilden zu dürfen, daß ich unter meinen Schülern kaum Freunde gehabt habe. Gewiß standen ja viele von Ihnen mit der Mathematik auf Kriegsfuß und übertrugen die Antipathie auf mich als denjenigen, der sie damit quälen mußte. Aber ich nehme nicht an, daß sie mich deshalb gehasst, wenn auch vielleicht gefürchtet haben.

Dazu lag ja wohl auch kein Grund vor, denn ich habe sie, soviel ich weiß, wegen ihres „Nichtkönnens“ nicht drangsaliert, wenngleich ich das „Nichtwollen“ natürlich andererseits nicht dulden konnte. Zu ernsten Zusammenstößen mit den mir Anvertrauten ist es nicht gekommen, einige kleine Zwischenfälle will ich aber doch erwähnen. In meinen ersten Dienstjahren – als ich noch nicht festen Fuß gefasst hatte – versuchten natürlich auch einige kleine „Verbrecher“, mir das Leben sauer zu machen. In der  saß damals ein Schüler von Kaisemberg (der Sohn eines hohen Offiziers),

 

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der oft durch seine Frechheit meine Autorität zu untergraben versuchte. Ich befand mich in Notwehr – und nur durch diese Lage erkenne ich als Grund an, den Angreifer sofort nötigenfalls durch eine Ohrfeige in die Schranken zurückzuweisen, - und haute ihm eine runter. Darauf sagte mein Kontrahent: „Sie dürfen mich nicht schlagen, ich werde es meinem Vater sagen.“ Einen Moment war ich ratlos, dann aber hielt ich es für das Richtige, ihm noch eine Ohrfeige zu verabfolgen mit den Worten: damit sich deine Beschwerde lohnt, bekommst du noch eine.“ Er hat sich nicht bei seinem Vater über mich beklagt und von da ab war meine Stellung in dieser Quarta gesichert.

Etwa 1938 machte ich in der Oberprima in der Physik bei der Behandlung der elektrischen Wellen die Bemerkung: „Hierbei dürfen Sie sich den Hermann „Hertz“ merken, wenngleich er ein Jude war.“ Darauf erhob sich der Schüler Köcher und fragte: „Was wollen Sie damit sagen?“

 

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Es war mir bekannt,, daß wir Lehrer damals von der HJ in unserer Stellung zum Nationalsozialismus kontrolliert wurde, war aber mutig genug, diesem fanatischen Nationalsoz. zu antworten: „Ich wiederhole meine Bemerkung wörtlich und empfehle ihnen, sie zu Protokoll zu nehmen, im Übrigen möchte ich sie bitten, die Klasse zu verlassen.“- Er hat sich nachher bei mir entschuldigt. Es war damals ein gefährlicher Boden, und ein Führer der HJ durfte es wagen, in der Aula vor versammelter Schülerschaft die Schüler vor uns Lehrern, denen der „Kalk aus der Hose rieselt“, zu warnen, ohne daß unser sonst mutiger Direktor  den Mut gehabt hätte, die Jüngling hinauszuwerfen. Es ist dann aber von Elternseite aus eine Beschwerde gegen diesen Hetzer eingereicht, und er wurde daraufhin seines Postens enthoben.-

Ich habe immer den Eindruck gewonnen, daß unsere Schüler oft nicht zu lenken waren, wenn man sie gerecht behandelte.

 

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Mein Bestreben war dann auch, in dieser Hinsicht mir keine Verfehlung zu schulden kommen zu lassen. Aus diesem Grunde führte ich auch bei der Beurteilung der Klassenarbeiten das Punktsystem ein, das gestatte, jede Leistung wirklich gerecht zu bewerten. Es kam nicht so sehr darauf an, ob die Arbeiten rechnerisch richtig oder falsch waren, sondern das gezeigte mathem. Verständnis war für die Zensur maßgebend. So konnten die Schüler aus der Zahl der ermittelten Punkte mein Urteil genau nachprüfen. Glaubten sie, daß sie für eine Teilleistung nicht genügend „Punkte“ erhalten hatten, konnten sie dann weiterhin ein Schiedsgericht anrufen. In ihm waren der Führer der Klasse, je ein Vertreter des Schülers und ein von mir bestimmter Richter;- das ich mich bei der sonstigen Beurteilung der Schüler, insbes. bei meiner Stellungnahme zu eventuellen Entgleisungen bemüht habe, gerecht zu sein, darf ich noch erwähnen:  Gerechtigkeit ist die Genugtuung des Lehrers.

 

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Eine weitere Gefahr, das Verhältnis zu den Schülern zu trüben und sie zu verbittern sehe ich darin, daß oft zu hohe Anforderungen gestellt werden, ohne daß man die Schüler genügend vorbereitet hat, um sie erfüllen zu können. Wenn bei einer Klassenarbeit beispielsweise 70% unter genügend ausfüllen, dann stimmt etwas nicht, und der Lehrer trägt dabei die Schuld und muß daraus die Folgerungen ziehen. Ich habe deshalb immer bei den Arbeiten die Durchschnittszensur errechnet, und, wenn sie unter 0,2 lag, die Arbeit als ungültig kassiert und nach nochmaliger Durchnahme des Stoffes wiederholt. Auf diese Weise glaubte ich zu erreichen, daß die Schüler nicht mutlos wurden, und ein wahres Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und mir entstand.-

Wenn es auch mein Bestreben war, mich der mir anvertrauten Jugend als älterer Kamerad zu erweisen, habe ich doch darauf Wert gelegt, daß das Vertrauensverhältnis nicht zu intim wurde. Ich hatte einen Kollegen, der sich von seinen

 

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Schülern mit du-sagen mit seinem Vornamen anreden ließ,-  kein Verständnis gehabt. Der Respekt muß bleiben, aber er darf nicht in Angst ausarten, wie das in meiner Jugend der Fall war. Zur Belebung meines Unterrichts – bei dem ja infolge des trockenen Stoffes die Gefahr der langen Weile entstand – habe ich ihn oft unterbrochen durch kleine humoristische Einlagen „Schwänken“ aus meinem Leben und auch „mathematischen Scherzen“. Dafür waren die Schüler sehr empfänglich. Die dabei verlorene Zeit wurde durch eine darauf freudige

       arbeit mehr als aufgeholt. Ich habe meine Jungen teilnehmen lassen an meinem Familiengeschehen, mich überhaupt ihnen gegenüber als Mensch, der auch seine Fehler macht, gezeigt und nicht als unfehlbarer Herrgott. Dazu bot sich ja oft Gelegenheit bei unserem Landheimaufenthalt. Dieses Landheim ist etwa um 1926 herum von unserer Schule in der Nähe von Springe am Rande des Deisters erbaut.

 

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In ihm verbrachten die Klassen mit ihrem Ordinarius jährlich 10-14 Tage, die durch Wanderungen, Sport aber auch durch Unterricht besonders den Umständen angepasstem Ort ausgefüllt wurden. Für die oberen Klassen stand der Winter zur Verfügung, und so habe ich dann meistens im November das Leben im Landheim genießen können. Damit fiel ja manches Schöne fort, was dort im Sommer geboten wurde und die Tage dort waren für den Lehrer wahrlich keine Erholungszeit. Nebel, unpassierbare Wege, dauernder Lärm, unruhige Nächte bildeten fast das Charakteristikum. Aber ich kam meinen Schülern näher, lernte sie sozusagen außerhalb der Schule kennen und konnte sie damit auch bei den von mir beim Abitur geforderten Charakterbildern besser und gerechter beurteilen. Man wurde im Landheim gut verpflegt, es gab auch Alkoholika zur Einschläferung des Nachts, und ich konnte ohne Kontrolle seitens meiner Gattin meinem Laster, dem Rauchen, huldigen,

 

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und das hatte ja auch seine Vorteile. So denke ich dann auch an die diversen Landheimwochen zurück; seit 1939 kann das Landheim von unserer Schule nicht mehr benutzt werden, das ist bedauerlich und insbesondere für unseren Landheimwart, meinem Kollegen Basche – der aber jetzt auch im Ruhestand lebt – eine große Enttäuschung.

An den Sonntagen und besonderen Besuchstagen erschienen die Eltern der Schüler in großer Zahl in Springe – auch meine Gattin leistete mir dann oft Gesellschaft und tröstete mich in  meiner Einsamkeit. Dadurch lernte ich sie auch einmal außerhalb der Sprechstunden kennen, und es entstanden manche freundschaftliche Beziehungen, auf die ich großen Wert gelegt habe. Noch heute bestehen diese Bindungen mit den Elternhäusern, wenngleich dies infolge der Zeitverhältnisse nicht mehr so stark nach außen hin in Erscheinung tritt wie früher. Ich bin der Ansicht, daß man den Schülern nur darum völlig gerecht werden kann, wenn man auch über ihre häuslichen Verhältnisse einigermaßen orientiert ist, habe deshalb die Elternbesuche in meiner Sprechstunde

 

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eventuell auch in meiner Wohnung nicht als Belästigung empfunden, im Gegenteil dazu aufgefordert. Ich wollte nicht nur die Eltern kennenlernen, sondern schwachen Schülern oder denen, die etwas „verbrochen“ hatten, sondern auch die von den guten, die keinen direkten Grund hatten, mit mir Fühlung zu nehmen. Von meinen Sprechstundenerlebnissen könnte ich viel erzählen, von Müttern, die glaubten, am Leben verzagen zu müssen, weil ihre Sprösslinge nicht versetzt werden konnten, von fluchenden Vätern -  die ich aber meistens besänftigt habe, und weiblichen Anwälten ihrer Kinder, die glaubten, durch allerlei Zaubermittel mich milder stimmen zu können. Es kam häufig vor, daß junge Sextanermütter mir gegenüber ihre Reize spielen ließen, durch vielsagendem Augenaufschlag, betörende Düfte und ein kokettes Raffen ihrer Gewandung versuchten, meine Sinne zu umnebeln. Eine kleine Aussprache möchte ich aber dennoch festhalten, die charakteristisch ist für die Einschätzung Söhne durch ihre Mütter.

 

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Es erschien Frau Putowski und teilte mir mit, daß sie ihren Sohn Siegfried von uns abmelden und auf ein Gymnasium schicken wollte. Als ich sie nach ihrem Grund für den geplanten Schulwechsel fragte – ihr Siegfried war Quartaner – erzählte sie, daß auf einer Geburtstagsfeier ihres Sohnes die eingeladenen Festgäste „Trauung“ gespielt hätten, wobei ihrem Sohn die Rolle des Pastors zugefallen wäre. Dabei hätte er derartige Qualitäten gezeigt, daß sie ihn für einen Pfarrer als geeignet halte, und daß er somit einmal Theologie studieren solle. Daher der Übergang auf das Gymnasium. „Es liegt ein tiefer Sinn im Kind`schen Spiele.“ Ob Siegfried ein guter Seelsorger geworden ist, und ob sich seine als Quartaner gezeigten Fähigkeiten im Leben als ausreichend bewiesen haben, ist mir nicht bekannt.

Daß die Eltern ihre Wünsche und Bitten durch allerlei Mitbringsel – Alkohol, Cigarren, im ersten Weltkrieg auch durch Fettigkeiten zu unterstützen suchten, war schon früher eine Zeiterscheinung – gegenwärtig wird dies wohl

 

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bei der allgemeine Korruption noch mehr der Fall sein. Ich darf zu meinem Lobe sagen, daß ich dadurch nicht schwach geworden bin und derartige Freundlichkeiten dankend abgelehnt habe, was ja aber selbstverständlich ist. Nur bei meinem Geburtstage durften mir meine Schüler einen von der Klasse gemeinsam gestifteten Blumenstrauß überreichen, darin sah ich nicht den Versuch einer Bestechung, vielmehr einen Beweis ihrer freundschaftlichen Gesinnung.

Mein Bestreben, mit den Eltern gut auszukommen, gilt in entsprechender Weise auch für meine dienstlichen Beziehungen zu meinen Kollegen. Da ich in Zusammenstößen zwischen Lehrern und meinen Schülern nicht ohne Weiteres den Schüler für schuldig hielt, mich vielmehr als dessen Anwalt fühlte, und auch Entgleisungen oder Irrtümer der Lehrer für möglich hielt, bestand ja die Gefahr zu Konflikten, die ich aber im allgemeinen durch geschicktes Manövrieren vermieden habe. Nur einmal wäre es fast

 

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zum Krach zwischen mir als Klassenlehrer der OI  und der in ihr unterrichtenden Kollegen gekommen und zwar aus folgendem Anlaß. Man hatte den Musikunterricht in dieser Klasse einem jüngeren Referenden übertragen, der als Lehrer absolut ungeeignet war und sich in der Art wie er die Schüler behandelte, dauernd grobe Missgriffe zuschulden kommen ließ. Dabei hatte er nicht die geringste Disziplin, die Schüler, auch die sich sonst musterhaft betrugen, - tanzten ihm auf der Nase herum. Das führte schließlich dahin, daß meine Musterknaben ihn kurzerhand in den Musterschrank eingesperrt hatten. Die Folge war eine Klassenkonferenz, die, - allerdings nur mit geringer Majorität, beschloß – alle Schüler, die kurz vor dem Abitur standen, von der feierlichen Entlassung nach derselben zur Strafe für diesen Akt der Selbsthilfe auszuschließen. Diesen Schimpf konnte ich auf meinen Schülern nicht sitzen lassen, stellte mich daher in Widerspruch zu meinen Kollegen und plädierte bei Schulrat auf Freisprechung mit dem Hinweis, daß nicht

 

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meine Schüler schuldig seien, sondern der Lehrer, der trotz seines besten Mannesalters nicht imstande war, mit ihnen fertig zu werden. Ich hatte Erfolg und dem jungen Kollegen wurde dringend geraten, sich nach einem anderen Beruf umzusehen. Was wäre aus diesem „Karzer“ für eine traurige Lehrerfigur geworden; ich glaube, ich habe ihm für sein späteres Leben manches Martyrium erspart. Jedenfalls habe ich die Ehre meiner OI – es war der Jahrgang 1939 – gerettet.

Doch das war, wie ich schon sagte, auch der einzige ernste Konflikt. Manche meiner Kollegen hielten mich für zu milde, da ich meine Schüler ohne Strafen zu erziehen suchte und kein Freund von rigorosen Maßnahmen war, aber auch mit diesen anders gearteten Pädagogen habe ich mich im allgemeinen verständigt. Der Erfolg meiner Erziehungsmethode war jedenfalls der, daß die von mir geleiteten Klassen in ihrer Gesamthaltung nicht zu den schlechtesten gehörten.

Soviel von meinen persönlichen Erlebnissen und Unterrichtserfahrungen.

 

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Allgemeines Schulgeschehen

                    vom Standpunkt des Weihnachtsmannes  gesehen

 

In dem folgenden Abschnitt will ich von dem allgemeinen Schulgeschehen sprechen, das ja besonders nach 1933 abwechslungsreich genug war.

Bis dahin war das schulische Leben im allgemeinen in denselben Bahnen verlaufen. Als wesentliche Neuerung wurde etwa 1920 der Arbeitsunterricht

eingeführt. Dabei ist der Grundgedanke, daß der Lehrstoff und die Wissenschaft dem Schüler nicht fertig vorgetragen werden sollten, sondern von ihm erarbeitet werden muß. Der Lehrer soll – kurz gesagt – weniger reden, und der Schüler mehr aktiv sein. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die in meinem Unterricht auch schon vorher gültig war.- Wie ich diese angebliche Neuerung beurteilt und welche Folgen ich aus ihr gezogen habe, ist wohl am besten erkennbar an der Art, wie ich in meiner Eigenschaft als Weihnachtsmann des Kollegs darauf reagiert habe. Diesem Amt und was damit zusammenhängt, werde ich nachher noch ein besonderes Kapitel widmen, muß aber schon an dieser Stelle des besseren Verständnisses halber

 

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erklären, daß es meine Aufgabe war, einmal die Kollegen in ihren kleinen Schwächen anzuöden, zum anderen aber auch das Weltgeschehen, soweit es die Schule betraf, zu glossieren.

Nach dieser Erläuterung wird nun das „Gedicht“ über den Arbeitsunterricht, das ich meinem Direktor Münch gewidmet habe, verständlich sein: - ich überreichte ihm dabei 2 Hampelmänner 1928.

 

                    In dem Arbeitsunterricht,

                    gilst Du als mein großes Licht,

                    zu uns kamen Deinetwegen,

                    viele der Provinzkollegen

                    um zu lernen die Methode,

                    die bei uns jetzt oft in Mode.

 

                    Vorher heißt es exerzieren,

                    um die Sache zu probieren,

                    damit, wenn man die Frage stellt,

                    sofort die richtige Antwort fällt.

                    Ich schenke Dir heute diese Knaben,

                    an ihnen wirst Du Freude haben;

                    und merke Dir die Sache so:

                    hier der sagt „yes“ und der sagt „no“.

 

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Das war also der Arbeitsunterricht, so wie ich ihn gesehen habe.

Schon seit altersher war es ja Sitte, daß im Laufe des Jahres mehrere Wandertage eingelegt wurden, an denen die Lehrer mit ihrer Klasse kleine bis auf bisweilen weite Touren oder Reisen unternahmen, einmal um mit ihren Schutzbefohlenen außerhalb der Schule zusammen zu sein, dann aber auch, um auf diesen Ausflügen andere Gegenden kennen zu lernen und das allgemeine Wissen zu erweitern. Dabei wurden diese Exkursionen im allgemeinen ohne vorherige große Planung – ohne besonderes Ziel – ohne Genehmigung des Direktors für die Art der Ausführung angesetzt.

Das sollte nun anders werden. Laut einer Verfügung des Schulkollegiums mußten diese Wanderfahrten vorher genauestens projektiert und vor allem hinsichtlich des Unterrichtsziel`s festgelegt werden.

Meine Stellung zu dieser Neuerung geht aus dem „Gedicht“ hervor, das ich dem Turnlehrer Hadenberger gewidmet habe unter Überreichung einer Topfblume.

 

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Bemerkung:

Langenhagen ist ein Dorf 1930 bei Hannover, in dessen Nähe

das Heidekraut zu finden ist.

 

                    Die Schule sollte legen an,

                    sich einen Musterwanderplan,

                    durch den man sich schnell orientiert,

                    wohin man seine Schüler führt.

                    Der hat den Wanderplan gedichtet,

                    und uns zu großem Dank verpflichtet.

 

                    Man sieht aus ihm die Kilometer,

                    man weiß nun auch, ob früh ob später,

                    geht’s mit den Jungen auf die Reise,

                    ringsum, der Plan ist ganz famos,

                    und wir sind manche Sorge los.

                    Doch eins dabei nicht gefiel,

                    es fehlt bisweilen noch das Ziel

                    des Unterrichts, daß doch sehr wichtig,

                    sonst ist die Wanderung nichtig.

                    Damit der Plan das Ziel auch hat,

                    helf ich Dir heut mit meinem Rat.

 

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                    Geht man im Mai nach Langenhagen,

                    so in den ersten Frühlingstagen,

                    dann ist das Ziel vom Unterricht:

                    „Die Heide blüht im Mai noch nicht.“

                    Wenn  man im Juni dann muß wandern,

                    zum Heidehof und zwar zum andern,

                    dann heißt dabei das Unterrichtsziel,

                    „Man sieht von Heide noch nicht viel“.

 

                    Doch wenn man im August raus zieht,

                    dann heißt das Ziel: „Die Heide blüht“.

                      Vier Wochen drauf ist`s ebenso:

                    „Die Heide blüht noch irgendwo.“

 

                    Auch für Oktober ist`s nicht schwer,

                    das Ziel: „Die Heide blüht nicht mehr.“

 

                    Man sieht, die Sache ist nicht schwierig,

                    doch nun bist Du bestimmt begierig,

                    womit dann wohl der Weihnachtsmann

                     zum Danke Dich erfreuen kann?

 

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                    Du kriegst zur steten Augenweide,

                    den Blumentopf, gefüllt mit Heide.

                    Doch Heide konnt ich  nicht erwischen,

                    nimm Alpenveilchen nun inzwischen.

                    Soviel vom Wandertag in dem neuen Gewande.

 

Der Sieg des Nationalsozialismus hatte 1933 eine ganze Reihe einschneidender Änderungen für unsere Schule zur Folge.

Der Name „Realgymnasium“ wurde umgewandelt in „Tellkampfschule (?) (Tellkampf hatte vor etwa 8o Jahren die Schule geleitet und war ein bedeutender Schulmann geworden). Die Klassenmützen wurden abgeschafft, die Jungen trugen nunmehr ihre Kappen oder Hüte. Bisher hieß die unterste Klasse Sexta Klasse 1 und Prima Klasse 8. Die Zahl der Tage, an denen der Unterricht ausgesetzt wurde, wurden immer größer und infolge dieser Störungen war es kaum

 

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noch möglich, das vorgeschriebene Pensum zu erledigen. Wie ich darüber dachte, geht aus  meinem Auftrittsgedicht Weihn.1933 hervor. In meinem Auftritt als Weihnachtsmann pflegte ich, bevor ich die Geschenke verteilte, von meinem eigenen Ergehen zu berichten, wobei ich dann das schulische Geschehen übertrug auf mein Erleben, dabei erschienen also die Schüler in der Verkleidung als meine Zwerge.

Ich will deshalb erzählen von meinen Zauberlingen.

.

                    Sehr große Sorge machen mir die Zwerge.

                    Die Zwerge müssen doch für mich jetzt fertig machen,

                    für all die Kinder – ihre Weihnachtssachen.

                    Ich bin in großer Sorge, ob die Arbeit fertig sei,

                    die Zwerge sagen täglich, es sei arbeitsfrei.

 

                    Am Montag müssen sie in der SA marschieren,

                    am Dienstag sollen sie exerzieren,

                    am Mittwoch machen sie `nen Krieg in der Nacht,

                    und das Üben müde macht,

                    ist auch der Donnerstag verloren,

                    der Freitag ist dagegen auserkoren,

 

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                    zu einem großen Kinderfest,

                    am Sonnabend, am Wochenrest

                    sie dann beim Fußballspielen schwitzen,

                    und ich bleib dann mit meiner Arbeit sitzen.

 

Das war meine Ansicht über die vielen freien Tage nicht nur als Weihnachtsmann, sondern auch als Lehrer.

 

Der Beginn der Beginn des Schuljahres wurde von Ostern auf August verlegt und es gab eine neue Ferienordnung. Als geniale Erfindung von dem Kulturminister Karst wurde der rollende Stundenplan eingeführt, der allerdings nur von kurzer Dauer war.

Dieser rollende Stundenplan wirkte sich auch 1935 auf mich als Weihnachtsmann in folgender Form aus:

 

                    Erst kürzlich haben sie vorgeschlagen,

                    `ne Bindung in den Arbeitstagen,

                    und meint er, daß ein Rollsystem

                    sich würd` erweisen als bequem.

 

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                    Bisher hat jeder Tag `ne ganz besondere Pflicht,

                    das gibt es nun in Zukunft nicht.

                    Damit ein Beispiel werde aufgeführt:

 

                    Der Montag war stets reserviert

                    fürs Backen, nun hat man daran gedacht,

                    daß in der nächsten Woche

                    das am Dienstag wird gemacht.

                    Am Dienstag wurde stets lackiert,

                    das wird das nächste Mal am Mittwoch ausgeführt,

                    die nächste Woche dann am Donnerstage,

                    bis dann der Freitag kommt dafür in Frage.

 

                    Ich muß gestehen, ich hab das nicht erfasst,

                    für mich das Rollsystem nicht passt.

                    Das geht in meinem Gehirn nicht mehr hinein,

                    die Folge davon würde sein,

                    daß ich zu Pfingsten dann im Mai,

                    ich glaube, daß Weihnachten sei,

                    weil ja die Zeit inzwischen rollte,

                    ich das nicht mehr kapieren wollte.

 

Soviel von dem rollenden Stundenplan, er war doch mal etwas Neues.

 

 

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Einschneidender in unseren Lehrbetrieb war dann die Verfügung, daß die Schüler von OII  ab entsprechend ihren Anlagen und Neigungen sich entscheiden konnten, ob sie von da ab dem Neusprachlichen – oder den Mathematisch Naturwissenschaftlichen Zweig besuchen wollten. Es wurde gegabelt, wie man diese Teilung nannte; ich muß gestehen, daß ich diese Neuerung sehr begrüßt habe. Man gab mit ihr den Schülern die Möglichkeit, entsprechend ihrem in Aussicht genommenen Beruf den geeigneten Weg der Vorbildung zu wählen, und wir Lehrer würden damit manchen für unser Fach nicht geeigneten Schüler los dadurch, daß er sich für die andere Seite entschied. Es gab allerdings Schüler, denen die Wahl schwer wurde, weil sie in allen Fächern gute Leistung und Interesse zeigten, und andererseits solche, die infolge ihrer allgemeinen Unbegabtheit in keinem der beiden Zweige Erfolg hatten.

Über dieses Gabelungsverfahren sagte der Weihnachtsmann 1937 folgendes:

 

                    Die Zwerge wollen nicht mehr jede Arbeit machen,

                    früher halfen alle mit bei den Schulsachen,

                    doch heute will der eine Kuchen backen,

                    andere will sie nur verjacken

                    der eine chaßt nur für die Tischlein,

                    der andere nur ein Maler sein.

 

                    Kurzum, ein jeder wählt sich seine Suppe,

                    und alles andere ist ihm schnuppe.

 

In der Beurteilung der Schüler trat eine Veränderung ein, die vom PIK verfügt wurde, daß in Zukunft für Leistungen, Fleiß, Aufmerksamkeit nicht mehr wie bislang Zensuren verteilt werden sollten, sondern daß man über die Haltung der Schüler sich nur ganz allgemein äußern sollte. Diese Anordnung konnte ich nur begrüßen, denn eine gerechte Beurteilung der sittlichen Haltung und des häuslichen Fleißes halte ich für sehr schwierig. Diesen Gewissensbedenken konnte man aus dem Wege gehen, in dem man sich beschränkte, mit ganz unverbindlichen Redensarten die Schüler zu charakterisieren. Schwierig war es

 

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allerdings, dabei immer andere Worte zu finden, um zu vermeiden, daß alle Urteile gleich lauteten. Für diese neue Art der Beurteilung gab ich als Weihnachtsmann folgendes Muster:

 

                    Ein solcher Standpunkt bringt mich in Verlegenheit,

                     ich muß jedoch von Zeit zu Zeit,

                    den Zwergen die Bescheinigung geben,

                    daß sie auch zeigen geistiges Streben.

                    Es kommt hinzu, man muß das Urteil richtig fassen,

                    wobei es sich nicht wird vermeiden lassen,

                    daß sich die Sätze zu sehr gleichen.

                    Gut ist es aber, in den Worten abzuweichen.

                    Daher muß ich bei diesem Urteil, das zu füllen,

                    die Ausdrucksweise stets umstellen.

                    Wie man das dabei macht,

                    das habe ich mir so gedacht:

 

                    Ich nehme an, daß ein Zwerg sei,

                    nicht schlau und auch wohl faul dabei,

                    beim ersten Satz dann natürlich genau,

                    „Er ist zu faul und auch nicht schlau.“

 

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                    Beim zweiten denkt man etwas um,

                    „Er ist nicht fleißig und auch dumm.“

                    Beim dritten schreibt man dann vielleicht,

                    daß er faul und dumm sich erweist.“

 

                    Man sieht, es sind stets andere Worte,

                    und doch sind alle Zwerge von der gleichen Sorte.

 

Außerdem wurde verfügt, daß bei der Beurteilung des Charakters der Schüler und des weiteren auch ihrer Eignung für de erwählten Beruf ihr Verhalten bei den Leibesübungen und beim Sport stark zu berücksichtigen sei, und daß damit das Urteil des Turnlehrers sehr wesentlich sei.

Aus diesem Grund hieß es in meinem „Gedicht“ für den Turnlehrer – der schon bei den Wandertagen der Leidtragende war -  am Schluß so: (als Geschenk erhielt er eine Turnhalle):

 

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                    Man findt in jedem Kriege,

                    besondere Charakterzüge,

                    auch wird ja der Beruf, in dem der Schüler steckt,

                    beim Turnen einwandfrei entdeckt.

                    Es galt deshalb, bei dieser Halle nicht zu sparen,

                    besonders kann beim Laufen man erfahren,

                    wozu der Schüler passt im späteren Leben,

                    dafür will ich ein Beispiel geben:

 

                    Läuft jemand seine 100 Runden,

                    zu 13,2 Sekunden,

                    die Zeit ist wahrlich gar nicht lang,

                    dann passt er zum Kassierer von `ner Bank.

                    Denn falls er auskratzt, ist es wichtig,

                    daß er im Laufen dann ist tüchtig.

 

                    Doch wir die Runde langsam gemacht,

                    vielleicht nur 13,8

                    dann steht als Ingenieur er seinen Mann,

                    falls er auch denken, nicht nur laufen kann.

 

                    Doch wenn die Zeit noch länger sei –

                    und erst bei 15,3

 

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                    die Einzelrunde wird gezogen,

                    dann passt der Schüler gut zum Philologen.

                    Bei dem Beruf gibt`s nichts zu              ,

                    da kann er ruhig die Zeit                 .

 

Das war also meine Stellungnahme zu der angeordneten Beurteilung der Schüler durch ihren Turnlehrer.-

Jedoch die Wichtigkeit der Leibesübungen wurde dann noch mehr hervorgehoben, durch den Erlaß, daß die sportliche Betätigung in Zukunft nicht mehr in einer Zensur zusammenfassend beurteilt werden solle, sondern daß die einzelnen Teilgebiete Turnen, Sport, Schwimmen etc. einzeln zu bewerten sei.

 

Auf Grund dieser Verfügung mußte  mein Kollege Hastenberger bei der nächstjährigen Weihnachtsfeier wiederum folgenden Rat von mir über sich ergehen lassen:

 

                    Als man den Unterricht hat umformiert,

                    da hat der Sport vor allem profitiert.

 

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                    Halt nur die Stundenzahl ist stark vermehrt,

                    jetzt wird in ihm auf vielerlei gelehrt,

                    und alles das, was dort wird aufgeführt,

                    das wird auch einzeln jetzt zensiert.

 

                    Früher wurde eine Nummer festgelegt,

                    wie man`s auch sonst zu tuen pflegt,

                    doch jetzt sind 5 stattdessen zu verfassen:

                    wie sich der Schüler am Gerät benimmt,

                    und wie er boxt und wie er schwimmt,

                    aber in Leichtathletik auf der Höhe sei

                    und ob er tüchtig in der Wanderei,

                    das alles man jetzt zu entscheiden hat,

                    ich helfe dir deshalb mit meinem Rat.

 

                    Du darfst dich mit 5 Nummern nicht begnügen,

                    die Schüler müssen mehr Zensuren kriegen.

                    Ein Blatt ein Zeugnis wird für Turnen 5 reserviert

                    und dann wird einzeln ausgeführt:

 

                    Im Bocksprung kriegt der Schüler eine 2,

                    am Reck dagegen reicht`s nur zu `ner 3,

                    das Linksummachen zeigt ein gutes Können,

 

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                    dagegen „Rechtsum“ ist nur 5 zu nennen.

 

                    Auf diese Weise sieht man klar,

                    ob es ein guter Turner war.

                    Jedoch das Urteil für die Wissenschaft,

                    das wird in eine Zahl zusammengerafft.

                    Und man schreibt irgendeine Zahl –

                    denn die Zensur ist doch egal.

 

Soviel über die          tragung des Turnunterrichts; nebst ihm wurde ja auch die Biologie, Rassenkunde, Erbgesetz stark in den Vordergrund gedrängt. Meine Auffassung über die Rassenkunde geht aus einem Gedicht hervor, daß meinem Kollegen Engelmann unter einer Puppe gewidmet war.

 

                    Du bist ein hochgeehrter Mann,

                    den eine Gabe nur erfreuen kann,

                    sofern er kann benutzen diese,

                    für seine Büroanalyse.

                    Das galt wohl in den frühen Jahren,

                    doch jetzt ist anders zu verfahren,

                    wenn weiter du willst konkurrieren,

                    dann musst `nen                 vollführen.

 

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                    Nur der gilt geehrt in heut`ger Stunde,

                    der was versteht von Rassenkunde.

                    Der Rasseforscher, der ist wichtig,

                    die Seele, die ist nicht mehr wichtig.

 

                    Aus diesem Grunde ich erfasse,

                    für dich -, daß du studierst die Rasse.

 

                    Hier zunächst dieses schöne junge Mädel.

                    Zunächst betrachte mal den Schädel,

                    und stelle fest dann auch dabei,

                    ob dieser Typ auch nordisch sei.

                    Dann untersuche Aug`und Ohr,

                    das letzte kommt mir spanisch vor.

                    Wenn man betrachtet dann die untere Partie –

                    im allgemeinen sieht man leider sie ja nicht -,

                    weil sie ist meist verhüllt –

                    bei dieser dann wird der Wissensdurst gestillt,

                    dann möchte man auf fälisch schließen.

                    Den Anblick der Pedale kannst du auch genießen,

                    ich möchte diese für dunarisch (?) halten

                    mit einem Einschlag nach dem Stamm der Balten.

                    Du siehst - -die                lehrt dich allerlei

                    darüber, wie die Rasse sei.

 

 

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Doch stelle fest, beachte meinen Rat,

ob diese Jungfrau Rasse hat.

Denn alle Rasse wenig nützt,

sofern man Rasse nicht besitzt.

 

Wie ich über die übersteigerte Beteuerung der Mendel`schen Erbgesetze, wie sie bei dem  Kollegen Luking besonders in der Reifeprüfung zu erkennen war, dachte oder besser, denke, mag man aus dem ihn in Verbindung mit einem „Kugelkasten“ – wie sie die Kinder zum Spielen benutzen – überreichtem Gedicht entnehmen:

 

Du bist als Geologe jetzt der großen Mann,

 und in dem Abitur kommst du am meisten dran,

du hast den Schülern sehr viel beigebogen,

die Prüfung war entschieden richtig aufgezogen.

 

Die Regeln, die nicht Mendel hat erdacht,

hast du den Schülern beigebracht -

und deine Schüler mußten wissen,

wie die Zahl sich kann verbinden müssen.

Was resultiert, sofern 2 Elemente sich vereinen?

Wie kommt es, daß die einen blond erscheinen?

 

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Vielleicht ist bei der einen das Auge blau?

Weshalb ist mancher doof und mancher schlau?

Weshalb ist jener krank und der gesund?

Weshalb ist einer mager, einer rund?

Weshalb ist mancher farbenblind?

Weshalb vermißt in mancher Ehe man ein Kind?

 

Das alles hast du treu gelehrt

und manches Rätsel aufgeklärt.

Gibt`s nun noch irgendwas zu enthüllen,

ist meine Frage noch zu stillen,

dann greif zu diesem Kugelkasten,

du bist mir dankbar, wenn du hast `nen.

Nun suche diese Kugeln zu gruppieren,

laß sie in Reihen aufmarschieren,

hinein 2 von dort und 3 von diesen hier,

beziehungsweise 1 und 4,

auch 5 von rot und 2 von dieser Gruppe,

vielleicht auch 3 – das ist ganz schnuppe;

kurzum, du brauchst um zu „mandeln“  )?)

diese Schar

und das Geheimnis der Natur wird klar.

 

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Am Schluß dieses Kapitels über das Geschehen, will ich noch ein Gedicht festhalten, daß mein Kollege          zusammen mit einer Flasche Likör erhielt, nachdem er in einer Konferenz uns ausführlich darüber informiert hatte, wie man der Forderung unserer vorgesetzten Behörde – den Gedanken:

Blut und Boden – mehr als bisher im Unterricht zu pflegen – Rechnung tragen zu können.

 

Sehr schwierig – ohne Zweifel – ist die Frage,

wie man verbringt im Landheim seine Tage.

Du gabs`t uns in der Konferenz den Bericht

wie dort verlaufen muß der Unterricht.

Wenngleich schon recht ausführlich war dein Plan,

man ihn doch noch ergänzen kann.

Und was dem noch hinzuzufügen wäre,

das geb ich dir in dieser Lehre.

 

Streift man mit seinen Schülern durch die Wälder,

besichtigt man mit ihnen mal die Felder,

dann ist es gut, wenn man die Schüler unterweist,

darüber, wie der Bauer heißt,

dem dieses oder jenes Land gehört.

 

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Auch ist es nötig, daß man sie belehrt,

wie alt der Bauer und seine Frau,

die Zahl der Kinder nennt man auch genau,

ob Heinrich heißt der Sohn – ob Fritze –

das alles ist dem Schüler nütze.

Hierdurch wird mit Blut und Boden er verbunden,

und außerdem vergehen dabei die Stunden.

 

Dann muß man auch zum Friedhof gehen,

die Form des Grabsteins ist zu besehen.

Vielfach man dann dabei erblickt,

daß solch ein Grabstein ist mit einem Bild geschmückt.

Bei diesem Bild muß man auf die Kleidung achten,

studieren muß man jene Trachten

der Menschen, die vor 100 Jahren

Bewohner vom Kreis Springe waren.

 

Das ist sehr wichtig – und vor allen Dingen –

muß man den Schüler dazu bringen,

bei welchem Schneider mancher Landesmann,

der vielleicht                 hieß,

den Sonntagsanzug machen ließ.

 

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Wenn es sich handelt um eine Frau, mit Namen Rieke,

dann ist es nötig, daß man ganz genau bekieke,

das Bild auf ihrem Monument,

nicht nur, damit man ihre Kleider kennt.

Vielmehr der Schüler auch sofort dann folgern muß,

von welcher Farbe war das Dessous,

man kennt bekanntlich nie genug.

Nur dadurch wird mit Blut und Boden man verbunden,

und außerdem vergehen dabei die Stunden. –

 

Ich möchte glauben, daß aus der Angabe dieser verschiedenen Neuerungen in der Zeit von 1933-39 zur Genüge hervorgeht, daß im Unterrichts- und Schulbetrieb von Ruhe nicht die Rede sein konnte. Man kann nicht behaupten, daß diese Jahre langweilig waren, aber ebenso wenig, daß diese Inkonstantheit sich für den Erfolg günstig ausgewirkt hat. Daß neben diesen Umstellungen auch wir Lehrer uns nach den Wünschen des Hitler-Regimes mehr oder weniger richten mußten – von mir kann ich behaupten, „wenige“ -

 

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liegt ja auf der Hand. der erzwungene Beitritt zum NS-Lehrerbund mit seinen Pflichtversammlungen, bei denen man seine Teilnahme durch seine Unterschrift

auf einen am Eingang des Sitzungsraumes ausgelegten Zettel bekunden mußte, war für mich ein Gewissenskonflikt. Die Pflichtbesuche des Gaudiums (?), ebenso von allen möglichen Ausstellungen in den Kriegsjahre, auch von militärischen Manövern, um die Schüler für die einzelnen Waffengattungen anzuwerben, waren keine reine Freude. Vorträge von hohen Parteifunktionären fanden nicht immer meinen Beifall, und das Abschwanken der Schüler von der Interessensphäre der Schüler zu dem Betätigungsfeld in der HJ war für die Pflege der Wissenschaft nicht von Vorteil.

 

In dem nächsten Kapitel soll der Humor zu Wort kommen, der mir in der Schule begegnet ist.

 

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Humor im Schulleben

 

Da meine Kinder mir zu Hause meistens meine Bleistifte ablotsten, um damit ihre Zeichenkünste zu betreiben, hatte ich es mir angewöhnt, ganz kleine zu benützen, mit denen die Kinder nichts anzufangen wussten. Allmählich sah ich einen Sport darin, deren Grüße (?) immer weiter zu vermeiden, bis nur noch eine Länge von wenigen mm übrig blieb, und hatte nun wahre Sammelwut nach diesen kostbaren Schreibgeräten. Die Schüler kamen natürlich dahinter und übertrafen sich darin, - natürlich um mich anzuöden -, auf dem  Katheter immer winzige Bleistifte zu deponieren, die ich aber dankend an mich genommen habe zur Bereicherung meines Bestandes.

Mit diesen kleinen Dingern, die ich kaum zwischen meinen Fingern halten konnte, wurden auch die Zensuren in mein Notizbuch geschrieben aber mit einer Ausnahme: Wenn ein Schüler eine besonders dumme Antwort gegeben hatte, die man

 

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weder aus Unkenntnis in der Geometrie noch in der             ansehen konnte, dann bekam er eine schlechte Note auf das „allgemeine Intelligenzkonto“ und diese wurde dann nicht mit dem                , sondern mit meinem goldenen Füllbleistift eingetragen. „Eine 5 auf das allgemeine Intelligenzkonto“ eingetragen und mit dem goldenen „Füllbleistift“ war also gleichbedeutend damit, als wenn ein Psychiater einen Angeklagten für geistig unzurechnungsfähig erklärt hätte.

An dieser meiner Eigentümlichkeit hat mich noch kürzlich ein alter Herr, der früher einmal mein Schüler war, und mich hier in                 anredete, erinnert.

Das hatte er behalten, die ihm von mir beigebrachten Kenntnisse wir er wohl inzwischen vergessen haben.

Damit der von mir so sehr belastete Schüler nicht aus unberechtigtes Mitleid bei dem Leser erfährt, füge ich noch hinzu, daß er oft später von mir doch wieder für geistig normal erklärt werden konnte.

 

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Ich hatte und habe noch die Gewohnheit, in geschlossenen Räumen häufig mehrmals hintereinander stark niesen zu müssen. War dies in der Schule der Fall, dann entstand leicht bei meinen Schülern bei dieser Procedur, während der ich ja nicht eingreifen konnte, eine gewisse Unruhe. Um das zu verhindern, kam ich auf die originelle Idee, den Schülern ein Erlassen meiner häuslichen Aufgaben für den nächsten Tag zu versprechen, sofern es mir gelänge oder besser sofern ich gezwungen war, mehr als 8 Mal hintereinander zu niesen. Ich behauptete, daß sie den Weltrekord, und falls er von mir überschritten wurde, müsste diese Leistung gebührend gefeiert werden. Diese Vereinbarung möge zunächst blödsinnig erscheinen, hatte aber das Gute, daß von nun ab die Schüler meinem Niesen meinem Niesen mäuschenstill und voller Spannung lauschten, - und das war ja meine Absicht gewesen. Selbstverständlich

 

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hatte ich  mich somit in der Gewalt beim 7.Male aufzuhören oder meine Explosionen auf 9 zu steigern, das hing davon ab, wie ich in Laune war, oder besser, ob ich die Schüler an dem betroffenen Tage für würdig hielt, diese Auszeichnung der Arbeitsbefreiung zu genießen.

Einmal hatte ein Quartaner versucht, meine Leistung durch Niespulver künstlich zu steigern, das er ausgestreut hatte – er ist nicht von mir bestraft worden, - aber dieser Klasse ging für ¼ Jahr dieses Vorrecht, sofern der Weltrekord gebrochen wurde, keine Hausaufgaben erledigen zu brauchen, verloren. Und das von Rechtswegen. Ob man meine Maßnahme für richtig halten wird, weiß ich nicht, ich bereue sie jedenfalls nicht -, auch sie wird aber meinen ehemaligen Schülern in der Erinnerung an mich weiterleben.

 

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Bei den häuslichen Aufgaben wurde natürlich auch bei mir oft gemogelt in dem Sinne, daß sie von einem Mitschüler sinnlos abgeschrieben wurde. Ich pflegte sie ständig zu kontrollieren und achtete dabei auf diese Möglichkeit. Gewann ich den Eindruck, daß ein Schüler auf diesem Wege seiner „Pflicht“ genügt hatte, den habe ich nicht erst lange verhört, was ja doch wahrscheinlich dazu geführt haben würde, daß er meinen Verdacht bestritten hätte. Vielmehr stellte ich dann kurz die Frage: Wann, wo und von wem? Das hieß also wann, wo und von wem ist die Arbeit abgeschrieben? Die Antwort mußte dann etwa lauten: „Heute Morgen, in der Klasse, von meinem Mitschüler Walter Schulze.“

Gab er eine solche Auskunft, dann war der Fall erledigt und er wurde nicht bestraft – versuchte er aber zu leugnen, dann wurde die Sache näher untersucht, und der Schüler, da er meistens überführt werden konnte, erhielt seine verdiente Strafe.

 

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Somit die Vorgeschichte des folgenden Erlebnisses. Vor wenigen Jahren erhielt ich zu Neujahr eine Postkarte, auf der war zu lesen:

 

Herzliche Grüße und Wünsche

Wann:  am 3.Oktober 1935

Wo: in Sumatra

Von wem: von ihrem alten Schüler Kurt Felsmann.

 

Man sieht,

solche charakteristischen Eigentümlichkeiten des Lehrers bleiben einem Schüler – auch wenn er nach Sumatra verschlagen ist,- im Gedächtnis und dienen dazu, das Bild seines Lehrers richtig zu formen.

Auf einem Schulfest in der Stadthalle forderte mich vor Jahre bei der Damenwahl ein junger Backfisch zum Tanzen auf und stelle sich vor mit den Worten: ich bin Inge Bockhacker. Nun hatte ich in der Quinta einen Schüler Hans Bockhacker, der im Rechnen nicht gerade eine Leuchte war, im übrigen wusste ich mit diesem Namen

 

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nicht viel anzufangen, folgte natürlich ihrer Aufforderung und drehte mich mit dieser anmutigen Tänzerin stolz im Walzertakt unter den erstaunten Blicken meiner Schüler und den Eltern. Leider wurde ich bald ernüchtert, dann, als ich diese Inge zu ihrem Platz zurückleiten wollte, fragte sie mich verschämt: Nicht wahr Herr Studienrat, sie geben doch meinem Bruder keine 5 im Rechnen?

Soweit kann also die Bruderliebe führen, daß die Schwester bereit ist, für Interesse einen Tanz zu opfern. Ich weiß aber nicht, ob ihre Fürsprache Erfolg gehabt hat – möchte es aber bei meinem Gerechtigkeitssinn kaum glauben.

Und nun noch ein letztes Erlebnis auf dem Fest bei 100jährigen Bestehen meiner Anstalt, das bei einer Teilnahm von fast 200 Personen in der Stadthalle gefeiert wurde. Nach Mitternacht kam ein kleiner Mann von etwa 50 Jahren

 

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auf mich zu und begrüßte mich mit der Frage, ob ich mich noch seiner erinnern könne, er sei Fritz Brams und vor etwa 30 Jahren in der OII mein Schüler gewesen. Nun, ungefähr schwebt er mir noch vor. Er lud dann mich und auch meine Gattin zu einer Flasche Sekt ein und versprach mir, nun dann zu verkünden, aus welchem Grunde er sich zu dieser Spende gedrängt fühle.-

Er war, so berichtete er dann der größeren Sektgesellschaft, ein schlechter Mathematiker gewesen, und es habe die Gefahr bestanden, daß er in der =II – sofern ich ihn seinen Verdiensten entsprechend mit 4 (mangelhaft) beurteilt haben würde -, zum zweiten Male sitzen bleiben, was den erzwungenen Abgang von der Schule zur Folge gehabt haben würde.

Er habe mich daraufhin kurz vor Ostern in einer Pause gefragt: „Herr Studienrat, können Sie mir in der Mathematik nicht eine 3 geben, wenn ich eine 4 bekomme, bleibe ich sitzen, muß abgehen und kann demnächst nicht

 

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Baumeister werden.“ Meine Antwort hat nach seiner Erzählung gelautet: „Brams, sie bekommen keine 4, sie bekommen erst recht keine 3, sie kriegen eine 5!! – aber so endete sein Bericht – „ich erhielt dann zu Ostern in meinem Zeugnis in der Mathematik eine 3, wurde versetzt und stehe nun als wohlbestallter Baumeister vor Ihnen.

Hatte der Mann nicht recht, daß er mich auf Grund meiner vor 30 Jahren gezeigten Milde zu Sekt einlud? Als die Stimmung noch gesteigert wurde, erbat er sich, mir aus Dankbarkeit ein eigenes Haus völlig gratis aufbauen zu wollen, leider aber hatte ich schon damals ein Eigenheim.

Diese kleine Auslese mag zeigen, daß mir meine Dienstzeit manche fröhliche Erinnerung gegeben hat, an die ich in dieser trüben Gegenwart gern zurückdenke. Ich Zahl ist erfreulicherweise weit größer als die trüben           sorgen, die natürlich auch nicht fehlen.

 

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Zu der schönsten Rückschau gehört aber mein Beruf als Weihnachtsmann, von dem ich vorher schon wiederholt gesprochen habe.

Dieser meiner Stellung im Kolleg des Realgymnasiums = Tell Kampfschule und des weiteren von dem Verlauf unserer Weihnachtsfeier sei der nächste Abschnitt gewidmet.

 

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Weihnachtsfest in der Schule

Bereits als Student und danach auch im hiesigen Ortsverband hatte ich dem Weihnachtsmann bei unseren Feiern als Knecht Ruprecht assistiert. Ich hatte davon gelegentlich im Kollegenkreise gesprochen und die

 

Folge davon war, daß beschlossen wurde, auch bei uns eine Weihnachtsfeier zu veranstalten, wobei ich gebeten wurde auf Grund meiner Vorbildung das schwere Amt des Weihnachtsmannes zu übernehmen.

Aus kleinen bescheidenen Anfängen heraus, gewann dann im Laufe der Jahre unsere Feier immer festere Formen, bis es sich zum Höhepunkt im gesellschaftlichen Leben des Kollegs entwickelt hat.

Schon im Oktober fing ich mit den Vorbereitungen an. Nachdem ich im Laufe des Jahres ständig aufgepaßt hatte, ob die Kollegen mir für meine Kritik Angriffspunkte bieten würden und auch das Zeitgeschehen daraufhin verfolgte, setzte ich mich in der Lerchenstr. in meinen bequemen Sessel, steckte mir 

 

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eine gute Cigarre an, leistete mir nun eine Flasche Burgunder und fing an „zu dichten“, - Bilde mir aber nicht ein, daß ich ein Dichter war.-

2 Wochen vor unsere Feier tagte dann bei mir die Festkommission bestehend aus Freund Bruggemann, Gustav Meyer und mir. Es wurde die Tischordnung festgelegt, wobei die Frage besonders schwierig war, welche Dame unser Direktor zu Tisch führen sollte.- Diese „Auszeichnung“ mußte genau der Rangordnung nach verglichen werden. Dann waren die Ehrenplätze zu vergeben, ein Ehepaar wollte vereint bleiben, ein anderes getrennt, das alles mußte berücksichtigt werden.- Dann kam der Festabend heran. Kurz vor ½ 8 erschien bei mir ein Auto, um mich, meine Frau und Tochter Anneliese sowie meine Assistentin Liesel Meyer zum Hansahaus zu befördern. In einem Koffer wurden mein Kostüm und die „Geschenke“ transportiert. Im Hansahaus empfing Gustav Meyer, der schon vorher für

 

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die Herrichtung des Festraumes und dem Schmuck des Tannenbaumes gesorgt hatte, die Gäste und machte der             .

Ich wurde von den Kollegen, die z.T. ein schlechtes Gewissen hatten, forschend begrüßt – sie versuchten wohl,

aus meinem Verhalten zu entnehmen, ob ich sie sehr durch „den Kakao ziehen würde“. Unter den Klängen

einer kleinen Kapelle (3 Mann) wurden die Plätze an der Festtafel eingenommen, und das Abendessen wurde

gestartet. Vorher war ausgiebig erwogen, ob Kalbsbraten, Rinderfilet oder Schinken in Burgunder als

Hauptgericht verabreicht werden sollte. Das war eine wichtige Frage. Am Schluß gab es Eis, und dabei

erschienen dann die Nachzügler, vor allem die Kollegentöchter und Söhne, um noch an dem Eisgenuß

des weiteren aber an dem folgenden Programmnummern teilzunehmen. – Bei unsere Jugend wollte man das

Essen sparen.- Ich selbst mußte dann schon, nachdem ich mir eine gute Cigarre zum Schluß des Soupe`s

angesteckt hatte, - den Saal verlassen, um mich umzukostümieren.

 

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Dabei trat dann L. Meyer in Aktion, zog mir die Lackschuhe aus und die Filzstiefel an, und unsere Anneliese

legte mir die Perücke – bestehend aus einem Drahtbügel, an dem Flachssträhnen befestigt waren, - aufs Haupt

und schmückte mich mit dem Weihnachtsmannbart. Ich trug meinen alten braunen Schlafrock, der bereits mit

mehreren Mottenlöchern verziert war, einer wollenen Pudelmütze und einen großen Schal und sah wohl

wie der richtige Weihnachtsmann aus. Inzwischen war der Saal verdunkelt, der Tannenbaum angezündet. G. Meyer

spielte auf dem Flügel „O Tannenbaum“, und beim letzten Verse betrat ich langsam den Festraum, hinterher

zog ich regelmäßig ein kleines Holzpferd, - das dann ein Kollege als Geschenk erhielt. Das Pferd gehörte unbedingt

zur Tradition.Dann begrüßte ich den Tannenbaum und die Festveranstaltung und es folgte dann mein

Auftrittsgedicht, von dem ich eben schon gesprochen habe. Ich hatte es sorgfältig

 

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auswendig gelernt und bin nie stecken geblieben. (Hatte aber auch zur Vorsicht eine Souffleurin). In der Nähe von        

Platz, auf dem mein Freund Gustav saß, stellte ich mich auf und verteilte die Gaben mit den „Gedichten“ an die

einzelnen Kollegen. Dabei mußte mir dann Gustav Meyer von Zeit zu Zeit ein Glas von seinem Moselwein reichen,

damit meine Stimme und Stimmung stets neu belebt wurde. Meine Gattin verfolgte die „Hilfestellung“ mit einiger

Sorge, fürchtend, daß ich mich dabei übernehmen könnte. Ich habe aber meinen Auftritt, der über eine Stunde

dauerte, stets wohlbehalten, wenn auch nicht ganz nüchtern überstanden.

 

Bevor ich den Saal verließ, wurde mir durch den Vertrauensmann des Kollegs, auch in          Einkleidung der Dank

für mein Wirken als Weihnachtsmann ausgesprochen und eine Flasche „Kirsch mit Rum“ überreicht

Nach der noch oft durch Liedervorträge von Frau Engelmann (unsere Nachbarin in der Brehmstraße)

und andere instrumentale Sololeistungen umrahmten Weihnachtsfeier kam der Tanz, und damit die Jugend –

ber auch noch das Mittelalter und die Senioren zu ihrem Recht; er wurde eröffnet mit einer Polonaise.

Ich selbst zog mich, - doch etwas erschöpft, - in

 

 

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eine stille Ecke zurück und versuchte, meine Weihnachtsmannstellung allmählich wieder in eine menschliche

Natur wieder zurückzuwandeln.

Oft etwas schwankend pilgerten wir nach Mitternacht nach Hause, ich einerseits froh, daß ich meine Aufgabe hinter

mich gebracht hatte, andererseits betrübt, daß die schöne Feier vorüber, und man wieder ein Jahr älter geworden war.

 

Meine Weihnachten 1938 am Schluß geäußerte Hoffnung:

 

„Mög`es geschehen,

daß wir im Jahr uns wieder sehen.“

 

ging leider nicht in Erfüllung.

 

1939 war Krieg, und es gab keine Weihnachtsfeier mehr in diesem Stile.

Um zu zeigen, welcher Art die Gedichte waren, mit denen ich die Kollegen beglückte, geb` ich eine kleine

Auswahl – bin mir aber durchaus bewußt, daß unter ihnen viele völlig minderwertig waren.

 

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1927 bekam mein Kollege Brüggemann, der glücklicher Vater von 7 Kindern war, von dem der älteste Sohn Dieter

mein Schüler war, einen Weihnachtsmann aus Honigkuchen mit folgendem Begleitschreiben: (er war der Vorsitzende

des Bundes der Kinderreichen).

 

Du nimmst dich der Kinder an

Einst so wie der Weihnachtsmann,

Drum erhältst du auch als Gabe,

heut`das Beste, was ich habe –

sei diesmal            ,

brings nach Hause deinen Göhren,

daß sie mich mit Lust verzehren.

 

Sie, diese         wäre was

für den kleinen Andreas,

hier das Stück mit der Rosine

ist genügend fürSabine,

Hänschen hat besonderes Glück,                                                       

 denn er kriegt das Mittelstück.

 

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Und den Kopf gleich mit der Mütze,

den bekommt der kleine Fritze.

Lotte Irmchen – sich beeilen,

Brust und Arme sich zu teilen, 

Dieter kriegt, daß keiner fehle,

dann das Beste „meine Seele“.

 

Besonders leicht zu behandeln war Gustav Meyer einmal, als ich ihn als meinen Freund genau kannte,

dann aber auch, weil er in seiner beschwingten Lebensart manche „Angriffsfläche“ bot.

 

Hier ein Gedicht für ihn, 1938, wobei er ein Fernrohr erhielt.

 

Man soll mit seinem Fach befassen sich nicht nur allein,

vielmehr muß man auch allgemein gebildet sein.

Nicht nur den Sprachenwidmest du dich gern,

Du interessierst dich für den Lauf der Stern,

um zu entfliehen den Sorgen dieser Welt betrachtest du das Himmelszelt.

 

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Doch fehlen dir die Instrumente,

die man dabei gebrauchen könnte,

deshalb ist dieses Fernrohr für dich wichtig,

erst dadurch wirst als Astronom du tüchtig.

 

Mit ihm kannst du in die Ferne blicken

und die Distanzen überbrücken.

Das wird gewißlich für dich lohnen,

du kommst dadurch in höhere Regionen.

Du wirst dann die Planeten gern studieren,

doch laß dich von der Sonne nicht verführen.

Die Venus ist ein Stern der wandelt,

nicht ratsam ist, daß man mit ihr anbandelt.

Es ist auch fraglich, ob sich`s lohnt,

man guckt doch nachher in den Mond.

 

Wenn du nach Hause kommst in dieser Nacht,

dann gib mal auf den „Augenprüfer“ acht.

Das ist ein Doppelstern im Himmelswagen,

bekanntlich will sein Name ja besagen –

Wer diesen Augenstern erkennt mit bloßen Augen,

wer weiß, daß seine Augen etwas taugen.

 

Seite 230

               Mit diesem Fernrohr kannst du besser sehen, sofern es sollt dabei geschehen,

               daß du anstatt der beiden Sterne dann suchst „viere“,

               dann merke dir:

              „Das kommt von sieben Biere.“

 

Das war Gustav Meyer, der oft, wenn er mit mir von seiner alkolholischen Sitzung des Kollegs nach

Hause wanderte, sich astronomischen Studien hingab und mich dadurch zu obigem Geschenk angeregt hat.

 

Zum Zeichen, daß ich mich selbst auch nicht verschont habe bei meiner Kritik, gebe ich einen Vers wieder,

den meine Gattin erhielt, als in dem einen Jahr statt der Männer die Damen beschert wurden.

 

Es erhielt Frau Wolfhagen, 1933,

eine Tüte mit 5 Cigarren und folgendem Begleitschreiben:

 

Für dich hab ich mir manche gute Lehre ausgedacht,

das wird gelegentlich zwischen uns ausgedacht.

 

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Dagegen, was betrifft den Ehemann,

verschiedenes man variieren kann.

Doch komm ich nicht gern mit ihr in Streit,

drum schweige ich, wenngleich in letzter Zeit

zu meinem Kummer er dem Nikotin verfällt,

er raucht zuviel – das hab` ich leider festgestellt.

Ich muß, das ist es, das dich sehr betrübt,

daß außer dir er wohl noch `ne andere Flamme liebt.

 

Es scheint mir ratsam, daß am besten man,

den Teufel mit Beetzebub austreiben kann.

Cigarren drum ich dir heute überreichen mag,

der Vorrat ist bestimmt für einen Tag.

 

Die erste übergibst du ihm am Morgen,

verschwinden werden dann sofort die Sorgen.

Die zweite raucht er in der Pause,

die dritte nachmittags zu Hause,

die vierte ihm am Abend schmeckt,

die fünfte – rat ich dir, ihm gib,

sofern er war besonders lieb.

 

Seite 232

Ich werde fragen dich in einem Jahr,

wie es bestellt mit dieser Liebe war.

Hat er die fünfte dann nicht oft geraucht,

dann folgt daraus, er hat nicht viel getaugt.

 

Sofern du also willst, daß deine Ehe,

ich als der Weihnachtsmann stets glücklich sehe,

dann mußt du stets an diese fünfte denken,

doch wenn du willst, kannst du sie mir auch schenken.

 

Schade, daß ich meiner Frau keine Cigaren mehr schenken kann, ich könnte sie wahrlich gut

gebrauchen bei meiner Zuteilung von 24 Cigarillos für 6 Wochen.

 

Ich glaube, meine Wirkungszeit an der Tell Kampfschule in Ernst und Scherz ausführlich

geschildert zu haben und muß jetzt noch über mein Nebenamt als Ausbilder der weiblichen

Jugend kurz sprechen.

 

Ferner muß ich noch meine Tätigkeit als „Redner“ im Planetarium Revue passieren lassen.

 

 

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Mein Dienst an Mädchenschulen und am Planetarium

 

Bereits um das Jahr 1912 herum bekam ich durch Vermittlung von meinem Kollegen Erdmann den

ehrenvollen Ruf an der Privat Mädchenschule von Fräulein Breckdecke den Mathematikunterricht in

der obersten Klasse zu übernehmen.

Dieser Nebenverdienst war mir damals sehr willkommen, wenngleich mich dieses mein Amt wenig

befriedigte. Diese Schule wurde in der Hauptsache besucht von solchen Schülerinnen, die auf anderen

Anstalten keinen Erfolg hatten und wissenschaftlich nicht interessiert waren, besonders

nicht für mathematische Probleme.

 

Ich hatte kein dankbares Publikum und wenig Erfolg, war deshalb auch nicht betrübt, als nach kurzer Zeit

die Schule einging, und ich meine Stellung verlor.

 

Von der Erziehung und Belehrung der weiblichen Jugend hatte ich fürs erste genug.

 

Erst etwa 15 Jahre später, als ich meine Nichte Ilse Winkelmann (siehe oben), die bei uns in Pension gegeben

werden sollte, um das Privatlyzeum von Geschwister Sudhaus (?) zu besuchen,

 

 

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bei der Leiterin dieser Anstalt anmeldete, trat diese mit der Frage an mich heran, ob ich bereit sein würde -  da

ich ihr vermutlich eingefallen war -  mich noch einmal auf dem Gebiet der Töchterschulen zu betätigen.

 

Nun hatte diese Anstalt einen sehr guten Ruf, ein ausgezeichnetes Schülermaterial, außerdem legte ich auf

Nebeneinnahmen wert, also griff ich zu und habe das nie bereut. Sicherlich wich der Unterricht auch

in seiner äußeren Gestaltung wesentlich von dem an der Knabenschule ab. Die jungen „Damen“ mußten

anders behandelt werden wie ihre männlichen Altersgruppen. Sie waren im allgemeinen                 , zwar nicht

offen rebellisch, aber doch bisweilen versteckt widerspenstig. Doch ich war ja schon von meinem Vater - der ja

auch zuletzt eine Töchterschule geleitet hatte -  auf die weibliche Wesensart vorbereitet, hatte ja auch

selbst drei leibliche Töchter und habe mich deshalb leicht an das neue Milieu gewöhnt. Ich glaube auch Erfolg

gehabt zu haben,

 

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jedenfalls zeigtenb die mathematische Aufgaben der Abschlußprüfung ein erfreuliches Ergebnis, was auch von

          der Schulrätin Frau Dr. Warmle anerkannt wurde.

Kontakt mit meinen früheren habe ich kaum noch, bisweilen begegnet mir einmal eine strahlende Mutter und

begrüßt mich als ihren alten Lehrer, doch das sind Ausnahmen.

 

Der Unterricht an der Sudhaus Schule lag natürlich auch vormittags und mußte mit meinem Hauptamt verzahnt

werden. In meinen Zwischenstunden konnte ich also nicht im Lehrerzimmer wie früher bei einer kleinen Cigarre

mich ausruhen und für die nächsten Stunden vorbereiten, sondern mußte schleunigst zum Warmbuchen             , -  

wo die Schule sich befand -, herübersausen und abends wieder zurück. Ich kam also kaum zur Besinnung; habe aber

diese Belastung gern auf mich genommen, zumal meine Arbeit gut honoriert wurde (M 7 die Stunde).

 

In den gleichen Jahren – also von 28-31 (31 mußte das Privatlyzeum einen eigenen

 

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Mathematiker einstellen laut Verfügung der Behörde, und ich wurde dadurch überflüssig) war außerdem auch

noch als Vortragender im hiesigen Planetarium im Anzeiger Hochhaus angestellt.

In diesem Planetarium wurden dreimal täglich (um 3 , 6 und 8 ) der Sternenhimmel gegen ein Entre für M 1,-

dem staunenden Publikum vorgeführt. Dazu waren mehrere Studienräte, die etwas Ahnung von Astronomie

hatten – ich glaube, es waren 6 verpflichtet, die bei der Drehung des Sternenhimmels, die von einem Mechaniker

Killmeyer an einem sehr komplizierten Apparat geleitet wurde, die nötigen Erklärungen zu geben hatten.

Dazu war ich also mit ausersehen und mußte etwa 12 Mal im Monat gegen ein Honorar von M 10,- etwa

45 Minuten lang von meinem Podium aus, stehend hinter dem versteckt angebrachten Mechaniker, meinen Vortrag

halten. Bei meinem Probevertrag, der nur vor dem Leiter des Unternehmens und zu meinem Schutz mitgenommenen

 

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Gattin stattfand, erlitt ich allerdings eine ziemliche Pleite. Ich hatte mich natürlich vorbereitet, so etwa wie für meine

astronomische Belehrung der Primaner fand aber damit keinen Beifall. Es wurde zwar von den Herren anerkannt,

daß ich eine sehr schöne, laute und tragende Stimme hatte, aber meine Ausführungen wären zu wissenschaftlich.

Das Publikum, so meinte er, sollte nur sehen und nichts lernen. Er mochte Recht haben, jedenfalls mußte ich mein

Niveau senken.

 

Allerdings habe ich dann doch, sofern ich feststellte, daß unter meinen Zuhörern eine große Anzahl „gebildete

Personen“ waren, aus bes. Schulklassen, die auch von außerhalb nach Hannover kamen, um dieses Sternenwunder

kennenzulernen, eine Extraeinlage hinzugefügt. Das war aber sicher nicht angebracht, als bei einem großen Sängerfest

zu einer Extravorstellung am Sonntag Vormittag etwa 200 Sangesbrüder im Planetarium erschienen, um anstelle

eines Frühschoppens etwas für ihre Bildung zu tun.

 

Sei es, daß sie am Abend vorher zu viel getrunken hatten, sei es, daß

 

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ihr Magen auch sonst nicht in Ordnung war, jedenfalls konnte eine große Zahl von ihnen das Drehen des Himmels

nicht vertragen. Ihnen wurde schlecht, sie schrien nach Luft, ich mußte meinen Vortrag abbrechen, und die

Patienten suchten das Freie bzw. die Toiletten auf. Es wäre ihnen wahrscheinlich noch schlechter geworden, wenn

ich ihnen astronomische Grundbegriffe vorgesetzt hätte.

 

Das war also  meine Tätigkeit an den Mädchenschulen und am Planetarium, und damit habe ich ja wohl meine

berufliche Seite erschöpfend behandelt.

 

Jetzt komme ich zu der schwersten Aufgabe, nämlich der Schilderung der „Kriegszeit“ und der auf sie folgenden

„Friedensjahre“ bis zur Gegenwart.

 

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Erleben im Kriege 1939-1945

 

Der Ausbruch des II.Weltkrieges im Sept. 39 hatte für uns zunächst keine schweren Folgen. Abgesehen von unserem

Schwiegersohn Adolf Niemeyer, der bei der Fliegertruppe – und zwar zunächst in der Heimat – seinen Dienst antreten

mußte, hatten wir ja keinen Krieger in unserer engen Familie. Das Einzige war, daß die „Verdunkelung“ in Aktion trat,

da man mit  rechnen mußte. Aber in der ersten Zeit hattren wir kaum darunter zu leiden, immerhin standen wir

immer bei der Angst vor Fliegeralarm unter einer gewissen Spannung. Man konnte sich nicht mehr frei bewegen

wie früher und darunter litt auch das gesellschaftliche und kulturelle Leben ein wenig.

 

Wir waren in dieser Zeit – auch schon einige Jahre vorher – besonders eng befreundet mit meinem alten Kollegen –

einem pensionierten Oberschullehrer Wilhelm Rehbock und seiner Frau Lotte und tagten mit ihnen und Freund

Andreesen regelmäßig abwechselnd in unseren Wohnungen bei einem soliden Doppelkopf.

 

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Diese schöne Einrichtung blieb bestehen, wenngleich wir bei den                 immer etwas besorgt Luftschutz-

sirenen uns umhörten. Das Zusammensein mit Ehepaar Rehbock hat uns viele schöne Stunden beschert, die ich

gegenwärtig – nachdem es nach Verlust der Wohnung in Hannover auf das Land zu seinen Kindern gezoen ist – sehr

vermisse. Meine Gedanken sind oft bei den wahrhaft treuen Freunden.

 

Neben diesem Doppelkopf besuchten wir aber auch noch – wenn auch seltener – Theater und Konzerte.

 

Auch meine Geburtstagsfeier – es war der 60. im September 1940 wurde noch bei uns in der Lerchenstr. im Kreise

mehrerer befreundeter Familien abgehalten. Aber als der letzte Kuchen gereicht werden sollte, und ich meine

Blitzlichtaufnahmen machen wollte, kam Alarm und die Gäste mußten uns fluchtartig verlassen. 

Das war das erste Kriegserlebnis.

 

Andererseits standen ja die ersten Jahre ganz unter dem Zeichen unserer Erfolge in Polen und im Westen. Fast

täglich gab es Sondermeldungen, die

 

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die Stimmung belebten. Doch allmählich ließen diese Siegesbotschaften nach, und die Luftangriffe nahmen zu.

Unsere Bewegungsfreiheit wurde weiter eingeschränkt, der Luftschutz verstärkt, und ich wurde zum

„Luftschutzwart“ eines Teils der Lerchenstraße ernannt, mußte an Versammlungen teilnehmen, die

Luftschutzkeller kontrollieren, Beiträge einsammeln, auf die Verdunkelung der mir unterstellten Häuser achten,

eine wenig befriedigende Tätigkeit, die ja auch, wie sich später herausgestellt hat, uns nicht hat retten können.

 

Als einziges gesellschaftliches Ereignis in diesen Jahren kann ich die Sonntagsbesuche unserer Tochter Grete –

deren Mann abwesend war – mit ihren beiden, später 3 Trabanten bei uns bezeichnen und meine Radfahrten

nach Kirchrode, um sie in ihrer Einsamkeit zu trösten.

 

Unser Sohn Ernst wurde zu den Landesschützen eingezogen und mußte dann zunächst an der Westgrenze als

Zollwächter Dienst tun.

 

Auch Fritz Vogel (siehe Anneliese) mußte kurz nach der Hochzeit, die aber noch einigermaßen friedensmäßig

1930 in unserem Hause

 

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gefeiert wurde, Soldat werden und unsere Anneliese verließ uns häufig, um ihren jungen Ehemann in seinen

verschiedenen Quartieren – auch er war wie Adolf Niemeyer im Lande geblieben – zu besuchen.

 

Größere Sorge hatte also bis dahin das Völkerringen für uns nicht zur folge gehabt. Das blieb so bis Februar 42,

wo auch Hannover der erste größere Luftangriff erfolgte.

 

Ehepaar Vogel war im Theater, meine Gattin und ich allein in unserem Schutzraum. Ich war dort ermüdet

eingeschlafen, dann aber durch ein unheimliches Sausen aufgeschreckt, dem ein dumpfer Einschlag folgte.

Aber wir waren verschont geblieben, vielmehr glaubten, daß die Gefahr bei uns vorübergegangen sei, bis an dem

nächsten Morgen Fritz Vogel als Fliegersachverständiger feststellte, daß in unserem Garten ein „Blindgänger

niedergegangen war.- Daher das Sausen.

 

Die Polizei wurde benachricht wir und auch unsere Nachbarn mußten das Haus räumen und zogen zu unserem

Ernst bis die Gefahr beseitigt war.

 

Der Versuch, den Blindgänger zu bergen

 

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oder zu „entschärfen“ hatte keinen Erfolg, er mußte gesprengt werden. Die Folge war, daß die Rückwand

unseres Hauses, die Treppen zum Keller zerstört wurden und auch sonst mehrere größere Risse entstanden.

Der Garten war natürlich dabei besonders stark mitgenommen.

 

Doch die Schäden wurden auf Kosten des Reiches wieder beseitigt, was also M 5000 ausmachte. Nach

mehreren unruhigen Wochen,  für meine Frau und Anneliese arbeitsreich, war unser Haus in neuem Glanze

entstanden, auch der Garten noch schöner als bisher, von einem Gärtner wieder angelegt.

 

Wir haben dann auch bald diesen Kummer wieder vergessen und freuten uns, daß die Sache für uns

noch so glimpflich abgelaufen war.

 

Leider war unsere Freude nur von kurzer Dauer, denn nachdem im Juli 43 bereits ein schwerer Angriff auf Ha.

erfolgt war, bei dem die                 besonders stark gelitten hatte, kam der Unglückstag, der 8./9. Oktober 1943.

 

Wir hatten den Abend mit unserem Nachbarn Richter, dessen Frau kurz vorher zu ihrer verheirateten Tochter,

die ihr erstes Kind erwartete, gereist war

 

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in unserer Wohnung verbracht und waren gegen 11h zur Ruhe gegangen. Wir hatten noch nicht geschlafen,

als die Sirenen ertönten. Das war zuletzt häufiger der Fall gewesen, ohne daß die Flieger Ha. heimgesucht hätten.

Glücklicherweise waren wir gegen diesen Warnruf nicht abgestumpft und begaben uns mit unserer Anneliese

und ihrem kleinen, am 26. Mai 1940 geborenen Matthias in den Luftschutzkeller von Nachbar Richter. Er war

kurzum als Musterkeller besonders stark (Wandstärke 80 cm) ausgebaut und stand mit unserem Hause durch

eine Tür in der Waschküche in Verbindung. Wegen seiner Sicherheit wurde er von unserer Nachbarin Frau

Engelmann und ihrer 18jährigen Tochter aufgesucht.

 

Wir merkten sehr bald,daß die Sache diesmal ernstgemeint war und kaum einer von uns wagte sich aus dem

Schutzraum heraus, was wir sonst wohl zu tun pflegten, um „Ausschau“ zu halten.

 

Das war unser Glück, denn plötzlich hörten wir ein gewaltiges Brausen, der Boden und die Wände zitterten, man

spürte einen starken

 

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Luftzug und hörte einen starken Einschlag. Das Licht erlosch und wir mußten zu unserem Entsetzen wahrnnehmen,

daß unter furchtbarem Krach, Prasseln von Steinen unser Haus zusammenfiel. Dieses Geräusch habe ich noch

heute oft in den Ohren.

 

Der starke Staub zwang uns, den Raum zu verlassen, wenngleich die Flugzeuge noch immer über unsere Gegend

kreisten, und die Gefahr nicht vorüber war. Unter dem Licht meiner Taschenlampe versuchten wir ins Freie

zu gelangen und mußten nun zu unserem Schrecken feststellen, daß die Tür zu unserer Waschküche durch

Trümmer versperrt und ebenfalls die Ausgänge von dem Richter`schen Keller sämtlich verschüttet waren.

 

Ratlos irrten wir umher, ich versuchte aus dem Schutt herauskriechend eine Öffnung am oberen Rand der

Kellermauer zu erreichen, ich rutschte ab, es war vergeblich.

 

Unsere Anneliese mit dem kleinen Matthias auf dem Arm war auch am Verzweifeln, wir alle glaubten, daß wir

verloren wären, zumal dann noch eine Brandbombe auf unsere Trümmer fiel, die aber

 

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Gottseidank nicht zündete. Ich hatte bei dem Angriff glücklicherweise einige Cognacs getrunken. Auch meine

beruhigende Cigarre war nicht ausgegangen, sonst hätte ich vielleicht die Besinnung verloren. So behielt ich einen

einigermaßen klaren Koprf und entdeckte nach minutenlangem Suchen – es mögen auch nurSekunden gewesen

sein – daß sich an einer Kellerwand oben eine Öfnung gebildet hatte – eine andere als die vorher schon erwähnte.

Mit Hilfe eines Stuhles konnte ich hinausklettern und dann meine Angehörigen hinausziehen.

 

Da standen wir nun gegen 1h auf den Trümmern unseres schönen Hauses – überall standen die Häuser in Flammen.

Es war infolgedessen taghell, ein unheimlicher Feuersturm sauste (die feindlichen Flugzeuge waren glücklicher-

weise abgeflogen) und doch mußten wir dankbar sein, daß wir mit dem Leben davongekommen waren, ja nicht

einmal Verletzungen erlitten hatten. Dem kleinen Matthias insbesondere war kein Leid geschehen.

 

Wir rannten dann auf die

 

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Lerchenstraße, um dort einen Unterschlupf zu finden. Aber da noch mehrere Häuser, wenn

auch nur leicht, beschädigt waren und die sonst so freundlichen Nachbarn Schneider durch die ausgestandene

Angstsich meistens zurückzogen, dauerte es eine ganze Weile, bis wir einen Raum entdeckten, wor wir unterkriechen

konnten. Infolge der Erchöpfung haben wir sogar etwas geschlafen.

 

Am nächsten Morgen gingen wir zu unserem Hause, um eventuell noch etwas zu bergen. Aber es gab nichts zu retten,

alles vernichtet.

 

Durch einen Nachbarsohn wurden aus den Trümmern noch einige Anzüge, Mäntel und Kleider geborgen,

aus dem Luftschutzraum konnten wir unsere Koffer, in denen ein Teil unserer Garderobe und Wäsche aufbewahrt

war, sowie die wichtigsten Akten – auch  meine Photographiealben – bergen, sowie den Kinderwagen – das war alles.

 

Das Haus bis auf einen Teil des Kellers vernichtet, alles Hab und Gut, die ganze Tradition unseres Familienlebens,

meine Bücher insbes. meine wertvolle Sammlung von mathemat. Aufgaben – meine Lebensarbeit in 40 Jahren –

verloren.

 

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Daß man dabei nicht den Verstand verloren hat, nimmt mich heute noch Wunder. Später hat dann Fritz Vogel

aus meinem Schreibtisch und Bücherschrank – begraben unter dem Schutt und zerstört – noch einige für mich

wichtige Erinnerungsstücke herausgeholt und aus unserem Vorratskeller Weckgläser, Obst und einige Flaschen

Wein.

 

Nachdem wir einige Tage bei unserer Tochter in Kirchrode verbracht haben – unser Ernst war aus dem Lager an

Rheuma erkrankt – auf unsere telegr. Nachricht, daß unser Heim vernichtet aber wir selbst unversehr seien, nach

Ha. geeilt, ebenso Fritz Vogel und Adolf Niemeyer – siedelten wir zu den Schwiegereltern unserer Anneliese nach

Alferde über, Familie Niemeyer nach Alfeld. Die 1 ¼ stündige Wanderung von Kirchrode nach Wiefel (Die Züge

fahren in den Tagen nicht bis Ha. durch) mit Kinderwagen, Fahrrad und viel Gepäck wird mir auch stets in

Erinnerung bleiben. In W. unendlich viele Menschen, die auch aus Ha. fliehen wollten,

Wir fanden

 

 

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aber noch Platz in dem Zuge, der Kinderwagen wurde in einem Bremserhäuschen verstaut. An die Fahrt schloß sich

ein Weg von etwa 1 Stunde abends gegen 7h nach Alfeld. Dort wurden wir von denEltern freundlich aufgenommen

und mit Unterstützung der NSV bewirtet. Nach den Aufregungen der letzten Tage war das alarmlose oder besser

nicht bedrohte Dorf für uns ein wahres Paradies. Aber wir konnten und sollten dort in den immerhin engen

Verhältnissen nicht länger bleiben und begaben uns von dort nach Einbeck.  „Wir“, das heißt meine Gattin und ich.

Meine in Einbeck wohnende Schwester            hatte sich dankenswerterweise erboten, uns arme Flüchtlinge in ihrem

Haus aufzunehmen.

 

Dort haben wir dann eine geruhsame Zeit verlebt – ich hatte 6 Wochen Urlaub erhalten, um mich von meinem

„Schreck“ zu erholen und sind von ihr liebevoll betreut worden. Auch hat sie uns mit allerlei Kleidungsstücken

beschenkt – für diese ihre Hilfeleistung gebührt ihr unser herzlichster Dank.

 

In Einbeck fanden wir dann noch eine mildtätige Seele, die uns sehr geholfen hat, unsere Nichte (keine Blutsverwandte)

H. Wittram.

 

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Von ihr stammen eine Vielzahl von „Gegenständen“, die für uns sehr wertvoll waren,  z.B. ein Regenschirm von

dem in meiner Jugendzeit erwähnten Onkel Ernst.

 

Aber auch ihre seelische uns gewährte Hilfestellung und die später unseren Kindern stets gezeigte Freundlickeit

sichern ihr bei uns ein dankbares Gedenken. Wenngleich wir über den Egoismus einiger Mitmenschen enttäuscht

waren, die nach den Grundsätzen „wer hat, der hat“ handelten und für unsere Not kein Verständnis zeigten,

haben wir in Einbeck eine gütige Seele gefunden,  vor allem unsere Tochter Anneliese, als sie nach einigen

Wochen auch nach E. übersiedelte, da die engen Verhältnisse in Alferde und die dortige Einamkeit sie niederdrückten.

 

Es ist eine Bekannte meiner Schwester, Frau S. Rothermund. Bei ihr und ihrer Schwester, Frau Krama hat unsere Anne

mit ihrem ½ jährigen Matthias auf die Dauer von 1 ½ Jahren in jeder Weise ein ideales Heim gefunden, in dem auch

wir Eltern bei unseren späteren Besuchen uns sehr wohlgefühlt haben.

 

Die beiden Damen haben damit ein großes Opfer gebracht, vorallem

 

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wegen der nicht zu vermeidenden Unruhe, die durch unseren kleinen Stiefsohn in ihr sonst stillesHaus gebracht

wurde.

 

Ende November mußte ich wieder zurück nach Hannover, mein Urlaub war zu Ende, und der Schulbetrieb kam

langsam wieder in Gang.

 

Unsere Schule, an der ich 40 Jahre gewirkt hatte, war am 9. Oktober auch völlig zerstört und zusammen in einem

anderen Gebäude untergebracht. In der Anstalt selbst hatte ich aber an 3 Tagen Unterricht zu erteilen, am Sonnabend

hatte ich keinen Dienst und zweimal wöchentlich mußte ich in die Flakstellung hinaus, um dort unsere älteren Schüler,

die als Flakschüler eingezogen waren, zu belehren.

 

Von dieser Tätigkeit muß ich jetzt ausführlicher sprechen, sie bildet das trübste Kapitel in meiner Amtsperiode. Der

Anmarschweg war schwierig, die Straßenbahn- und und Omnibusverbindung oft unterbrochen, sodaß ich ganz

zu Fuß hinauspilgern mußte, die Unterbringung der Flakhelfer überaus dürftig, im Winter oft ohne Heizung,

oder verqualmte Räume

 

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keine richtige Sitzgelegenheit für den Lehrer, als Wandtafel ein schwarz angemaltes Kistenbrett, kaum Schwamm

und Kreise. Die Schüler übermüdet, selbst die guten ohne Interesse. Oft Luftwarnungen oder Alarm, die auch

dann mich aus meinen Lehrgebieten herausgerissen.

 

Verschiedene Male mußte ich auch einen Angriff auf Hannover oder seine Nachbargebiete vergehen lassen, einmal

bin ich in der Stellung in dem angeblich sicheren Befehlsstand geblieben, meistens zog ich mich in das benachbarte

Dorf zurück und suchte dort in einem Laufgraben oder bei den Bauern Schutz. Bei diesen Flaktouren stand mir

mein Freund Gustav Meyer, der auch in der Gruppe zu unterrichten hatte, treu zur Seite. Wir beide sind oft durch

die Gegend gezogen.

 

Kam ich angespannt nach Hause, gab es wieder Alarm ,-  oft mußte ich unterwegs in einen Bunker flüchten –

daß bei dieser Lebensführung ich mich in Hannover nicht wohlfühlte, läßt sich denken. Es kam hinzu, daß

meine Frau auch dauernd in Angst lebte, und daher ist es wohl verständlich, daß wir uns

 

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aus der gefährdeten Großstadt fortsehnten. Dafür verließen wir fast regelmäßig am Freitag Abend mit dem Zuge

Hannover, um bis Montag früh in ruhige Gegenden zu flüchten.

 

Meistens war unser Ziel Einbeck, wo unsere Tochter und auch unsere Schwiegertochter mit dem kleinen Michael

weilten, und wo ich bei meiner Schwester auf der Chaiselongue ein Quartier fand. Meine Gattin schlief bei unserer

Anna. Jedesmal holte uns Anna, und oft auch die Frau von unserem Ernst am Bahnhof ab, glücklich, daß wir

noch gesund zu ihnen zurückkehren konnten.

 

Zwischendurch fuhren wir auch nach Alferde zu den Eltern unseres Schwiegersohnes, aber auch dort verfolgte uns

der Alarm und trieb uns in den Schutzraum unter dem Kirchturm. Ferner besuchten wir unsere Tochter Grete und

ihre Kinder, die in Alfeld bei ihrer Schwiegermutter wohnten. Dort gab es auch bisweilen Alarm der uns aber

ebensowenig wie in Einbeck gestört hat.

 

Am Montag mußte ich dann schweren Herzens wieder an meine Arbeitsstätte zurück.

 

Diese Fahrten waren aber für mich und meine Frau wahrlich keine reine Freude,

 

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die Züge immer überfüllt, sodaß wir mehrere Male nicht mitkamen, kalt, keine Fenster, große Verspätungen und was

dergleichen an Begleiterscheinigungen mehr waren. Dabei nahm die Gefahr des Reisens immer zu.

 

Einmal erschien bei Garstedt ein Tieffliegerangriff auf unseren Zug geplant zu sein, die Reisenden stürzten ins Freie,

warfen ihr Gepäck sinnlos aus dem Fenster – ich aber blieb ganz ruhig und steckte mir die berühmte  kleine Cigarre

an. Von den ewigen Gefahren war ich allmählich abgestumpft. Eine Fahrt im Januar 44 ist mir noch im Gedächtnis.

 

Auf die Station               war am Tage unserer Reise nach Einbeck ein schwerer Fliegerangriff ausgeführt, die Gleise

zerstört und der Verkehr lahmgelegt. Wir aber hatten davon noch nichts gehört und waren wenig erfreut, als wir in

              den Zug verlassen mußten und aufgefordert wurden, bis zur nächsten Bahnstelle 4 km zu Fuß zu gehen.

 

Wie immer hatten wir viel Gepäck – Koffer, Rucksack und mehrere Taschen. Der Weg führte durch Bombentrichter

 

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und wir waren daran im Schlamm und unter unserer Last zu versinken. Völlig erschöpft an der Bahnstelle angekommen,

mußten wir den hohen Bahndamm erklimmen und warteten dann frierend über eine Stunde lang auf den Hilfszug,

der uns weiter befördern sollte. Da außerdem, um die Stimmung zu heben, wieder Flugalarm gegeben wurde, waren

wir wie erlöst, als endlich der Hilfszug in Sicht kam.

 

Wie wir bei dem fürchterlichen Andrang hineingekommen sind, ist mir heute noch ein Rätsel, jedenfalls landeten wir

mit 2stündiger Verspätung heil in Einbeck und wurden von unserer Anne mit ganz besonderer Freude begrüßt. In den

2 Tagen, die wir dort verbringen konnten, haben wir uns dann wieder von dieser großen Strapaze erholt.

 

Ich hatte in der Aufregung meinen Regenschirm verloren, erhielt aber von Hermine Wittsam den zweiten von Onkel

Ernst als Ersatz.

 

Bei unserer Rückkehr nach Hannover erwartete uns eine neue Überraschung. Beim Betreten unserer Wohnung

fanden wir in ihr unsere Tochter Lore mit ihren beiden Kindern, ihrem Gatten Alfred und noch einen Freund von ihm

vor.

 

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Sie waren aus Neiße (Schlesien), als Ende Januar 45 die Russen sich näherten und wollten bei uns Zuflucht suchen.

Unsere Wohnung war nicht geheizt, kein Licht, kein Wasser, der kleine Andreas, damals 2 Jahre alt, erkrankt

auf der furchtbaren Fahrt von Schlesien nach hier, mit erfrorenen Backen – ein Bild des Jammers.

 

Die Zuflucht bei uns war aber doch sehr illusorisch, wir hatten täglich Alarm, und so mußten dann unsere Flüchtlinge,

trotz ihrer Abspannung, mit in unseren Keller, später in denSchutzraum der hiesigen Schule. Der Weg dorthin – etwa

5 Minuten – mit den Kindern, der Aufenthalt in dem Schulkeller war ja auf die Dauer zermürbend, und wir mußten

schweren Herzens, nachdem unser Schwiegersohn uns aus dienstlichen Gründen nach einigen Tagen wieder verlassen

hatte, unsere Lore bitten, uns mit ihren Kindern wieder zu verlassen.

 

Lore war das Patenkind von meiner Schwester Marie, und diese erbot sich, unsere Tochter mit ihrenKindern bei sich

aufzunehmen. Also Weitertransport nach Einbeck.

 

Dort hat dann Familie Thoma bis zum August 1946, als sie nach Königsstein übersiedelten,

 

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gewohnt; zuerst Lore mit den Kindern, dann auch ihr Mann (nach dem Zusammenbruch) und schließlich auch dessen

Bruder, der keine Heimat mehr hatte.

 

Daß bei dieser starken Belagerung meine Schwester allerlei Unruhe hat über sich ergehen lassen müssen und daß wir

ihr dafür sehr dankbar sind, bedarf ja wohl kaum der Erwähnung.

 

Inzwischen aber war mein Herz durch die immer häufiger werdenden Angriffe – wir mußten oft an einem Tage

dreimal in die angeblich schutzbietende Schule – derartig zermürbt, daß ich, nachdem  ein Arzt das festgestellte und

bescheinigt hatte, vor dem Zusammenklappen war und um einen Urlaub von 8 Wochen                  . Er wurde

genehmigt, und es ging wieder nach Einbeck.

 

Dort habe ich dann die Wochen bis zum Abschluß des Dramas verbracht.

 

Mein Kollege Oberstudienrat Dr. Erche – nach dem Tode meines Direktors mein Vorgesetzter, als der er sich aber

nie mir gegenüber gezeigt hat, war ebenfalls mit dem Herzen zusammengebrochen und nach Einbeck, der Heimat

seiner Gattin, geflüchtet. Mit ihm zusammen habe ich dann dort oft die Tage verbracht, wir sind gemeinsam

gewandert und

 

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haben besonders auf meinem geliebten „Hasenjäger“ (siehe Jugendzeit) Kaffee getrunken. Er ist mir in dieser Zeit

ein lieber Kamerad geworden. Durch den Rundfunkapparat auf dem Hasenjäger hörten wir dann, wie das

Verhängnis immer näher rückte – wie friedlich war dagegen in früheren Jahren dort die Atmosphäre – bis dann

der Feind vor den Toren Einbecks stand.

 

Es waren auf mehreren Straßen Sperren gebaut, die Brücken untermint, man glaubte vielleicht die Truppen

dadurch aufhalten zu können, aber nachdem die Artellerie von der „             „ aus während einiger Stunden,

aber in ziemlichen großen Abständen einige Schrapnells in meine Vaterstadt gefeuert hatte, hat man wohl den

Widerstand aufgegen -  jedenfalls zogen am nächsten Morgen die amerikanischen Panzer in Einbeck ein,

begrüßt von weißen Tüchern, die auf dem Kirchturm, dem Rathaus und meisten Privathäusern wehten.

 

Den Angriff haben wir mit den Kindern in dem Keller bei          über uns ergehen lassen, ich habe mich aber nicht

sehr dabei aufgeregt, ich war ja

 

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auch größeren Kummer gewöhnt.

 

Auf dem Einbecker Marktplatz wurden die Waffen abgeliefert, überall sah man feindliche Truppen und Fahrzeuge,

auf dem Weg zum „Hasenjäger“mußte ich einem Posten meinen „Ausweis“ vorzeigen, um 7h war Sperrstunde, das

heißt, man durfte danach seine Wohnung nicht verlassen, es wurden Häuser beschlagnahmt, wir mußten bei meiner

Schwester, auch Anneliese bei             für einige Tage räumen, hatten aber doch das Gefühl, daß wir in dieser

kritischen Zeit in Einbeck besser untergebracht waren als in Hannover. Aber mein Urlaub war zu Ende, ich mußte

zurück. Den Willen hatte ich wohl, aber wie sollte ich ihn ausführen. Es gab keine Verbindungsmöglichkeit. Der

Zugverkehr ruhte völlig, auch der Postverkehr – ich war ohne Nachricht von meiner Arbeitsstätte und konnte mich

hier wegen meines Fortbleibens auch nicht entschuldigen.

 

Mein Gewissen schlug immer stärker, hinzukam die Sorge um unsere Wohnung in Hannover – sodaß wir, insbes.

nachdem wir unserer Grete, die mit dem Rade von Alfeld nach Hannover und danach von Alfeld nach Einbeck

gefahren war, erfuhren, daß unser oder

 

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besser ihr Heim in Kirchrode zeitweise von amerikanischen Truppen belegt gewesen war, den festen Vorsatz faßten,

nun Mitte Mai  nach einer Transportmöglichkeit energischer als bisher Ausschau zu halten.

 

Ich besorgte mir einen „Passierschein“, der dauerte wieder einige Tage und fand dann nach vielen vergeblichen

Anfragen und Bitten einen Fuhrunternehmer, der uns zusammen mit 3 anderen beförderte.

 

Auf einem offenen Lastauto bei Kälte und Regen, hockend auf dem Fußboden, mit Decken umhüllt, von Koffern

 und Rücksäcken umgeben, hielten wir in Hannover unseren Einzug, betraten mit einiger Spannung unsere Wohnung

und sahen uns folgendem Leid gegenüber.

 

Die Wohnung war nochmals belegt worden, am Tage vorher waren die Truppen wieder abgezogen, in den Zimmern

ein wüstes Durcheinander, die Betten zerwühlt und beschmutzt, in dem Keller Weckgläser,

 

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mehrere Flaschen Wein, die ich bis dahin gerettet hatte, geraubt, meine schwere Kassette im Schrank im Keller erbrochen,

aus dem zwei goldene                 und ein wertvoller Schmuck entwendet – glücklicherweise meine in ihm aufbewahrten

Scheckkassenbücher und wichtige Akten scheinbar aus Mangel an Interresse belassen – sämtliche Schlösser in den

Schränken mutwillig zerstört, Lampen unbrauchbar gemacht und der Hauptverlust: das kostbare Radio von

Niemeyer mitgenommen.

 

Sogar der Kinderwagen war in die Hände des Feindes gefallen; ihn haben wir später aus der Wohnung eines jungen

Mädchens – vermutlich des vorübergehenden Schatzes eines Soldaten, der ihr vorsorglich dieses nützliche verehrt

hatte, wieder holen zu können. Alles andere war und blieb verloren.

 

Das war unser Empfang in Hannover.

 

Zu aller Enttäuschung kam noch hinzu, daß man uns ein Zimmer fortnehmen und eine Frau und Kind bei uns

einquartieren sollte. Es ist ein großes Verdienst meiner Gattin, daß es ihr gelungen ist, zu erwähnen, daß unsere Tochter

 

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Grete mit ihren Kindern die Zuzugsgenehmigung für Hannover erhielt. Das war damals außerordentlich schwierig.

Aber wie gesagt, es gelang nach vielen schwierigen Wegen.

 

Nach einigen Wochen bezog Familie Niemeyer mit Ausnahme des Hausherrn, über dessen Schicksal wir damals noch

völlig im Unklaren waren, unsere oder besser ihre Wohnung. Wir verloren damit das bisherige alleinige Verfügungsrecht,

aber waren glücklich über das Zusammensein mit unserer Tochter und den 3 Großkindern.

 

Ich meldete mich zum Dienstantritt, mußte den berühmten Fragebogen ausfüllen, und wartete ab, was man mit mir

vorhatte. Der Schulbetrieb ruhte noch völlig, die Schüler waren zum Teil dadurch in Dienst gestellt, daß sie auf den

Friedhöfen oder in Gärtnereien arbeiten mußten. Dabei wurden sie von uns Lehrern beaufsichtig und es begann

nun meine Tätigkeit als Obergärtner.

 

Die Schüler haben sich nicht totgequält und auch mein Dienst war nicht gar zu sauer. Auf meinem Fahrrad fuhr

ich von einer Arbeits-

 

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stätte zur anderen, stellte fest, ob die Schüler erschienen waren, legte auch mitunter mal Hand an beim Hüten und

Graben, besonders später beim Obtsabnehmen und habe jedenfalls mein Gehalt leicht verdient.

 

Unter den Arbeitsplätzen ist mir der große Garten von einer Frau Haupt am Bunteweg in besonders angenehmer

Erinnerung, da ich von der Besitzerin immer sehr freundlich begrüßt wurde. Noch heute fühle ich mit ihr und

„Fräulein Else“ verbunden, zumal ich eine Zeit lang der Großtochter bei ihren mathematischen Studien Hilfsstellung

geleistet habe.

 

Wir haben noch Tabakbeziehungen zu einander, einmal dadurch, daß ich in ihrem Besitz einige meiner Tabakpflanzen

dem fruchbaren Boden anvertrauen durfte, zum anderen, weil ich die Raucherkarten der beiden Damen einlöse.

Daraus ergibt sich dann gelegentlich ein Besuch meinerseits in dem Keller dieser gebildeten vornehmen Frau, deren

großes Haus auch von den Engländern beschlagnahmt wurde.

 

Hoffentlich bleiben auch die „Obstbeziehungen“ erhalten, vielleicht gebraucht mich auch die Großtochter nochmals

zur Unterstützung.

 

Im Oktober war der Gartenbetrieb zu Ende, außerdem

 

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wurde der Schulbetrieb wieder aufgenommen. Aber für mich, dem mein Direktor wieder die OI anvertrauen sollte, war

dabei kein Platz mehr. Da meine Pensionierung infolge der Altersgrenze von 65 Jahren bevorstand, sollte ich nicht

mehr eingesetzt werden und wurde abkommandiert zur „Ostflüchtlingslehrerhilfe“. Dort mußte ich am Archiv Akten

ordnen, Privatunterricht vermitteln und konnte auch manchen aus dem Osten vertriebenen Kollegen vielleicht etwas

helfen.

 

Am 1. Januar 1946 wurde ich vom Dienst beurlaubt und am 1. März trat ich in den „wohlverdienten Ruhestand“.

In einer kleinen stimmungsvollen Abschiedsfeier wurde mein Freund Hermann Andreesen und ich selbst von dem neuen

Direktor Dr. Berneburg unter Würdigung unserer Verdienste entlassen. Nun war ich Freiherr !

 

Wie hätte ich dies Gefühl wohl genossen, wenn wir noch unser Haus in der Brehmstraße gehabt hätten und wenn die

Nachkriegszeit nicht in unsere Lebenshaltung so stark eingegriffen hätte. Aber so saß ich

 

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zwar bei unseren Kindern „wohlgelitten“, aber immerhin ohne Lebensaufgabe. Dazu belastet von allerlei Sorgen.

Sorge in erster Linie um unseren Sohn Ernst, von dem wir zwar wußten, daß er in russischer Kriegsgefangenschaft ist,

und der uns auch nach langem Warten von Zeit zu Zeit kurze, aber zufrieden lautende Grüße sandte, aber zu dem

doch oft unsere Gedanken voller Sehnsucht gehen.

 

Sorge um unseren Schwiegersohn Adolf Niemeyer, der zwar gesund aus der italienischen Gefangenenschaft zurück-

gekehrt ist, aber dessen Zukunft wegen seiner, wenn auch leichten, politischen Belastung (er war           bei der HS),

noch nicht geklärt ist.

 

Sorge um  meinen Bruder Walther, der mit seiner Frau ohne rechten Verdienst in Einbeck ein kümmerliches Leben

fristet, Sorge um meinen Neffen und Patenjungen                 , Sohn meiner Schwester Grete, der noch immer als vermißt

gilt.

 

Sorge um so manchen jungen Freund, Sorge um unsere  Anneliese, die sich in Alfelde nicht recht wohlfühlt und sich

nach Hannover und einem Zusammensein mit uns sehnt.

 

Sorge, ob nicht unsere Wohnung doch noch von den Engländern beschlagnahmt wird,

 

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Sorge, ob die Ernährungslage nicht noch schlechter würde, ob die Kartoffeln reichen, ob wir genügend Lernmaterila haben, wie unsere geldliche Lage demnächst ausehen wird, Sorge aber in erster Linie auch um unser Vaterland.

 

Um nicht mutlos zu werden und um diese vielen Sorgen, wenn auch nicht zu vergessen, zurückzudrängen, stürze ich mich seitdem in die Arbeit, gebe Privatstunden, in einem Umgfang, daß ich wohl mehr zu tun habe, als viele meiner noch im Dienst befindlichen Kollegen. Aber ich fühle mich wohl dabei und außerdem bringt ja meine Arbeit auch allerlei ein. Wenn auch der Wert des Geldes problematisch ist, kann ich unsere Schwiegertochter wesentlich unterstützen und auch anderen helfen.

 

Daneben bekomme ich auch von einigen Kindern materielle Gegenwerte, wobei die Tabakwaren von mir besonders geschätzt werden. Da ich nachmittags in unserer Wohnung kaum Ruhe finden konnte – am Vormittag sind die Kinder in der Schule und im Kindergarten – muß ich dann in die Wohnung meiner

 

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Klienten gehen. Das macht mir aber nichts aus, ich bin froh, wenn ich dort ein ruhiges, warmes Zimmer finde. So verläuft also mein Dasein -, für häusliche Hilfsleistungen werde ich selten herangezogen, habe ja dazu auch kaum Zeit.

 

Besondere Höhepunkte gibt es ja zur Zeit kaum. Zu weiteren Reisen habe ich nach den vielen Fahrten in den letzten Kriegsjahren keine Lust mehr, bisweilen besuchen wir Familie Vogel in Alferde, freuen uns aber, wenn unsere Kinder mit den Großkindern zu uns kommen. Es ist zwar etwas eng bei uns, und wenn 10, auch 12 Personen bei uns unterzubringen und zu verpflegen sind, macht das Schwierigkeiten, aber die nehmen wir gerne mit in Kauf. Bisweilen besuche ich auch meine Freunde in der Brehmstraße oder Kollege Kleinschmidt, mit dem, sowie mit dessen Gattin wir uns immer mehr angefreundet haben, und deren Sohn seit kurzem auch mein Klient ist.

 

Dann tagen auch einmal wir „Senioren des Kollegs“ in einem Lokal, das ist aber auch alles. Theater, Konzerte, selbst Kinobesuch fallen aus, schon der weiten Entfernung wegen von uns bis zu  ? .

 

Seit 268

Doch das ist ja auch nicht die Hauptsache – wir müssen dankbar sein, daß wir bei Familie Niemeyer gut untergebracht

sind. Die Kinder sind zwar lebhaft, aber doch auch für uns ein Quell der Freude. Unser Schwiegersohn ist rücksichtsvoll,

gefällig und verträglich und unsere Grete betreut uns liebevoll als ob sie unsere Mutter sei.

 

So herrscht bei uns volle Harmonie; die einzige Differenz entsteht bisweilen dadurch, daß unsere Grete mit ihrem stark

ausgeprägten Reinlichkeitssinn und intensivem Reinemachen in Widerspruch steht mit meiner genialen Unordnung

Doch auch in dieser Hinsicht werden wir noch zu einer Einigung kommen.

 

Ich bin am Ende meines Berichtes. Durch grimmige Kälte und Schneeverwehungen von der Außenwelt so ziemlich

abgeschnitten habe ich in 2 Wochen mein Leben vorbeiziehen lassen. Allerdings habe ich in den Nächten oft

wachgelegen und überlegt, was wert ist, in diesem Buch festgehalten zu werden.

 

Seite 269

Für den Rest meines Lebens ist in diesem mir von Adolf Niemeyer freundlichst überlassenen Band nicht mehr viel

Platz geblieben. Ich glaube auch kaum, daß es in ihm noch vieles geben wird, das des Niederschreibens wert wäre und

kann nur hoffen, daß das, was ich vielleicht einstmals noch hinzufügen werde, ein sonnigeres Gepräge trägt als der

letzte Abschnitt.

 

                                                                                                                      14. März 1947

 

 

Seit 270 leer

 

 

 

Seite 271

 

Rückkehr zur Brehmstraße Januar 1947

 

Es sind fast 2 Jahre vergangen seit dem ich von meinem Leben erzählt habe. Was soll ich über deren Verlauf sagen.

Wir haben sie bei unserer Tochter in Kirchrode verbracht und mit ihr, ihrem Mann und den 3 Kindern immer in

Harmonie und Eintracht gelebt. Natürlich war dieser Zustand für die Familie Niemeyer wie auch für uns selbst

mit allerlei Nachteilen verbunden.

 

Die Wohnung war für sieben Menschen zu eng, die Unruhe der Kinder für mich nicht immer wohltuend, der Besuch

unserer anderen Kinder und von Verwandten und Freunden wurde oft als störend empfunden, alles das legte

den Wunsch nahe, unser zerstörtes Haus wieder aufzubauen und damit selbständig zu werden.

 

Es kam hinzu, daß unsere Tochzer Anneliese sich bei ihren Schwiegereltern in Alferde wenig wohlfühlte und sich

nach Hannover zurücksehnte.

 

In erster Linie auf ihr Betreiben faßten wir im März 47 den Entschluß

 

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zunächst einmal die Trümmer unseres Hauses beseitigen zu lassen. Diese Arbeit wurde dann von einem Unternehmer für

etwa M 2000,- ausgeführt, das heißt die Trümmer wurden nicht sofort abgefahren, sondern zuerst sortiert und

gesammelt. Das Abfahren wurde dann weit später durch Vermittlung unseres Schwiegersohnes Niemeyer, der als

Dolmetscher bei den Engländern Beziehungen zu Fuhrunternehmen hatte, ausgeführt  durch annähernd 50 schwer

beladene Autos. Sie beförderten unseren ehemaligen Besitz auf den Schutthaufen.

 

Da wir nicht damit rechnen konnten, die Baugenehmigung zu erhalten -  da das Haus ja bis auf die Kellerräume

zerstört war – mußten wir „schwarz“ bauen immer in der Angst, daß über kurz oder lang die Baupolizei dahinter

kommen und protestieren würde.

 

Unsere Sorge war berechtigt, den im November, als das Haus im Rohbau etwa zur Hälfte fertig war, griff die Polizei

ein und verbot, den Bau fortzusetzen solange nicht eine Genehmigung erteilt wäre. Glücklicherweise hat man dann

unseren diesbezüglichen

 

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Antrag auf Weiterbau zugestimmt und das Haus konnte unter tatkräftiger Hilfe unseres Schwiegersohnes Fritz Vogel,

der ja mit in das Haus einziehen wollte, unter Dach gebracht werden.

 

Aus finanziellen und auch anderen Gründen haben wir uns zunächst mit einem Flachdach begnügt, sodaß der früher

ausgebaute Dachgeschoß fortgefallen ist. Im Frühjaht 48 wurde die Centralheizung angelegt, und dann begann ein

Wettrennen mit der drohenden Währungsreform. Das Geld wurde immer wertloser, Materialien waren kaum zu

beschaffen, die Handwerker mußten durch Naturalien entlohnt werden – was uns nur mit Hilfe von Fritz Vogel

möglich war.

 

Meine Frau mußte täglich die Leute verpflegen, das Essen zur Brehmstraße bringen, ich mußte für Rauchwaren

sorgen und alle möglichen Quellen für Cement, Fliesen etc. ausfindig machen.

 

Wir waren oft nahe daran den Mut zu verlieren. Es kam hinzu, daß die Möbelwerkstatt unseres Schwiegersohnes

Vogel abgebrannt war, und er dann sowohl

 

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geldlich und auch durch seine Mitarbeit uns beim Bauen kaum noch unterstützen konnte. Die Arbeiten zogen sich

immer noch in die Länge, und der 20. Juni 48 – der Tag der Geldreform -  legten sich zunächst ganz still.

 

Jetzt gab es zwar Material und Arbeitskräfte, aber mein Vermögen war auf den 10. Teil, d.h. wenige M 100,-

zusammengeschmolzen, und ich konnte weder Arbeiter bezahlen, noch die Materialien kaufen. Damit wurde das

Tempo sehr verlangsamt, ich mußte sämtliche –Reserven freimachen und durch Privatunterricht noch mehr als

bisher mir einen Nebenverdienst schaffen.

 

Ich bin in meinem ganzen Leben nie so stark in Geldverlegenheit gewesen wie in den letzten Monaten. Mein

Bestreben war, kaum Schulden zu machen, und so habe ich erst dann weiter arbeiten lassen, wenn mir das Geld

dazu wieder zur Verfügung stand.

 

Zunächst war das Haus zu verputzen, was in der Hauptsache von jungen Baustudenten in ihren Ferien ausgeführt

wurde – Kosten etwa M 1000,-

 

Seite 275

dann mußte Licht gelegt werden, und die Installation von Gas und Wasser durchgeführt. Dabei hat mir wieder

Adolf Niemeyer sehr geholfen. Die Folgearbeiten – Fenster, Türen. Fußböden, Treppe – wurden natürlich durch

Fritz Vogel erledigt und machten mir weniger Sorge. Die Treppe ließ allerdings recht lange auf sich warten und

wurde erst nach Weihn. geliefert.

 

Dann trat der Maler in Aktion und am 15. Januar 49 war die obere Etage soweit fertig, daß wir einziehen konnten.

 

Eigene Möbel besaßen wir ja nicht mehr, aber durch Hilfe von Verwandten und Freunden wurde dieser Mangel

überwunden.

 

Von meiner Schwester Maria erhielten wir eine Chaiselongue, Tisch, Stühle, eine Wanduhr von der Mutter unseres

Schwiegersohnes Adolf Niemeyer, einen weiteren Tisch und eine Couch, von meinem treuen Freund Gustav Meyer,

4 Lederstühle und ein Bett, unser Schwiegersohn Fritz Vogel hatte für mich einen wertvollen Schrank – für Bücher

etc. angefertigt (das Prunkstück unserer neuen Einrichtung) ferner 2 Betten – unsere stets um uns besorgte Tochter

Anneliese sorgte für eine Kommode,

 

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einen Sessel, von unserem Sohn Ernst und seiner Frau wurden uns Möbel für die Küche geliehen – die sie zur Zeit

nicht gebrauchten – und so wurden unsere Räume gefüllt.

 

Natürlich fehlte es uns an Hausrat – aber mit der Zeit wurde auch diese Lücke beseitigt und nach einigen Wochen hatten

wir kaum noch einen fühlbaren Mangel.

 

Mein Kreis an Privatschülern war erfreulicherweise in dieser Zeit besonders groß, sodaß mir die Mittel für die Beschaffung

ständig zuflossen.-

 

Bei unserem Einzug wurden wir von vielen Freunden und Nachbarn freudig begrüßt. Mit eigenartigen Gefühlen

begannen wir nun unser neues Leben in dem alten wiedererstandenen Heim. Die vielen Sorgen der Aufbauzeit waren

vergessen und mit neuem Mut sehe ich heute meinem Lebensabend entgegen. Ich fühle mich noch geistig völlig

frisch, der Körper zeigt bisweilen kleine Schwächen, aber ernstere Defekte liegen nach Urteil des Arztes nicht vor.

 

Meine Gattin ist etwas abgekämpft – sie hat sich beim Bau aktiver eingesetzt als ich selbst, da ich ja durch meine

unterrichtliche Tätigkeit gebunden war. Ihr lag das Verhandeln mit den Handwerkern mehr als mir, in geschäftlichen

Fragen ist sie mir voll überlegen, was ich gern eingestehe.

 

Neben der Sorge um unseren Wiederaufbau, war es die Sorge um unseren Sohn Ernst, die uns in den beiden vergangenen

Jahren belastete. Wir erhielten zwar von ihm ziemlich regelmäßig aus seiner Kriegsgefangenenschaft einen kurzen Gruß,

und es ging aus seinen Zeilen hervor, daß es ihm körperlich im allgemeinen gut erging, aber die Sehnsucht nach ihm

und das Warten auf seine Rückkehr wurde immer stärker in uns.

 

Es war ein großer Freudentag, als wir Ende November von ihm ein Telegramm aus Erfurt erhielten, aus dem hervorging,

daß er in wenigen Tagen wieder bei uns sein würde, und am 25. Nov. 48 traf er dann wirklich ein. Welche Gefühle mich

bei diesem Wiedersehen beseelten, kann ich nicht in Worte fassen.-

 

Inzwischen hat unser Sohn hier in Hannover wieder eine Wohnung bezogen, zunächst allerdings nur ein Zimmer, in dem

er mit seiner Frau und dem 2-jährigen Sohn natürlich sehr beengt hausen muß.

 

Er ist auch wieder als Studienrat angestellt und zwar in einer Mädchenschule. Eine starke Trübung liegt auf seiner

und auch damit auf unserer Familie dadurch, daß sein kleiner Sohn Michael seit mehr als einem halben Jahr schwer

erkrankt ist an Gehirnhautentzündung und zur Zeit noch in der Kinderklinik in Göttingen liegt. Gebe ein gütiger Gott,

daß er bald geheilt zu seinen Eltern zurückkehren kann.

 

Um das Ergehen unserer anderen Kinder und Großkinder brauchen wir uns gegenwärtig nicht zu sorgen. Unsere

Tochter Lore weilt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Königstein/Taunus. Dort nimmt ihr Mann als Studienrat

eine geachtete Stellung ein. Gegenwärtig sind sie dabei, sich ihr vernichtetes Mobiliar wieder zu beschaffen, und unser

Schwiegersohn Alfred ist sehr fleißig, um die Mittel dafür zu erwerben.

 

Meine Frau und ich waren im Sommer 47, sowie auch 48 mehrere Wochen in Königstein zu Besuch und haben uns von

dem harmonischen Familienleben überzeugen sowie die Schönheiten der dortigen Gegend genießen können.

 

Die dort verlebte Zeit ist mir in lieber Erinnerung; ich bedaure nur immer wieder, daß infolge der weiten Entfernung ein

Zusammensein mit Fam. Thoma nicht häufiger möglich ist.

 

Mit der Familie unserer Tochter Grete waren wir durch das Zusammensein natürlich besonders stark verbunden.

 

Unser Schwiegersohn Adolf Niemeyer war infolge seiner „politischen Belastung“ immer noch nicht wieder in seinem

Lehrerberuf zugelassen; er hat aber als Dolmetscher und Verwalter eines englischen Materiallagers genügend Geld

verdient, um seine Familie unterhalten zu können und bei dieser Tätigkeit mancherlei Vorteile gehabt, von denen wir

- wie ich schon sagte – bei unserem Bau auch profitiert haben. Er ist ein sehr geschickter Mensch, der auch immer

bereitwillig mir in manchen kleinen Nöten geholfen hat.

 

Die drei Großkinder sind wohlerzogen, zwar etwas temperamentvoll, aber gut begabt und in Erfüllung ihrer schulischen

Pflichten gewissenhaft. Von beiden Eltern besitzen sie ein gutes Erbgut.

 

Unsere Tochter Anneliese weilt noch in Alferde, wird aber in wenigen Wochen die untere Etage in unserem Haus beziehen

und dann mit ihrer Familie wieder mit uns vereint sein.

 

Sie hat in den zurückliegenden Jahren immer überaus treu für uns gesorgt. Ihren Beziehungen zum Lande haben wir

es zu verdanken, daß unsere Ernährungsmöglichkeit relativ günstig war.

 

Noch wertvoller aber war für uns ihre seelische Betreuung. Wir haben von Zeit zu Zeit sie in Alferde besucht und die

Festtage meistens dort verlebt. Unser Schwiegersohn hat viele Sorgen infolge des schon erwähnten Brandschadens

überwinden müssen. Er hat sich von seinem bisherigen Compagnon getrennt und in Alferde eine eigene Werkstatt

aufgebaut. Dabei waren viele geldliche Schwierigkeiten zu überwinden, aber allmählich ist sein Etat ausgeglichen.

 

Immerhin haben die auf ihn lastenden Sorgen sein früher unbeschwertes Leben nachteilig beeinflußt und ihn vorzeitig

altern lassen.

 

Die beiden Kinder Matthias und Christine haben sich prächtig entwickelt und sorgen für den Sonnenschein in der Familie.

 

Zusammenfassend habe ich gegenwärtig allen Grund, dankbar und zufrieden zu sein.

 

 

 

Liebe Margot,

 

ich glaube, wir sind jetzt fast am Ende, es fehlen nur noch die beiden Doppelseiten

 

276 und 267.

Ich habe sie neu abfotografiert und sie liegen mit bei den Fotoseiten. Keine Eile bitte mit

der Transkription, ich arbeite jetzt erst einmal weiter an dem gesamten Text und der Formatierung.

 

Alles Liebe

 

Dein Uli

 

 

 

 

 

 

 

 

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To be continued….. Stand 14 .August  2011

 

 


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